Corona beschleunigt die Digitalisierung im Versicherungssektor

BigTechs und weitere neue Akteure drängen auf den Versicherungsmarkt. Versicherer müssen daher dringend die nötigen Fähigkeiten aufbauen, um den gestiegenen digitalen Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden – und dazu neue Wege gehen. Zu diesem Schluss kommen Capgemini und Efma im heute veröffentlichten World InsurTech Report 2020 (WITR). [...]

Wolfgang Barvir, Head of Financial Services bei Capgemini in Österreich. (c) Capgemini
Wolfgang Barvir, Head of Financial Services bei Capgemini in Österreich. (c) Capgemini

Seit Beginn der Coronapandemie haben Versicherungskunden digitale Kanäle intensiver genutzt als zuvor. Damit sind auch ihre Erwartungen an diese Informations-, Vertriebs- und Kommunikationswege gestiegen. Für Versicherer wird dadurch die Digitalisierung dringlicher und externe Partner gewinnen für sie an Attraktivität. Der World InsurTech Report 2020 sieht daher wachsende Chancen für InsurTechs mit kooperativen Geschäftsmodellen. Als mögliche Kooperationspartner der Versicherer kommen aufgrund ihres vorbildlichen Nutzererlebnisses zudem BigTechs in Betracht. Allgemein verschwimmen die Grenzen zwischen Versicherungen, InsurTechs, BigTechs und Technologiepartnern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich die etablierten Versicherer in entscheidenden Bereichen verbessern – etwa in Sachen Kundenzentriertheit, bei intelligenten Prozessen, der Produktflexibilität und offenen Ökosystemen.

„Zur Konkurrenz jedes Versicherers zählen neben anderen Versicherungsunternehmen mittlerweile BigTechs und weitere neue Akteure mit einem hervorragenden Kundenerlebnis“, sagt Wolfgang Barvir, Head of Financial Services bei Capgemini in Österreich. „Sie können aber auch gute Partner sein. Durch skalierbare Zusammenarbeitsmodelle mit InsurTechs etwa können Versicherer ihre Digitalisierung schneller und effizienter voranbringen, ihre Kundenbeziehungen vertiefen und im Wettbewerb mithalten.“

Coronapandemie beeinflusst Kundengewinnung

Corana trifft die Teilsektoren des Versicherungsmarktes auf unterschiedliche Weise: Lebens- und Krankenversicherungen erlebten einen Anstieg der Schadenfälle, während Reise- und Kfz-Versicherungen einen Rückgang verzeichneten. Alle Sparten aber bemerkten Veränderungen des Kundenverhaltens. Obwohl mittlerweile über 90 Prozent der etablierten Versicherer weltweit in der Lage sind, ihre Geschäftstätigkeit remote auszuüben, bemerkten sie Auswirkungen der Pandemie auf die Neukundengewinnung. Gegenüber 57 Prozent im April sagten im Juli 61 Prozent der Versicherer weltweit, dass sich Corona auf die Neukundengewinnung auswirkt.

Kundenzentrierte Technologieriesen bauen ihre Beliebtheit weiter aus

COVID-19 ist nicht die einzige Gefahr für die Kundengewinnung und -bindung. BigTechs wie Amazon oder Google legen die Messlatte für das Kundenerlebnis während der Pandemie höher, indem sie den Verbrauchern krisensichere Prozesse, Echtzeit-Reaktionen und eine intuitive Kundenbetreuung bieten. Die Bereitschaft der Versicherungsnehmer, Versicherungen von BigTechs zu kaufen, ist von 17 Prozent im Jahr 2016 über 36 Prozent im Januar 2020 auf 44 Prozent im April 2020 gestiegen.

Um mit BigTechs konkurrieren zu können, müssen Versicherer Prioritäten setzen und sich auf die entscheidenden Themen konzentrieren. Angesichts der aktuellen Geschäftsdynamik und Auswirkungen von COVID-19 halten 94 Prozent der Versicherer ein überragendes Kundenerlebnis für zentral, 90 Prozent international krisensichere Prozesse und 87 Prozent Echtzeit-Reaktionen. Ein fürsorglicher Partner zu sein ist in den Augen von international 86 Prozent der Versicherungshäuser sowie 75 Prozent hierzulande entscheidend. Bedarfs- und nutzungsbasierte Versicherungen (Insurance-as-a-utility) halten weltweit 70 Prozent für wichtig.

Über digitalisierte Prozesse verfügen international 29 Prozent der Versicherer. Bei Cloud-Nutzung und offenen APIs haben Versicherer teils großen Nachholbedarf: Nur 49 Prozent weltweit sind Cloud-native-Unternehmen; offene APIs haben bislang 35 Prozent implementiert. Lediglich 19 Prozent der befragten Versicherer gaben an, über durchgängig automatisierte Prozesse zu verfügen. International 29 Prozent beherrschen human-centered Design (HCD).

Mehr Wettbewerb bedeutet mehr Zusammenarbeit

„Versicherer müssen in allem, was sie tun, kundenorientierter werden“, rät John Berry, CEO von Efma. „Die Reife von InsurTechs und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um Versicherern neue Technologielösungen zu bieten, nehmen zu und helfen den Versicherern, die steigenden Erwartungen der Kunden zu erfüllen.“

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ist der effizienteste Weg zu Technologie, um auf dem Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Partnerschaften mit Spezialisten und Zugänge über gemeinsame Schnittstellen stellen sicher, dass sich alle Akteure der Versicherungsbranche auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Dann liefern sie bessere Ergebnisse und arbeiten kosteneffizient. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist unter den Akteuren im Versicherungsbereich gestiegen, wie der World InsurTech Report 2020 feststellt:

  • 67 Prozent der Versicherer wollen mit InsurTechs zusammenarbeiten.
  • 83 Prozent der InsurTechs sind an Partnerschaften mit Versicherern interessiert. 85 Prozent der InsurTechs wollen mit Technologieanbietern kooperieren.
  • Mehr als 60 Prozent sowohl der Versicherer als auch der InsurTechs sind an einer Zusammenarbeit mit BigTechs interessiert.

Unternehmen müssen eine neue Denkweise entwickeln, wenn sie vom Besitz eigener Fähigkeiten und Assets zu einer gemeinsamen Nutzung übergehen, um ihre Effizienz zu steigern und Partnerschaften mit Spezialisten zu vertiefen. Dieses neue Mindset wird den Firmen auch ermöglichen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und ihren Kunden durch Hyperpersonalisierung und kontinuierliche Ko-Innovation einen höheren Mehrwert zu bieten.


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