Die COMPUTERWELT hat gemeinsam mit 30 IT-Experten in die Zukunft geblickt. Lesen Sie hier, was Christian Leopoldseder, Managing Director Austria bei Asseco Solutions, vom IT-Jahr 2019 erwartet. [...]
Welche IT-Themen werden für Anwender 2019 eine wichtige Rolle spielen und warum?
Mit fortschreitender Digitalisierung ist mittlerweile eine gute Ausgangslage für smarte Anwendungsszenarien im österreichischen Mittelstand geschaffen. Im kommenden Jahr wird daher vor allem die Frage im Fokus stehen, wie die dabei entstehenden Datenmassen effektiv verarbeitet sowie über die bisherigen Zwecke hinaus genutzt werden können. Für IT-Anbieter spielt dabei der Plattformgedanke eine immer stärkere Rolle: Indem starre Monolithen zur flexiblen App-Plattform weiterentwickelt werden, legen Hersteller die Basis, die hohen Leistungsanforderungen des smarten Zeitalters bewältigen zu können. Bezüglich der Nutzungsszenarien wird das Thema künstliche Intelligenz zu einem der Top-Trends 2019 werden: Die immer ausgefeilteren Algorithmen können auf dem Datenschatz aufbauen, der im Rahmen bereits bestehender smarter Anwendungen gesammelt wurde, und Anwendern so völlig neue Wertschöpfungsszenarien eröffnen.
Gibt es IT-Themen, die Ihrer Meinung nach gehyped werden, diesen Hype aber gar nicht verdient haben?
Stand heute würde ich tatsächlich die künstliche Intelligenz in diese Kategorie einteilen. Das Schlagwort ist derzeit in aller Munde und Hersteller schmücken sich gerne damit – unabhängig davon, ob in ihren Anwendungen tatsächlich künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt oder vielleicht nur ein besonders ausgeklügelter, herkömmlicher Algorithmus. Blickt man hinter die Kulissen, wird schnell deutlich, dass beispielweise im ERP-Bereich aktuell noch kaum konkrete Ansätze für echte KI-Szenarien bestehen. Gleichzeitig muss man sich jedoch vor Augen führen, dass viele der vermeintlichen Hype-Themen der Vergangenheit heute längst zu etablierten Praxis-Technologien geworden sind. Man denke nur an die Cloud, der Anwender zu Beginn mit hoher Skepsis begegnet sind. Mittlerweile sind die entsprechenden Infrastrukturen und Abrechnungsmodelle ausgereift, die Frage nach dem „Ob“ ist in den meisten Fällen der Frage nach dem „Wie“ gewichen. Ähnliches gilt für Industrie 4.0. Während es in der Vergangenheit kaum konkrete Projekte gab, hat die Mehrheit der Fertiger heute bereits auf die ein oder andere Weise vernetzte Technik im Einsatz. Sobald eine Technologie einen gewissen Reifegrad erreicht hat und sinnvolle Anwendungsszenarien für die Praxis bestehen, wird aus einem Hype der neue Status Quo.
Wie helfen Sie Ihren Kunden, ihren Datenschatz zu heben, sprich das Optimum aus ihren Daten herauszuholen?
In unseren Kundenprojekten legen wir bereits seit einiger Zeit einen starken Fokus auf Themen wie Digitalisierung und die smarte Fabrik – mit unserer Industrie-4.0-Lösung SCS etwa ermöglichen wir es unseren Kunden, ihre Maschinen mit der Cloud zu vernetzen und die übertragenen Betriebsdaten in Echtzeit zu analysieren und auszuwerten. Auf dieser Basis lassen sich dann beispielsweise Predictive-Maintenance-Szenarien realisieren und das eigene Geschäftsmodell durch neue Daten-Services für Endkunden erweitern. Eine weitere Möglichkeit besteht für den Hersteller darin, die gesammelten Betriebsdaten all seiner Maschinen anonymisiert kundenübergreifend zu analysieren und aus dem entsprechenden Big-Data-Pool konkrete Handlungsempfehlungen für seine Kunden abzuleiten, etwa wie sich durch eine Konfigurationsanpassung der Output einer Maschine erhöhen lässt. Dieses Wissen wiederum lässt sich als Beratungsservice an den Kunden weitergeben. Für die dahinterstehende Technologie – sowohl im Bereich Industrie 4.0 als auch im klassischen ERP-Bereich – haben wir spezialisierte Data Scientists in unseren Reihen, die uns das Knowhow liefern, Daten mit den aktuell modernsten technischen Möglichkeiten (Machine Learning, neuronale Netze) zu analysieren und entsprechende Zusammenhänge zu finden und darzustellen.
Inwiefern beeinflusst künstliche Intelligenz heute schon die von Ihnen angebotenen Produkte und Services?
Konkret haben wir zum Thema künstliche Intelligenz momentan zwei Produkte im Angebot: Zum einen ein CRM-Modul, das zum Beispiel Vertriebler in ihrer Recherchearbeit zu einem Interessenten unterstützen kann. Dazu sammelt das Tool verfügbare Informationen wie Presseveröffentlichungen, Handelsregistereinträge oder Beiträge in sozialen Medien, analysiert und interpretiert diese und erstellt so eine aufbereitete 360-Grad-Sicht zum Unternehmen. Das entlastet den Vertriebsmitarbeiter von zeitraubender Informationsbeschaffung. Im Bereich der Stammdaten analysieren wir lager- oder auftragsdisponierte Artikel inklusive der Meldebestände mithilfe künstlicher Intelligenz, konkret: maschinellem Lernen. Erste Anwendungen wie diese zeigen uns, welches enorme Potenzial in der neuen Technologie steckt, ein Bereich, in dem wir uns erst ganz am Anfang der Reise befinden. Für uns bildet die Technologie derzeit einen der zentralen Schwerpunkte in der Weiterentwicklung unserer Lösungen.
Kann man als Unternehmen ohne Cloud künftig noch überleben? Wenn ja wie bzw. wenn nein warum nicht?
Zumindest aktuell dürften Existenzängste aus meiner Sicht in den meisten Fällen unbegründet sein. Jedoch müssen sich auch eingefleischte Cloud-Gegner immer wieder vor Augen führen, dass die IT-Welt jeden Tag komplexer wird. Für die IT-Administratoren etwa bedeutet das, dass diese eine zunehmende Anzahl von Aufgaben und Anforderungen mit vorhandenen Ressourcen und vorhandenem Knowhow bewältigen und stemmen müssen. Früher oder später werden die Teams an ihre Grenzen stoßen. Hier kann die Nutzung von Cloud-Technologie natürlich massiv unterstützen. Die Frage wäre daher vielmehr, ob die Gründe, die aus Unternehmenssicht gegen eine Cloud-Nutzung sprechen, tatsächlich deren Vorteile überwiegen. Oder anders ausgedrückt: Möchte ich in Zeiten des immer stärkeren Wettbewerbs wirklich auf die Vorteile der Cloud verzichten?
Was war ihr persönliches IT-Highlight des Jahres 2018?
Mein persönliches IT-Highlight im vergangenen Jahr war die Präsentation der Ergebnisse unseres ersten KI-Produkts im Projektlenkungsausschuss beim Kunden. Wir hatten dort das bestehende Artikelsortiment analysiert und mithilfe der intelligenten Technologie einen Optimierungsplan erstellt. Dabei zeigte sich, dass die Neuzuordnung nahezu aller Artikel absolut Sinn ergab und damit selbst den Materialwirtschaftsverantwortlichen überraschte. Sowohl er als auch wir selbst waren von den Ergebnissen begeistert. Der Nutzen der KI-Technologie lässt sich in diesem Fall auch in konkrete Zahlen fassen: Durch die optimierte Neuausrichtung konnte das Unternehmen seinen Lagerwert um mehr als 20 Prozent reduzieren. Für uns war im Nachgang des Projekts klar, dass unsere Weiterentwicklung auf jeden Fall in Richtung künstliche Intelligenz erfolgen muss.
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