Cloud Computing: Spielt Oracle im Konzert der Großen?

Oracle hat zuletzt einige wichtige Kunden für sein Public-Cloud-Angebot gewonnen. Kann das Unternehmen irgendwann zu Amazon, Microsoft und Google aufschließen? [...]

Oracle konnte einige Schlüsselkunden von seiner Public Cloud Software überzeugen. Ein erster Schritt, um Amazon, Microsoft und Google im Cloud Game ein Schnippchen zu schlagen? (c) pixabay.com

Francesco Stasi, CEO von BotSupply, hatte soeben seine Chatbot-Technologie auf einer Konferenz in Kopenhagen präsentiert, als er von einem Oracle-Manager angesprochen wurde. Der erzählte ihm von den Plänen seines Unternehmens, seine intelligente Virtual-Assistant-Plattform auszubauen. Oracle werde BotSupply dabei helfen, mehrsprachige Chatbots zu erstellen – auch in dänischer Sprache, was durchaus ungewöhnlich war.

Das ereignete sich 2017. Das Startup und der Softwaregigant schlossen einen Vertrag, und im Jahr darauf wechselte BotSupply von der Google Cloud Platform (GCP) in die Oracle Cloud Infrastructure (OCI). Laut Stasi gelang es mit diesem Schritt auch, die IT-Infrastrukturkosten um 70 Prozent zu senken. Der Deal ist einer von mehreren Achtungserfolgen, mit der die weltweite Nummer eins bei Datenbanksoftware auch im boomenden Markt für Infrastructure-as-a-Service (IaaS) eine Duftmarke setzte.

Obwohl Oracle im IaaS-Business noch nicht mit vielen Kunden auftrumpfen kann, hat die OCI im pandemischen Frühjahr 2020 doch Schlagzeilen gemacht. Der Softwarekonzern konnte ausgerechnet den damals boomenden Videokonferenz-Spezialisten Zoom als Kunden gewinnen. Tag für Tag musste die Oracle-Cloud für Zoom bis zu sieben Petabyte an Daten verarbeiten, damit Menschen rund um den Globus in Kontakt bleiben konnten. Ein Härtetest, der dem Unternehmen Renommee einbrachte: Marken wie Mazda, FedEx, 7-11 und DropBox gehören heute auch zu den IaaS-Kunden von Oracle.

„Es gibt keine lauten Nachbarn“

In Wahrheit hat Oracle einige Umwege gehen müssen, um im von den Hyperscalern Amazon Web Services (AWS), Microsoft und Google beherrschten IaaS-Markt Aufmerksamkeit zu erregen. Ross Brown, der die Go-to-Market-Strategie von OCI für Oracle leitet, räumt ein, dass man mit der „Gen 1“ die etablierten Anbieter kopiert und im Wesentlichen einen Zugang zu Hypervisor-Servern verkauft habe, auf denen sich mehrere Kunden Rechen-, Speicher- und andere Ressourcen virtueller Maschinen teilen. Für die großen Drei, die so ihr E-Commerce-, Unternehmenssoftware- oder Suchmaschinengeschäft unterstützen wollten, sei dieser Ansatz richtig gewesen. Oracles Cloud-Angebot habe er indes Performance-seitig überfordert.

„OCI wurde zunächst nicht richtig entwickelt“, bestätigt Gartner-Analyst Sid Nag, der den Markt für Cloud-Infrastrukturen kennt. Ohnehin hätte OCI seiner Einschätzung nach ohne eine vernünftige Differenzierung kaum an Zugkraft gewinnen können. Das habe Oracle-Gründer, Chairman und CTO Larry Ellison schon bald eingesehen.

Es folgte ein harter Schwenk, nachdem Spezialisten von AWS und Microsofts Azure-Team abwarb, um die OCI neu zu gestalten. Gen2 wird nun in Gestalt von „Bare-Metal-Instanzen“ verkauft, dabei sind den einzelnen Mietern oder Unternehmen jeweils physische Server zugeordnet. Damit haben OCI-Kunden den Vorteil, dass keine Latenzprobleme eintreten, wenn sich zu viele Unternehmen Rechenressourcen teilen, sagt Brown. „Es gibt keine lauten Nachbarn.“

Kunden-Nerv getroffen?

Zu den Kunden, die dies als entscheidenden Vorteil sehen, gehört Phenix Software. Das Unternehmen verarbeitet und synchronisiert Videostreams für Live-Sportveranstaltungen, Auktionen und Festivals für Millionen von Fans. Während der Pandemie erlebte dieses Geschäft einen enormen Aufschwung, sagt Stefan Birrer, Mitbegründer und Chief Software Architect des Unternehmens.

Da Live-Events „enorme Mengen an Video-on-Demand-Daten“ generieren, benötigt Phenix eine Infrastruktur, die mit Hunderttausende gleichzeitigen Nutzern zurechtkommt. Laut Birrer war OCI in der Lage, CPUs in großem Umfang kostengünstig bereitzustellen. „Das lief alles reibungslos“, sagt der Softwarechef des Unternehmens.

Ein Blick in Oracles jüngste Bilanz zeigt, dass Oracle mit dem Gen2-Angebot einen Nerv getroffen haben könnte. Im dritten Quartal meldete das Unternehmen ein Umsatzwachstum von 100 Prozent für OCI. „Sie haben gute Arbeit geleistet“, sagt Gartner-Analyst Nag. Auch die Profitabilität in diesem Business könne sich sehen lassen, zumal Oracle erfindungsreich bei den angebotenen Features sei.

Letztendlich geht das starke Wachstum aber von einer vergleichsweisen kleinen Basis aus. Doch da der Markt für IaaS weiter stark zulegt, glaubt der Gartner-Mann, dass Oracle hier weiter punkten wird. Gartner erwartet, dass die weltweiten Ausgaben für Public-Cloud-Services in diesem Jahr um 23,1 Prozent auf insgesamt 332,3 Milliarden US-Dollar steigen werden, gegenüber 270 Milliarden Dollar im Vorjahr.

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Lift & Shift mit Bestandkunden

Um näher an die Big Three heranzurücken, hat Oracle einen Vertrag mit abgeschlossen, um virtuelle Maschinen auf OCI-Bare-Metal-Instanzen betreiben zu können. Oracle hat auch eine Partnerschaft mit Microsoft vereinbart, um Anwendungen zu unterstützen, die in Azure laufen, aber von einer in OCI gehosteten Datenbank angetrieben werden. Damit ist es dem Unternehmen gelungen, einige Nutzer seiner Anwendungssoftware-Lösungen PeopleSoft, J.D. Edwards und Fusion von einer Migration in die OCI zu überzeugen.

Ein Beispiel ist Alliance Data Systems, ein Spezialist für Loyalty-Marketing- und Zahlungssoftware, der 2018 vor der Frage stand, ob er die Mietverträge für seine Rechenzentren verlängern oder zu einem der großen Cloud-Provider wechseln sollte. Edwin Flores, IT-Infrastrukturmanager, entschied sich für die Migration in die Cloud und wählte Oracle aus, da bereits die Finanz- und Personalanwendungen von PeopleSoft und die Reporting-Software Hyperion eingesetzt wurden.

Flores sagt im Gespräch mit CIO.com, er habe befürchtet, dass die unternehmensspezifischen Geschäftsanwendungen mit Anbindung an die Oracle-Datenbanksoftware sonst nicht mehr richtig funktionieren könnten. „Wir wollten das, was wir hier aufgebaut haben, nicht verlieren, wenn wir zu einem anderen Anbieter wechseln“, sagt der IT-Manager.

Das Unternehmen, das 60 TB an Daten in die OCI verschoben hat, bearbeitet nun laut Flores Aufgaben um rund 25 Prozent schneller und senkt gleichzeitig die Kosten um bis zu 40 Prozent. Zudem müssten sich die IT-Mitarbeiter nicht mehr mit der Hardware beschäftigen und könnten sich auf Software-Innovationen konzentrieren. „Das war ein großer Schritt für unser Unternehmen“, sagt Flores.

Woher werden neue Kunden kommen?

Die Herausforderung für Oracle wird darin bestehen, neue Cloud-Kunden jenseits der angestammten Klientel zu finden. Außerdem wird das Unternehmen nachweisen müssen, dass es auch die Multi-Cloud-Ambitionen der Kunden unterstützen will, um deren Anforderungen umfassend zu erfüllen. „Die größte Herausforderung ist es, Kunden zu gewinnen, die wirklich Cloud-nativ denken“, sagt Gartner-Mann Nag. Legacy-Kunden, die zu OCI wechselten, reichten nicht aus. Entscheidend sei die Frage: „Wie viele neue Kunden werden sagen: ‚Ich möchte in der OCI laufen‘?“

Vermutlich wird Oracle im Cloud-Business versuchen, sich genauso wie AWS und Microsoft durch „Co-Innovations-Vereinbarungen“ tief in den Geschäftsmodellen der Kunden zu verankern. AWS beispielsweise arbeitet eng mit Volkwagen oder mit Takeda Pharmaceuticals zusammen, um für dieses Unternehmen Software für die COVID-19-Arzneimittelforschung zu entwickeln. Johnson Controls hat mit Microsoft kooperiert, um Digital Twins von Gebäuden zu erstellen. Equifax schließlich hat sich für die Google-Cloud entschieden, um sich bei betrieblichen Abläufen rund um Machine Learning (ML), Analytics und Betrugserkennung unterstützen zu lassen.

Die enge Zusammenarbeit mit Kunden wird am Ende dazu führen, dass diese mehr Services in Anspruch nehmen werden – so zumindest lautet die gängige Logik. Demnach braucht Oracle mehr Co-Innovationspartnerschaften, wie sie mit BotSupply bestehen. Gemeinsam arbeiten die Unternehmen an besseren NLP-Fähigkeiten des „Oracle Digital Assistant“, der Enterprise-Chatbot-Plattform des Unternehmens. Damit sollen zum Beispiel Citizen Developer sin den Fachabteilungen der Unternehmen schnell und einfach Bots für den Kundenservice, die Personalabteilung und andere betrieblichen Funktionen erstellen, sagt Stasi.

BotSupply arbeitet auch an einem neuen Projekt, das Oracles „Auto Datawarehouse“ nutzt, mit dem Kunden automatisiert Erkenntnisse aus E-Mails, Transkripten und anderen Datenquellen gewinnen können. Diese Daten sollen helfen, die Funktionsweise intelligenter Assistenten weiter zu verbessern.

Doch Chatbot-Kompetenz ist ein bisschen wenig, um sich für strategische Partnerschaften mit Großkunden ins Gespräch zu bringen und den Vorzug vor den Hyperscalern zu erhalten. „Sie haben bislang noch keinen Weg aufgezeigt, wie sie sich wirklich differenzieren können“, sagt Nag. Genau darauf werde es für das weltweit zweitgrößte Softwarehaus ankommen.

*Clint Boulton ist Senior Writer bei der US-Schwesterpublikation cio.com.


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