Crowdsourcing als Antwort auf Österreichs IT-Fachkräftemangel

Arbeitgeber in Österreich schlagen Alarm: Der Gesamtwirtschaft fehlen laut Schätzungen des Fachverbands für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT, IKT-Statusreport #3) über 10.000 qualifizierte IT-Fachkräfte, Tendenz steigend. [...]

Europaweit rechnet die EU-Kommission bis 2020 sogar mit einer Lücke von rund einer Million IT-Arbeitskräften.

Hinzu kommt: Die Vielfalt der Kompetenzen, die heute gerade in hochkomplexen Modernisierungsprojekten benötigt werden, lassen sich kaum noch in internen IT- Abteilungen abdecken. Ein Lösungsansatz, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und damit die Digitalisierung und das wirtschaftliche Wachstum weiter voranzutreiben, ist Crowdsourcing. Dabei werden Projektaufträge von Unternehmen an eine Gruppe von Experten ausgelagert, die auf einer entsprechenden Plattform zusammenkommt.

Digitalisierung mit der Crowdsourcing-Community

Ein Beispiel für eine solche Plattform ist Topcoder. Mit 1,4 Millionen Experten ist Topcoder das weltweit größte Netzwerk für App-Designer, Entwickler, Tester, Data Scientists sowie Experten für künstliche Intelligenz (KI). Hier kommen Fachleute und Freiberufler zusammen, um gemeinsam komplexe Probleme zu lösen. Die Plattform verkauft Community-Services an Unternehmen und bezahlt Community-Mitglieder für ihre Arbeit an den Projekten. Unternehmen stellen ihre IT-Probleme auf der Plattform ein und Entwickler, die überall auf der Welt sitzen, können Lösungsvorschläge einschicken und damit Geld verdienen. Anschließend sucht der Kunde sich die für ihn am besten passende Lösung aus und muss auch nur diese bezahlen. Der Entwickler löst in der Regel nur Teilaufgaben und erfährt nicht, auf welches Projekt sich seine konkrete Aufgabe bezieht.

 

Für Unternehmen hat dieser Ansatz den Vorteil, dass sie so die derzeit überaus gefragten Datenwissenschaftler und Entwickler gezielt finden und quasi „On-Demand” für ihre Projekte rekrutieren können. App-Designer, Entwickler und Datenwissenschaftler aus der ganzen Welt konkurrieren auf der Plattform mit kreativen Codes, Algorithmen und Lösungen um die besten Aufträge – und sind bereit, sofort mit der Umsetzung zu beginnen. Für die Unternehmen lohnt sich das auch finanziell, da die Kosten um bis zu 35% niedriger sind als bei herkömmlicher Software-Entwicklung.

Internationale Unternehmen als Vorreiter

In den vergangen Jahren griffen Unternehmen für ihre IT-Projekte vor allem auf traditionelle Modelle wie den Einsatz von externen Software-Entwicklern zurück. Diese Modelle stehen aufgrund des Kostendrucks und des Fachkräftemangels zunehmend vor Herausforderungen. Führende Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen wie High Tech, Finanz- und Gesundheitswesen setzen auf daher verstärkt auf Crowdsourcing, um ihre Digitalisierungs-Projekte voranzutreiben und gefragte Experten zu finden. Die Erfolge von Topcoder können sich sehen lassen: In den vergangen Jahren konnten Lösungen für die Data-Science-Probleme in den Bereichen Advanced Robotics, Bio-Landwirtschaft, DNA-Sequenzierung, Umweltschutz, Pharma-Testing, Präzisionsmedizin und vielen anderen Gebieten gefunden werden.

So hat sich beispielsweise Apple mit Topcoder zusammengetan und eine eigene iOS-Experten-Community ins Leben gerufen, die mittlerweile mehr als 40.000 Designer und Entwickler umfasst. Im Healthcare-Sektor konnte die Harvard Medical School mit Hilfe der Topcoder-Community ein hochkomplexes Problem im Bereich der DNA-Sequenzierung lösen. Konkret ging es um die Berechnung des Abstands zwischen DNA-Strings. Dank eines intelligenten Algorithmus wurde die dafür benötigte Berechnungszeit von 260,4 Minuten auf 16 Sekunden verkürzt. Auch die NASA hat bereits einige Projekte mit der Topcoder-Community realisiert, darunter eine App, in der die Astronauten der internationalen Raumstation ISS ihre Ernährung erfassen – ein wesentlicher Parameter für die Gesundheit. Das globale IT-Dienstleistungsunternehmen Wipro, zu dem cellent seit 2016 gehört, nutzt die Topcoder-Plattform ebenfalls und ermutigt seine Mitarbeiter, sich Wipros privater Community anzuschließen. Dadurch kann das im Unternehmen vorhandene Know-how international noch besser genutzt werden.

Österreichs wirtschaftliche Zukunft vorantreiben

Vor allem bei kleineren und mittelständischen Firmen muss sich dieses Konzept jedoch erst noch etablieren – dabei könnten gerade KMU in Österreich enorm von Crowdsourcing-Plattformen profitieren, da sie nicht mehr mit den internationalen Größen ihrer Branche einen nahezu aussichtslosen Kampf um die seltenen Fachkräfte ausfechten müssen. Bisher drohten Projekte zur Digitalen Transformation häufig am Mangel an qualifizierten Mitarbeitern für die Umsetzung zu scheitern – das muss in Zukunft nicht mehr der Fall sein. Was die Cloud für die IT ist, kann Crowdsourcing für den Arbeitsmarkt werden.


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Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Roswitha Bachbauer (CANCOM Austria), Thomas Boll (Boll Engineering AG), Manfred Weiss (ITWelt.at) und Udo Schneider (Trend Micro). (c) timeline/Rudi Handl
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