Cloud-Technologien sollen digitale Fachverfahren modernisieren und die IT-Souveränität stärken. ITWelt.at hat sich die Lünendonk-Studie „Cloud-Transformation im öffentlichen Sektor“ angesehen. [...]
Die Studie, durchgeführt in Zusammenarbeit mit EY, Gofore, Hyand und msg systems, beleuchtet die digitale Transformation deutscher Behörden unter besonderer Berücksichtigung von Cloud-Technologien. Sie analysiert die aktuelle Lage, identifiziert Treiber, Hürden und strategische Optionen und legt den Fokus auf die wachsende Bedeutung souveräner IT-Infrastrukturen. Im Zentrum steht die Rolle der Informationstechnologie als Hebel für Effizienz, Skalierbarkeit und Sicherheit in einer zunehmend datenbasierten Verwaltung.
Digitalisierung im öffentlichen Sektor: Status quo und Handlungsdruck
Die Studie stellt fest, dass die Digitalisierung in vielen öffentlichen Einrichtungen nur schleppend vorankommt. Veraltete IT-Strukturen, fragmentierte Zuständigkeiten und ein ausgeprägter Fachkräftemangel gelten als Hauptbremsen. Zwar schätzen sich 51 Prozent der befragten Organisationen im Vergleich zu anderen deutschen Behörden als digital fortgeschritten ein, im europäischen Vergleich sehen sich jedoch nur 13 Prozent als Vorreiter. Im Vergleich zur Privatwirtschaft sehen sogar 53 Prozent der Befragten ihre Organisation im Rückstand.
Fachverfahren – IT-basierte Verwaltungsprozesse – spielen eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation. Sie müssen an aktuelle Anforderungen angepasst werden, etwa im Hinblick auf Benutzerfreundlichkeit, Cloud-Kompatibilität, Automatisierung und Standardisierung. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) und das EfA-Prinzip (Einer-für-Alle) sollen hierbei als Modernisierungsbeschleuniger wirken, erfordern aber tiefgreifende IT- und Organisationsveränderungen.
Cloud als Enabler moderner Verwaltungs-IT
Cloud-Technologien werden von einem Großteil der befragten Organisationen als zentrales Element einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur gesehen. 80 Prozent messen der Cloud-Transformation in ihrer eigenen Organisation eine hohe Priorität bei. Damit wird die Cloud zur strategischen Grundlage für die Digitalisierung von Fachverfahren, Automatisierung von Prozessen, Verbesserung der IT-Sicherheit und Ermöglichung datenbasierter Innovationen – insbesondere im Bereich künstlicher Intelligenz.
Die Mehrheit der Einrichtungen (71 Prozent) nutzt bereits erste Cloud-Dienste, ist jedoch noch in der strategischen Aufbauphase. Nur 18 Prozent setzen Cloud-Services umfangreich ein und verfügen über eine klare Cloud-Strategie. Dabei dominiert derzeit die Nutzung von SaaS-Angeboten, gefolgt von IaaS- und Virtualisierungsansätzen. PaaS gewinnt erst allmählich an Bedeutung.
KI, Sicherheit und Fachkräftemangel als Treiber
Die stärksten Treiber der Cloud-Transformation sind laut Studie:
- Nutzung von KI-Lösungen und Entwicklungsumgebungen (84 Prozent): Die leistungsstarken Cloud-Umgebungen gelten als Voraussetzung für den Einsatz generativer KI und datenbasierter Anwendungen.
- Erhöhung der IT-Sicherheit und Cyber-Resilienz (79 Prozent): Cloud-Anbieter bieten spezialisierte Security-Tools und kontinuierliche Investitionen in sichere Rechenzentren.
- Digitalisierung von Fachverfahren und Tätigkeiten (76 Prozent): Die Cloud soll als technologische Basis für die Modernisierung von Verwaltungsprozessen dienen.
- Fachkräftemangel und demografischer Wandel (60 Prozent): Standardisierte, cloudbasierte Services sollen helfen, Ressourcen effizienter zu nutzen.
- Bereitstellung moderner Entwicklerumgebungen (58 Prozent): Attraktive Arbeitsbedingungen für IT-Fachkräfte sollen die Wettbewerbsfähigkeit im Recruiting erhöhen.
Interessanterweise wird die Kostenersparnis von nur 41 Prozent als starker Treiber gesehen – ein Hinweis darauf, dass Cloud-Dienste zwar strategisch wertvoll, jedoch nicht zwangsläufig günstiger sind.
Souveränität und Governance im Cloud-Zeitalter
Ein zentrales Spannungsfeld der Studie ist die Frage nach digitaler Souveränität. Die Abhängigkeit von außereuropäischen Hyperscalern wie AWS oder Microsoft Azure steht in der Kritik – insbesondere im Hinblick auf Datenschutz, nationale Sicherheitsinteressen und regulatorische Compliance. Die Studie hebt hervor, dass Lösungen mit separaten EU-Betreibern wie Delos Cloud oder europäische Anbieter wie STACKIT oder IONOS eine Alternative darstellen könnten. Solche Modelle sollen gewährleisten, dass Daten in Europa verbleiben und nur europäischen Rechtsnormen unterliegen.
Die „Deutsche Verwaltungscloud-Strategie“ (DVS), initiiert vom IT-Planungsrat, zielt auf den Aufbau einer modularen, föderalen Multi-Cloud-Infrastruktur. 63 Prozent der Befragten sehen in ihr einen relevanten Baustein der digitalen Transformation – insbesondere Behörden auf Landesebene.
Cloud-native Entwicklung und technische Zielbilder
Die Modernisierung der Verwaltungs-IT soll künftig verstärkt auf cloudnative Technologien setzen. 61 Prozent der Organisationen entwickeln neue Anwendungen bereits überwiegend Cloud-native, weitere 29 Prozent planen dies. Bei Bestandssystemen ist die Lage differenzierter: Nur 19 Prozent bauen ihre bestehenden Anwendungen umfassend auf Cloud-native um, 43 Prozent lehnen dies aktuell ab oder sind unsicher.
Cloud-native bedeutet dabei die Nutzung von Microservices, Containern, automatisierten CI/CD-Pipelines und skalierbarer Infrastruktur, meist in Verbindung mit DevOps-Praktiken. Der Einsatz dieser Technologien soll kürzere Entwicklungszyklen, höhere Flexibilität und bessere Wartbarkeit ermöglichen – vorausgesetzt, die Organisationen verfügen über das notwendige Knowhow.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Die größten Hürden bei der Cloud-Transformation sind laut Studie:
- Regulatorische Anforderungen (77 Prozent): Datenschutz und Compliance-Anforderungen stellen komplexe Anforderungen an Architektur und Governance.
- Kulturelle und organisatorische Veränderungen (66 Prozent): Neue Arbeitsweisen, Zuständigkeiten und Entscheidungsstrukturen müssen etabliert werden.
- Abhängigkeit von Providern (62 Prozent): Die Gefahr eines Vendor Lock-in und der Verlust von Datenhoheit sind zentrale Sorgen.
- Fehlende Fachkenntnisse (51 Prozent): Der Mangel an Cloud-Expertise und der Weiterbildungsbedarf sind gravierend.
- Sicherheitsbedenken (49 Prozent): Migration sensibler Daten in externe Umgebungen wird kritisch gesehen.
Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass Budgetfragen und Personalmangel in vielen Organisationen weniger als Hindernis wahrgenommen werden – ein Indiz für geplante Investitionen und externe Unterstützung.
Strategien zur Beschaffung und Nutzung
In Bezug auf konkrete Cloud-Angebote zeigt die Studie, dass deutsche und europäische Cloud-Anbieter sowie Hyperscaler mit separaten EU-Betreibern bevorzugt werden. Die Bundescloud – ein Angebot des ITZBund – spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Lokale Cloud-Angebote der Hyperscaler ohne separate Betreiberstruktur werden dagegen deutlich kritischer gesehen, da sie dem US-CLOUD Act unterliegen.
Der strategische Fokus liegt zudem auf Multi-Cloud-Ansätzen, die sowohl technologische Vielfalt als auch regulatorische Absicherung ermöglichen sollen. Die Entwicklung geeigneter Cloud-Governance-Strukturen und technischer Landing Zones ist dabei essenziell.
Anwendungsfelder: vom Arbeitsplatz bis zur KI-Plattform
Cloud-Technologien werden bereits heute für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt:
- Moderne Arbeitsplatzlösungen (z. B. Microsoft 365)
- Automatisierung und Workflow-Steuerung
- Fachverfahren und Bürgerportale
- Sicherheitslösungen
- Datenanalyse und KI-Dienste
Diese Bandbreite zeigt, dass die Cloud nicht nur als Infrastrukturlösung verstanden wird, sondern als Enabler für eine umfassend digitalisierte Verwaltung.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die Lünendonk-Studie zeigt deutlich: Die Cloud-Transformation im öffentlichen Sektor ist kein reines IT-Projekt, sondern ein tiefgreifender organisatorischer Wandel mit hohen technischen, rechtlichen und kulturellen Anforderungen. Erfolgreiche Behörden werden jene sein, die ihre Cloud-Strategien konsequent aufsetzen, digitale Souveränität wahren und moderne Technologien wie KI und Automatisierung in skalierbare Architekturen integrieren. Die öffentliche IT wird so zum strategischen Gestalter einer modernen, bürgernahen Verwaltung.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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