Wer wollte nicht schon einmal die Zeit anhalten? Jack Joyce, der Hauptdarsteller in dem Spiel Quantum Break des finnischen Entwicklerstudios Remedy Entertainment, kann zwar genau das, würde sich aber wünschen, diese Fähigkeit nicht erlangt zu haben. Denn er muss - ganz nach dem bekannten Superhelden-Motto "aus großer Macht folgt große Verantwortung" - alles daran setzen, den Schlamassel wiedergutzumachen, der zu seiner Verwandlung geführt hat. Daran hängt nicht nur sein Leben, und das seiner Freunde und Familie, sondern auch der Fortbestand der ganzen Welt. Zumindest so, wie wir sie kennen. [...]
Die Inszenierung der Geschichte in fünf Akten gefällt – sowohl Film, Animation als auch die Spielpassagen. Alles geht flüssig ineinander über. Daran merkt man einmal mehr, dass Remedy sich dem Storytelling verschrieben hat. Das können die Finnen so gut wie kaum eine andere Spieleschmiede. Jedoch muss man darauf gefasst sein, dass der Spielfluss nach dem Abschließen eines Aktes durch rund 20-minütige Filmepisoden unterbrochen wird. Die lassen sich zwar überspringen, doch zumindest beim ersten Mal sollte man sie sich nicht entgehen lassen.
EIN QUÄNTCHEN MEHR ABWECHSLUNG
Schade ist, dass Remedy aus den Möglichkeiten, die das Zeitmanipulations-Setting bietet, nicht noch etwas mehr gemacht hat. So wäre es beispielsweise nett gewesen, wenn man auf dem Zeitstrang, der die Aneinanderreihung der einzelnen Levels darstellt, auch Abzweigungen möglich gemacht hätte. So kann man zwar selbstverständlich bereits absolvierte Level jederzeit wieder anwählen, aber nicht parallel zwei verschiedene Entscheidungsstränge miteinander vergleichen.
Optische Effekte im Kampf (c) Remedy Entertainment
Allerdings hätten verzweigte Zeitstränge ohnehin nur wirklich Sinn gemacht, wenn sich die im Spiel getroffenen Entscheidungen dramatischer im Verlauf bemerkbar machen würden. Denn selbst bei gänzlich unterschiedlichen Entscheidungen am Ende der Akte ändern sich sowohl die Zwischensequenzen als auch der gesamte Spielverlauf nur marginal. Das schmälert den Wiederspielwert, da abseits der spannenden Feuer- und Zeitgefechte schon beim zweiten Durchspielen Langeweile droht. Zumindest, wenn man gleich nach dem Abspann wieder von vorne beginnt. Lässt man sich ein paar Wochen Zeit, sieht die Sache vielleicht wieder anders aus.
Auch den Kämpfen hätte es gut zu Gesicht gestanden, wenn sie mit etwas mehr Abwechslung gewürzt worden wären. Eigentlich würden es die Zeitkräfte ja beispielsweise erlauben, dem einen oder anderen Scharmützel aus dem Weg zu gehen, anstatt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, in die ewigen Jagdgründe zu befördern.
SPIEL ODER INTERAKTIVER FILM?
Aber das ist alles Jammern auf hohem Niveau. Denn schließlich hat Remedy einen soliden Shooter abgeliefert, der Spaß macht, und außerdem noch mit einer außergewöhnlichen und toll präsentierten Story glänzt. Quantum Break muss sich damit in keinster Weise neben den anderen beliebten Spiele-Reihen des Studios wie Max Payne und Alan Wake verstecken. Im Gegenteil: Durch das gelungene Verweben von Filmpassagen und Spielgrafik hat das Studio seine Erzählkunst auf die nächste Stufe gehoben und eigentlich einen interaktiven Film gestrickt.
Wer sich – wie wir beim Test der Xbox-One-Fassung – alle Mails durchliest, Informationen sammelt, Radiosendungen anhört und gemütlich umsieht, wird mit vielen kleinen Gags und Anspielungen belohnt. In diesem Fall kann man für den ersten Durchgang von Anfang bis Ende inklusive der Serien-Episoden rund 20 Stunden einplanen, verteilt auf mehrere Abende. Wer in blinder Wut vorwärtsstürmt, um die Welt so schnell wie möglich zu retten, braucht sicher kaum die halbe Zeit.
So dümmlich, wie er hier aussieht, ist Jack Joyce nicht. (c) Remedy Entertainment
Nicht nur Hardcore-Gamer werden mit Quantum Break ihre Freude haben. Auch wer nur hin und wieder für ein oder zwei Stunden seinen Spiele-PC oder die Konsole anwirft – Job, Familie und Freunde wollen schließlich auch hin und wieder Aufmerksamkeit -, findet schnell wieder ins Spiel und kommt auf seine Kosten. Bei den Serien-Episoden zwischen den Akten können sich außerdem auch weniger Shooter-affine Lebensabschnittspartner zum Gamer auf die Couch gesellen und gemeinsam die Abenteuer von Jack Joyce & Co. verfolgen.
Auf einen Multiplayermodus muss man verzichten, so wird es bei den meisten Spielern also wahrscheinlich bei zwei bis drei unterhaltsamen Weltenrettungen bleiben, bevor Jack, Paul, William & Co. endgültig wieder im Regal verschwinden. Was bleibt, ist das Gefühl der Zufriedenheit, dazu beigetragen zu haben, dass die Zeit am Ende doch nicht aus den Fugen geraten ist. Zumindest, bis das Zeit-Ei das nächste Mal kaputtgeht. (rnf)
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