Die milliardenschweren Investitionen von SAP in Cloud-Software werden sich frühestens in einigen Jahren auszahlen und bis dahin die Rendite belasten. "Im Cloud-Geschäft wird die Profitabilität auch 2015 unter der des on-Premise-Geschäfts liegen", sagte SAP-Finanzvorstand Werner Brandt in einem Reuters-Interview. [...]
Cloud-Dienste werden im Gegensatz zum klassischen Softwarelizenz-Verkauf nicht mehr auf Computern installiert, sondern allein über das Internet genutzt und auf Abo-Basis abgerechnet. Die Profitabilität beider Geschäftsmodelle werde sich erst „in den nächsten fünf bis zehn Jahren annähern“, stellte Brandt in Aussicht.
An dem selbstgesteckten Ziel eines Anstiegs der operativen Rendite auf 35 Prozent bis 2015 rüttelt der Walldorfer Softwarekonzern dennoch nicht: „Wir sind gut unterwegs, dieses Ziel auch zu erreichen“, sagte der Finanzchef. 2011 lag die Marge bei gut 33 Prozent, Hauptkonkurrent Oracle kam zuletzt auf 46 Prozent. Im ersten Halbjahr 2012 liefen allerdings die Kosten wegen vieler Neueinstellungen und hoher Investitionen in die Cloud-Technologie aus dem Ruder. „Im zweiten Halbjahr müssen wir die Kosten zwar nicht reduzieren, aber den Anstieg im Griff behalten“, mahnte Brandt.
Cloud-Software gilt in der Branche als die am schnellsten wachsende Technologie und hat eine Übernahmewelle ausgelöst. Allein SAP legte zu Jahresbeginn für den unprofitablen Entwickler SuccessFactors 2,5 Mrd. Euro auf den Tisch, für den Kauf der elektronischen Beschaffungs-Plattform Ariba hat SAP weitere 3,4 Mrd.
Euro veranschlagt. Mit diesen Übernahmen will der weltweit größte Firmensoftware-Anbieter – nach einem holprigen Start mit der selbstentwickelten Software BusinessbyDesign – an Konkurrenten wie Salesforce vorbeiziehen, die schon länger Cloud-Software vertreiben.
Allein auf Cloud-Dienste zu setzen hält Brandt aber für einen Fehler: „Es wird immer hybride Modelle geben.“ Geschäftskritische Prozesse würden Unternehmen „immer selbst betreiben wollen“ – etwa die Verwaltung von Arzneimittel-Rezepturen in der Pharmabranche.
SAP will mit seiner schieren Größe im Wachstumsmarkt Cloud punkten: „Wir haben bei SAP weltweit rund 200.000 Kunden und weit über 100 Mio. Nutzer“, rechnete der Finanzchef vor. „Wir wissen, wo bei unseren Kunden Cloud-Lösungen sinnvoll einsetzbar sind. Das verursacht erheblich weniger zusätzlichen Vertriebsaufwand, als das bei anderen Cloud-Anbietern der Fall ist – weil wir den Zugang zu unseren Kunden bereits haben.“ SAP müsse auch nicht alle verkauften Cloud-Dienste – mit denen sich etwa von jedem Computer aus Spesen abrechnen oder Personaldaten verwalten lassen – selbst betreiben.
„Wir sind offen für externen Betrieb für Cloud-Produkte“, sagte Brandt. Im Schwellenland China sind SAP derzeit jedoch die Hände gebunden: „In China würden wir gern Cloud-Lösungen anbieten, das ist aber rechtlich im Moment nicht möglich: Ausländische Unternehmen bekommen dafür keine Lizenz.“ Den Umweg über Hongkong oder Singapur „halten wir aber für uns für nicht sehr vielversprechend“. Stattdessen setzt SAP auf Dialog mit der Regierung.
Die Zurückhaltung der öffentlichen Verwaltungen im Zuge der Staatsschuldenkrise dämpfte zuletzt das Wachstum des Weltmarktführers, der im ersten Halbjahr mit Software-Lizenzen im Wert von gut einer Mrd. Euro ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum umsetzte: Die Sparte Public Services sei in den ersten sechs Monaten nur im hohen einstelligen Bereich gewachsen, sagte der Finanzchef. Der öffentliche Sektor sei aber lediglich eine von 24 Branchen im Portfolio, der Anteil am Umsatz liege unter zehn Prozent. Die Krisenstaaten Griechenland Portugal, Spanien und Italien steuerten weniger als vier Prozent zu den Erlösen bei. „Das sind keine Größenordnungen, die angesichts der aktuellen Turbulenzen Anlass zur Sorge geben“, sagte Brandt.
Anzeichen für eine Rezession sieht der seit elf Jahren im siebenköpfigen SAP-Vorstand sitzende Betriebswirt nicht: „Unsere Pipeline für die nächsten drei bis vier Quartale sieht sehr gut aus.“ Insbesondere die Geschäfte mit der Datenanalyse-Software Hana, mit der SAP dem Erzrivalen Oracle das Leben schwerer machen will, liefen „außerordentlich“ gut: „Wir haben im Moment 500 Kunden – davon sind 100 live in allen Industrien und Regionen – und eine sehr, sehr starke Pipeline: Das Umsatzziel für dieses Jahr sind 320 Mio. Euro, auf einer rollierenden Basis der kommenden vier Quartale summiert sich die Pipeline auf rund 1,3 Mrd. Euro.“
Gleichwohl hält SAP nach weiteren Übernahmegelegenheiten Ausschau. „Unser Wachstum wird auch in den nächsten Jahren aus einer Kombination von organischem Wachstum und Akquisitionen bestehen“, sagte Brandt. Der mit 1,5 Prozent verzinste Bankkredit zur Finanzierung des SuccessFactors-Kaufs in Höhe von rund einer Mrd. Euro werde planmäßig in den nächsten zwei Jahren aus dem laufenden Cashflow getilgt. Vor dem – seit kurzem durch den Europäischen Gerichtshof erlaubten – Weiterverkauf gebrauchter Software-Lizenzen ist Brandt nicht bange: „Das beeinflusst uns nicht nachhaltig negativ.“ Für Unternehmen sei es „nicht unbedingt attraktiv“, gebrauchte SAP-Software zu kaufen. Denn die Entwicklungszyklen seien lang, zudem müssten zusätzlich die Wartungsverträge neu abgeschlossen werden.
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