Christoph Kränkl, SAP: „Bei Drittel der Kunden steht die Ampel auf Rot“

Die Coronakrise hat alles verändert, das gesamte Business-Leben ist auf den Kopf gestellt. Selbst die IT-Branche ist gefordert – wenn sie auch zur Bewältigung gut und gern beitragen kann und sich relativ rasch auf die neue Situation eingestellt hat. [...]

SAP Österreich Chef Christoph Kränkl im Homeoffice: "Wir beschäftigen alle Mitarbeiter weiter und nutzen die Zeit für Weiterbildung und Seminare." (c) SAP

Wenn es der Wirtschaft und den Unternehmen nicht gut geht, dann leiden auch die IT-Hersteller und Dienstleister. Das trifft nicht nur die kleinen IT-Berater und Systemhäuser, sondern auch die Großen der Branche. Die COMPUTERWELT hat zur aktuellen Situation mit Christoph Kränkl, Geschäftsführer von SAP Österreich, gestern ein Gespräch geführt – von Homeoffice zu Homeoffice. Kränkl gibt Einblick in die aktuelle Situation im Unternehmen selbst, über die neue Art der Arbeit und Kommunikation mit seinem Team und die Situation mit den Kunden.

COMPUTERWELT: Wie hat SAP die Krise „erwischt“ und wie handhaben Sie im Unternehmen die aktuelle Situation?

Christoph Kränkl: Wir haben schon am Donnerstag, bevor die Regierungsmaßnahmen in Kraft traten, den Mitarbeitern empfohlen, zu Hause zu arbeiten. Und dann ab Montag vor drei Wochen wurde der Betrieb komplett heruntergefahren. Das heißt, alle 480 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SAP Österreich arbeiten derzeit virtuell aus dem Homeoffice, sogar unsere Rezeptionistinnen. Wir haben schon bislang allen unseren Mitarbeiter die Homeoffice Möglichkeit gegeben – jetzt sind es eben fünf Tage am Stück, was zugegeben einiges an Herausforderungen mit sich bringt. Wir nützen wie schon bislang, nur jetzt eben noch viel mehr Video Conferencing und Collaboration Tools.

Wir haben drei große Funktionsblöcke in Österreich, wir haben den Vertrieb, unsere Consulting und Services Abteilung und, sehr wichtig, unsere Support-Abteilung. Der Vertrieb ist die Arbeit vom Homeoffice und von unterwegs gewöhnt, für den Support war das technisch schon etwas anspruchsvoller, weil die Mitarbeiter gewohnt sind, ihre großen Bildschirme zu haben und auch eine sehr gute Netzwerkanbindung brauchen. Und bei Consulting und Services – die sind zwar auch mobiles Arbeiten gewöhnt – erleben wir eher, dass unsere Teams bei den Kunden durch die Corona-Schutzmaßnahmen, nicht vor Ort sein können.

Wie geht es Ihnen denn mit dem Geschäftsergebnis, spüren Sie Auswirkungen von Corona?

Gerade im Industriebereich mussten viele große Kunden auf Kurzarbeit setzen. Das wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit mit uns aus. Aber nachdem wir gestern gehört haben, dass die Wirtschaft schrittweise hochfährt, denke ich positiv!

Aber wie funktioniert im Moment Remote Consulting, ich denke im Bestandskunden-Geschäft läuft das ganz gut, aber im Neukundengeschäft dürfte es schwierig sein…

An neue Projekte im Consulting ist derzeit nicht zu denken – die werden verschoben. Wir beschäftigen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter und verwenden die Zeit für Training, Weiterbildung und Seminare. Wir sind damit gerüstet und können jederzeit ganz schnell wieder auf Vollbetrieb hochfahren. In dem Moment, wo die Kunden uns brauchen oder Projekte wieder aufnehmen, sind wir wieder mit dabei.

Wie viel Prozent der SAP Kunden sind denn im Moment von der Krise durch Kurzarbeit, Schließung bis hin zur Konkurs-Gefährdung betroffen?

Es gibt Bereiche, da können unsere Kunden so wie bisher weiterarbeiten und ihre IT Projekte mit uns oder unseren Partnern gemeinsam fortführen. Andere sind klarerweise von den Auswirkungen der Coronakrise sehr betroffen, zum Beispiel die produzierende Industrie. Bei rund einem Drittel der großen Kunden steht die Ampel derzeit auf  Rot. (Namhafte große Industrie-Unternehmen wie Magna, Voest, Andritz oder Zumtobel haben bekanntlich ihre Belegschaft in Kurzarbeit geschickt, Anm.d.Red.) Es gibt aber auch Kundensegmente, die zwar eingeschränkt sind, aber trotzdem ihre Projekte fortführen. Wie überall dürfen betriebsfremde Personen die Unternehmen nicht betreten, da kommt es zu Projektverzögerungen, da eben manche Schritte nicht virtualisierbar sind.

Wie sieht es mit anderen Branchen aus, etwa im Handel, wie im Gesundheitswesen?

Der Handel würde gerne Projekte umsetzen, muss aber durch die derzeit herrschende Lage die großen logistischen Herausforderungen lösen. In der Gesundheitsbranche oder im Versicherungsbereich laufen Projekte weiter. Klarerweise sind in den Spitälern derzeit alle IT-Projekte gestoppt.

Gibt es für SAP-Kunden Aktionen oder bestimmte Angebote, die helfen sollen, die Krise zu bewältigen?

Ja, wir stellen einiges an Leistungen für unsere Kunden zur Verfügung, darunter SAP ARIBA, Weiterbildungsangebote oder auch Experience Management Lösungen von Qualtrics Den Überblick gib es hier online

Wie ist die Situation bei SAP intern? Wie halten Sie guten Kontakt zu den Mitarbeitern?

Bei den Mitarbeitern merkt man natürlich, dass die Situation sie fordert. Alle, die Schulkinder haben, sind doppelt gefordert und belastet. Und jeder gibt das Feedback, dass Homeoffice den ganzen Tag acht Stunden lang in Telcos insgesamt anstrengender und aufwändiger ist als zuvor der klassische Büroalltag. Jedes Meeting muss man anberaumen, man trifft sich auch nicht mehr einfach bei der Kaffeemaschine, sondern man muss immer einen Call aufsetzen und die Leute zeitgleich zu einem virtuellen Meeting bringen. Das ist organisatorisch anstrengend. Unsere Leute arbeiten auch insgesamt mehr. Viele Eltern haben inzwischen einen Modus gefunden, wie sie das Home Schooling bewältigen. Oder sie wechseln sich bei der Kinderbetreuung ab und machen tagsüber Pausen.

Gibt es schon eine Strategie zum Wieder-Hochfahren des Betriebs?

Derzeit überlegen wir uns eine Hochfahrstrategie. Es muss geklärt die Frage geklärt werden: Wen lassen wir wann ins Büro? Dabei nutzen uns internationale Erfahrungen aus den asiatischen Ländern. Ich rechne mit einem lokalen Hochfahren mit Anfang Mai, aber das gilt es alles in den nächsten Tagen und Wochen zu klären.

Wie sieht denn Ihr Tag im Moment aus und was war die größte Umstellung durch Corona?

Es geht los um acht Uhr mit Calls und ich bin bis18 oder 19 Uhr mit Calls durchgetaktet. Ganz ehrlich: Die schwierigste Umstellung für alle war, dass man auch fürs Essen mehr Zeit einplanen muss, weil wir alle an die Kantine bei uns im Haus gewöhnt sind. Man braucht einfach im Moment längere Mittagspausen. Intern arbeiten wir gut strukturiert. Jede Woche gibt es einen Krisenteam-Call – das ist auch standardmäßig bei SAP vorgesehen. Wir haben einen Krisenstab und wir informieren unsere Mitarbeiter regelmäßig mit Newslettern oder haben alle zwei Wochen ein virtuelles All-Employees-Gespräch. Ich freue mich, dass alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund sind!

Erste Priorität hat Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter, das heißt, wir gehen keine Risiken ein, das ist das oberste Prinzip. Wir halten uns auch zu hundert Prozent an die Vorgaben der Bundesregierung, die sich nahezu mit den internationalen Konzernvorgaben decken.

Gibt es neue Kommunikationsformen, die jetzt durch Corona entwickelt worden sind?

Wir nutzen sehr viel MS Teams, aber wir haben auch andere Tools für Collaboration, aber auch für virtuelle Präsentation beim Kunden, im Einsatz. Vor der Zuspitzung der Lage haben wir auch extra ein Innovations- und Streaming-Studio in unserem Büro aufgebaut, damit wir Kunden-Events oder Workshops auch virtualisieren können. Wir überlegen, ob wir nach Ostern im noch eingeschränkten Betrieb dieses Studio schon wieder verwenden können. Bis Ende Juni haben wir alle SAP Veranstaltungen abgesagt, weltweit und auch lokal werden diese Veranstaltungen virtualisiert abgehalten.

Glauben Sie, sorgt die Corona Krise für eine langfristige Veränderung bei den Kunden bzw. auch eine neue Dimension in der Cloud-Nutzung?

Es gibt generell eine Kommunikations-Veränderung und eine Reise-Reduktion. Es wird sicher länger dauern, bis Menschen wieder im Flugzeug sitzen, um zu einem Kongress oder zu Business-Terminen zu fliegen. Wir werden in Zukunft sicher mehr virtuell machen. Die internationale Meeting-Kultur wird sich jedenfalls verändern. Zum Thema Cloud noch ein Satz: Ich denke, wir – und viele Unternehmen der Branche – haben bewiesen, dass uns  Cloud Lösungen gerade im Krisenfall hervorragend unterstützen können.


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