Platform-as-a-Service-Lösungen (PaaS) können auch Unternehmen ohne bisherigen Bezug zum Internet of Things dabei helfen, binnen kurzer Zeit ein IoT-Geschäftsmodell aufzubauen. [...]
Unternehmen, welche die strategische Bedeutung des Internet of Things (IoT) erkannt haben und für sich nutzen wollen, haben normalerweise zwei Optionen: Sie bauen eine eigene IoT-Lösung oder nutzen eine bereits bestehende Plattform. Es gibt allerdings noch einen dritten Weg – eine Kombination davon in Form einer Platform-as-a-Service-Lösung.
Ein Beispiel dafür ist das norwegische Unternehmen Fjordkraft, das über 622.000 Lieferpunkte in Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen mit Strom beliefert. In ganz Norwegen sind das geschätzt 1,4 Millionen Menschen. Als Energieversorger ist Fjordkraft in einem Bereich tätig, indem man sich kaum über das Produkt im Wettbewerb differenzieren kann. Wenn, dann geht dies nur über den Preis. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Kundenbindung. Hinzu kommt, dass sich der Strompreis in Norwegen wegen der Unregelmäßigkeit von Windenergie stündlich ändern kann – je nach Windaufkommen.
Conrad Connect: Enabler für Least Cost Charging
Das Unternehmen aus Bergen macht sich diesen Umstand in einer App zunutze, die es dem Kunden ermöglicht, gezielt bei niedrigem Strompreis Elektrogeräte wie Waschmaschine oder Trocker in Betrieb zu nehmen. Außerdem bietet die App eine automatisierte Heizungssteuerung für Büros, Ferienwohnungen oder das Smart Home, um einerseits keine leeren Räume zu heizen und andererseits nach der Arbeit ein angenehm warmes Zuhause vorzufinden.
Fjordkraft-Kunden können ferner ihre Elektroautos der Marken Tesla, VW, BMW und Audi mit der App des Energieversorgers verknüpfen. Dadurch ist die Software in der Lage, auf eine Strompreisdatenbank im Internet zuzugreifen und den Ladevorgang entsprechend dynamisch anzupassen. Gerade die Funktion Least Cost Charging gewinnt in Norwegen zunehmend an Bedeutung, beträgt doch der aktuelle Anteil an Elektroautos bei den Neuzulassungen dank staatlicher Förderung mehr als 50 Prozent.
Angesichts der zahlreichen involvierten Player – von Anbietern aus dem Smart-Home-Umfeld über Hersteller von weißer Ware bis hin zu verschiedenen Autobauern – hätte es Fjordkraft allerdings selbst extrem viel Energie und Zeit gekostet, um die vielen Verbindungen auf einer eigenen IoT-Plattform mit den Daten von Windkraftanlagen, Wetterstationen etc. zusammenzufügen. Stattdessen setzte das Unternehmen auf das Team von Conrad Connect, das Verknüpfungen zu zahllosen IoT-Systemen über eine Cloud-Plattform als Platform as a Service (PaaS) zur Verfügung stellt.
Conrad Connect: Die losen IoT-Enden verknüpfen
2015 habe man sich bei Conrad das Thema Smart Home vorgenommen und angeschaut, wie sich der Bereich entwickelt, erklärt Andreas Bös, der 2014 als Head of New Business/Innovation zu Conrad Electronic gestoßen war, im CW-Gespräch. Dabei habe sich gezeigt, dass allein bei rund 70 Smart-Home-Systemen im eigenen Sortiment wohl kein Bedarf an einem neuen Hardware-Player besteht – wohl aber daran, die losen Enden zu verknüpfen. Als Ergebnis wurde 2016 das PaaS-Spin-off Conrad Connect gegründet. Stand heute zählt es laut Bös als eine Art AppStore der IoT-Kooperationen mehr als 130 Brands und über 450.000 Nutzer mit durchschnittlich je 20 automatisierten Projekten.
„Das Ganze ging ganz schnell über den Smart-Home-Bereich hinaus“, berichtet der Senior Vice President von Conrad Connect, und sei in praktisch allen Branchen anwendbar, etwa Automobilbranche, Versicherung, Facility, Handel, Produktion, SmartHome, Energy, Gesundheit etc.
Ein Grund für das schnelle Wachstum ist, dass Conrad Connect nicht die zahllosen Geräte, Fahrzeuge etc. direkt anspricht, sondern eine Stufe höher agiert und als OTT Solution (Over the Top) über andere Clouds mit bereits vernetzten Geräten spricht, erklärt Bös. So könnten Nutzer etwa ihren VW ID3 oder BMW i3 über die Cloud mit der Plattform verbinden. Sie erhalten dann nicht nur die herstellerspezifischen Informationen, sondern können mithilfe eines Low-Code- oder No-Code-Ansatzes eigene Anwendungsszenarien realisieren, also beispielsweise definieren, dass sich automatisch das Garagentor öffnet, wenn sich das Auto dem Haus nähert.
Den Hardwareherstellern kommt Conrad Connect damit nicht in die Quere, eher im Gegenteil, wie Bös erklärt: „Viele Hersteller erkennen, dass nicht nur eine 1:1-Verbindung gefragt ist und nutzen Conrad Connect als Enabling-Technologie für mehr zusätzlichen Service. Dazu zählt auch die Integration in eine App eines anderen Anbieters.“
Es gibt aber auch Unternehmen, welche die Funktion in der eigenen App haben wollen, wie etwa Fjordkraft, so Bös. Dann übernehme Conrad Connect eine Rückwärtsintegration, bei der geprüft wird, welche Funktionen, welche Konnektoren in der App benötigt werden und stelle sie über die PaaS-API zur Verfügung. Im konkreten Fall stamme auch der Algorithmus für das Least Cost Charging von Fjordkraft, es gebe aber beide Möglichkeiten, App oder Cloud-Plattform, je nachdem, wo die Daten untersucht werden.
*Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
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