CRM in der Praxis 2021/2022: Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven

„Wie zufrieden sind CRM-Anwender mit ihren CRM-Lösungen?“ Diese Frage gewinnt an Brisanz vor dem Hintergrund der Situation, in der wir uns seit beinahe zwei Jahren befinden: Die COVID-19-Pandemie stellt den Vertrieb der Unternehmen vor nie da gewesene Herausforderungen. [...]

Statt sich von der "neuen Normalität" ausbremsen zu lassen, müssen Vertriebler clevere Wege finden, um Kunden an Bord und bei Laune zu halten. (c) Unsplash
Statt sich von der "neuen Normalität" ausbremsen zu lassen, müssen Vertriebler clevere Wege finden, um Kunden an Bord und bei Laune zu halten. (c) Unsplash

Kundenbesuche, Fachmessen und Kundenevents liegen bis auf Weiteres auf Eis. Und damit auch der Großteil persönlicher Interaktionsmöglichkeiten. Statt sich davon ausbremsen zu lassen, müssen Vertriebler in der „neuen Normalität“ clevere Wege finden, um Kunden an Bord und bei Laune zu halten. Sind moderne CRM-Systeme in der Lage, in dieser „neuen Normalität“ maximale Unterstützung zu leisten? Wo gibt es Probleme bzw. Schwachstellen? Was läuft gut bzw. schlecht?

Die Trovarit-Studie „CRM in der Praxis – Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven“ untersucht seit 2014 regelmäßig im Zweijahresrhythmus, wie es um die Zufriedenheit der Anwender im täglichen Umgang mit ihrer CRM-Lösung bestellt ist. Die Ergebnisse 2021/2022 liegen jetzt vor: 648 Teilnehmer nahmen an der 5. Runde der Studie teil und bescheinigten den Software-Anbietern insgesamt gute Arbeit: CRM-Systeme und Wartungspartner erhalten von ihren Anwendern im Durchschnitt eine gute 2 (1,92/1,9).

Insgesamt wurden 139 unterschiedliche CRM-Systeme bewertet. Eine stabile Aussage zur Anwenderzufriedenheit ist für acht dieser CRM-Systeme möglich:

Hohe Komplexität drückt die Zufriedenheit

Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Lösungen, die hauptsächlich in größeren Unternehmen eingesetzt werden, schlechter abschneiden. Dieses Phänomen konnte auch bei den Vorgängerstudien bereits beobachtet werden. Betrachtet man die Top-Platzierungen im Zufriedenheitsportfolio, so zeichnen sich die dort positionierten Lösungen meist durch mindestens eine der folgenden Eigenschaften aus:

  • Geringe Komplexität: Schlankere Implementierungen auf Basis funktional bzw. branchenbezogen klar fokussierter CRM-Lösungen verfügen über eine geringere Komplexität, so dass Einführung und Administration/Aktualisierung weniger aufwändig und die Bedienung weniger erklärungsbedürftig sind.
  • Enge Kundenbeziehung: Der Aufbau und die Pflege von (persönlichen) Beziehungen zu Kunden und deren individuelle Betreuung durch den Hersteller bzw. seine Implementierungspartner ist maßgeblich für die Kundenzufriedenheit.
  • Aktuelle Technologie/Release-Stände: Sind Installationen technologisch auf dem aktuellen (Release-)Stand, dann verfügen sie meist über eine bessere Oberflächenergonomie bzw. Benutzerführung sowie eine bessere Anpassbarkeit.

So sind gemäß der Studie die Installationen von Cobra CRM eher bei kleineren Unternehmen im Einsatz, was meist auf niedrige Anwenderzahlen und schlankere Implementierungsansätze schließen lässt.

Zu den Anbietern, die selbst oder unterstützt durch ihre Implementierungspartner eine sehr intensive und persönliche Beziehung zu ihren Kunden pflegen, zählt z. B. die CAS Software AG (CAS genesisWorld), was sich u. a. in der Gesamtzufriedenheit mit dem System widerspiegelt.

Varianz deckt „Gefahrenstellen“ auf

Die Systeme erhalten durchweg gute Noten für die angebotene „Funktionalität“ und die „Stabilität“. Dem Support bzw. der Hotline der Wartungspartner wird meist eine gute „Erreichbarkeit“ und „Kompetenz“ bescheinigt und auch die Betreuung durch den „Account Manager“ wird positiv bewertet.

Es gibt aber auch einige Aspekte, die durchweg kritisch oder sehr unterschiedlich bewertet werden und denen man im Rahmen der Auswahl, der Einführung bzw. dem späteren Betrieb der CRM-Lösung verstärkt Beachtung schenken muss. Dies sind vor allem:

  • Systembezogene Aspekte wie „Anpassbarkeit/Flexibilität“, „Dokumentation/Handbuch“, „Mobile Einsetzbarkeit“ und „Formulare und Auswertungen“
  • Support/Wartungs-Services wie das „Schulungs- & Informationsangebot“ und die „Beratung zum Einsatz der Lösung“
  • Klassische Projektgrößen wie „Zielerreichung“ und die „Dokumentation von Systemanpassungen“

Die systembezogenen Aspekte schneiden unter allen abgefragten Zufriedenheitsmerkmalen am schlechtesten ab. Bemängelt werden hier z. B. die „Anpassbarkeit/Flexibilität“ der Systeme sowie deren mobile Nutzung. Beides entspricht offenbar nicht der Erwartungshaltung der Anwender. Ähnliches gilt für den Aspekt „Formulare & Auswertungen“, der letztlich für die Frage steht, wie gut Informationen vom System aufbereitet, verdichtet und angeboten werden. Anwender sind hier besonders kritisch, weil sie den größten Nutzen einer CRM-Lösung aus der effektiven Informationsbereitstellung bei der täglichen Arbeit ziehen.

Wie schon in den Vorgängerstudien liefert auch der Themenkreis „Dokumentation“ im Umfeld von CRM-Systemen erneuten Anlass zur Kritik. Dabei wirken mehrere Mechanismen zusammen: Die Lösungen werden umfassender und ihre Bedienung damit anspruchsvoller. Gleichzeitig steigen Innovations-frequenz und -umfang seitens der Anbieter. Der Schulungs- und Informationsbedarf der Endanwender steigt dadurch insgesamt deutlich. Dabei erfordert die zielgruppengerechte, aktuelle Dokumentation einer umfassenden Software sehr viel Aufwand und Kosten, die die meisten Kunden nur ungerne zahlen. Diese Problematik verschärft sich mit dem Umfang der Software-Pakete sowie mit dem Grad der kundenspezifischen Individualisierung der Lösungen.

Inwiefern die einzelnen Zufriedenheitsaspekte in dieser Hinsicht kritisch oder auch weniger risikoreich sind, zeigt sich, wenn man die verschiedenen Zufriedenheitsaspekte hinsichtlich der Notenspanne, mit der sie bewertet wurden, untersucht. Auf Basis der Varianz der einzelnen Werte kann man aus diesem Portfolio die Stabilität der Benotung ablesen – und damit im Umkehrschluss auch die Beeinflussbarkeit der verschiedenen Zufriedenheitsparameter bzw. das damit verbundene Risiko. Bei Aspekten mit einer hohen Stabilität der Bewertung kann man als CRM-Anwender davon ausgehen, dass diese relativ fest vorgegeben sind. Ist die Bewertung gleichzeitig eher überdurchschnittlich, dann offenbaren sich die Aspekte, auf die man als Anwender bauen kann („Sichere Basis“). Aspekte mit einer niedrigen Stabilität sind für den Anwender bzw. den Anbieter im Projekt im hohen Maße beeinflussbar. Im positiven Fall trennt sich hier die Spreu vom Weizen, während die schwächer bewerteten Aspekte immer wieder für „Böse Überraschungen“ sorgen.

CRM-Einsatz bringt höhere Kundenzufriedenheit

Die Beschaffung und der Betrieb von CRM-Systemen verursachen erhebliche finanzielle Belastungen. Für IT-Entscheider ist es nicht immer einfach, den Gegenwert für diese Belastungen auszuweisen. Insbesondere ein umfassender ROI (Return on Investment) ist in den meisten Fällen nicht belastbar darstellbar. Um trotzdem einen Orientierungsrahmen bieten zu können, untersucht die Studie, welche qualitativen Nutzenaspekte die Anwender dem Einsatz der CRM-Lösung in ihren Unternehmen zusprechen.

Gefragt nach dem Nutzenbeitrag des CRM-Einsatzes im Sinne der Kundenorientierung, gaben ca. 72 Prozent der Teilnehmer an, dass die eingesetzte Lösung zu besserer Kundenzufriedenheit und Kundenbindung beiträgt. Immerhin ca. 40 Prozent der Teilnehmer sprachen dem System darüber hinaus zu, dass es die Neukundengewinnung erleichtert.

Die positive Wirkung des CRM-Einsatzes auf das Kundenverhältnis und die Neukundengewinnung fußt dabei deutlich auf der Unterstützung der operativen Kundenprozesse. Auf den Spitzenplätzen der am häufigsten mit einem CRM-System erzielten Nutzeneffekte liegen die durchgängige Rückverfolgbarkeit relevanter Daten (ca. 51 Prozent), die schnelle und einfache Informationsbereitstellung (ca. 44 Prozent) sowie die Reduktion der Dokumentationsaufwände (ca. 38 Prozent). Einen unmittelbaren Nutzenbeitrag zur Senkung der „IT-Kosten“ (ca. 24 Prozent) bzw. der „Prozesskosten“ (ca. 18 Prozent) bescheinigt hingegen ein deutlich geringerer Anteil der Anwender ihrer CRM-Lösung.

Diese Einschätzung steht sicherlich im Widerspruch zu dem mit ca. 29 Prozent vielfach wahrgenommenen Nutzen der „Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen“. Gleichzeitig bestätigt dieses Ergebnis aber die Problematik, dass sich der Nutzen einer CRM-Einführung aufgrund unscharfer Ursache-Wirkungsbeziehungen nur schlecht in Euro und Cent abbilden lässt.

Wenn man einen Blick auf die Branchen wirft, stellt man zudem fest, dass sich speziell im Handel mit seiner Komplexität die „durchgängige Unterstützung der Geschäftsprozesse“ überproportional stark (ca. 40 Prozent) als Nutzen widerspiegelt. Dies ist auch notwendig, denn heutzutage können sich die Händler nur noch bedingt über die Qualität ihrer angebotenen Produkte differenzieren. Für eine starke Kundenbindung ist daher zwingend ein zuverlässiger Service und effiziente Geschäftsprozesse erforderlich, um sich vom Wettbewerb abzuheben.

Relevante Trends im CRM-Kontext

Laufende strukturelle Änderungen (z. B. Digitalisierung, Internationalisierung), die zunehmende Bedrohung durch allgemeine Cyber-Kriminalität und die zwangsläufige Öffnung der Unternehmensnetzwerke durch verstärktes mobiles Arbeiten von unterwegs oder – spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie – aus dem Homeoffice, heben das Thema „Daten-/Informationssicherheit“ mit einigem Abstand auf Platz eins der relevanten Trends („sehr bzw. ziemlich relevant“ für 71 Prozent der Teilnehmer). Der Schutz kritischer Daten wird in allen Bereichen des Unternehmens zu einer immer größeren Herausforderung. Die Bedeutung speziell im CRM-Kontext lässt sich aus der Rolle der CRM-Software für sämtliche kunden-spezifischen Prozesse im Unternehmen ableiten: Sie führt die wichtigsten Stamm- und Bewegungsdaten und ist für den gesamten Lebenszyklus der Kunden verantwortlich.

Auf Platz zwei folgt das Thema „Rechtliche Vorgaben & Compliance“ (61 Prozent), was mit Sicherheit auf die seit 2016 gültige EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zurückzuführen ist, die die Unternehmen im gesetzeskonformen Umgang mit personenbezogenen Daten, speziell im Marketing und Vertrieb, vor Herausforderungen stellt.

Die große Bedeutung von „Usability/Software-Ergonomie“ spiegelt den Wunsch der Unternehmen wider, dass die Oberflächen und Prozesse so gestaltet sind, dass man als Anwender damit gerne und mit wenig Schulungsaufwand (intuitiv) arbeiten kann. Dabei ist gerade zu Beginn einer CRM-Softwarenutzung eine intuitive Benutzeroberfläche von wesentlicher Bedeutung für die User Experience und Akzeptanz des Systems.

Es folgt ein Block von acht Trends, die bezüglich ihrer Relevanz sehr ähnlich bewertet werden. Darunter findet sich beispielsweise das „Schnittstellen-/Integrationsmanagement“ („sehr bzw. ziemlich relevant“ für 56 Prozent der Teilnehmer) im Kontext von CRM-Software. Das Thema gewinnt für die Unternehmen zunehmend an Bedeutung, um die bereichsübergreifende Steuerung sämtlicher (Kunden-)Prozesse innerhalb des Unternehmens gewährleisten und entsprechend abbilden zu können.

Die hohe Bedeutung der Trends „Analytical CRM“ und „Customer Experience Management“ ist Ausdruck einer insbesondere im B2C-Bereich immer stärker ausgeprägten Kundenorientierung. Das Customer Experience Management (CEM) stellt eine Strategie dar, die positive Kundenerfahrungen fördern und messen möchte. Es umfasst alle Prozesse während des gesamten Customer Life Cycle, die ein Unternehmen einsetzt, um Interaktionen mit Kunden zu überwachen, zu begleiten und zu organisieren. Zu diesem Zweck sammeln Unternehmen große Datenmengen über die Kontakte und die Eigenschaften des Kunden sowie sein Verhalten in der On- und Offline-Welt. Mit der Hilfe von analytischem CRM werden diese Kundendaten systematisch ausgewertet und anschließend als Entscheidungsgrundlage, z. B. als Scoring Modell, für das operative CRM bereitgestellt.

*Dr. Karsten Sontow ist Vorstand bei der Trovarit AG.


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