Digitale Ökosysteme wie Amazon, Google und Facebook haben die Kundenschnittstelle besetzt und Marken verdrängt – mit Konsequenzen: Marken verlieren ihre Kundenbindung und dazu ihre Kundendaten. Den Ausweg suchen Entscheider mit einer verbesserten Customer Experience. [...]
Was dieser digitale Wettbewerb für Marken bedeutet, zeigt ein Blick auf die Customer Journey und die Rolle von Amazon. Hier dominiert das Unternehmen bereits mit rund 50 Prozent Marktanteil die Phasen direkt vor dem Point of Sale (POS): die Informations– und Produktsuche sowie die Kaufentscheidung. Denn Kunden suchen hier nach Lösungen und weniger nach Marken. Amazon erfüllt dieses Bedürfnis mit einem breiten Sortiment und perfekten Services. So wandert die Kundenbeziehung zum Online-Giganten und Amazon wird zum „Walled Garden“, der Kunden an sich bindet und als geschlossene Plattform alles reguliert: Medien, Inhalte und Daten.
Das Unternehmen bestimmt, wie Entscheider einen User online erreichen und welche Kundendaten sie nutzen dürfen. Für Marken bedeutet das eine wachsende Abhängigkeit und teure Ausgaben beim Brand Marketing. Sie müssen ihre Sichtbarkeit bei Amazon einkaufen und füttern über Sponsored Products Geldbeutel und Datenmodelle des Online-Giganten. Mit Erfolg: Laut Merkle’s Q1 2019 Digital Marketing Report stiegen bei Amazon die Werbeausgaben für Sponsored Products im Jahresvergleich nur um 19 Prozent, dafür aber die Ausgaben für Sponsored Brands allein um 77 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Was aber entscheidender ist: Marken geben ihre Kundendaten ab und verlieren wichtige Informationen zu Vorlieben, Interessen und Produkt-Feedback der Konsumenten. CRM und Kundenerlebnisse werden also für Marken immer wichtiger, wenn sie ihre eigene Position gegenüber den großen Digitalplattformen stärken wollen.
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Das belegt auch die Unternehmensberatung Trovarit in ihrer CRM-Studie 2019. So wollen in diesem Jahr 58 Prozent der befragten Unternehmen in ihre CRM–Infrastruktur investieren und diese ausbauen. Demnach haben die Entscheider erkannt: Ausschlaggebend für den Erfolg einer Marke ist die Fähigkeit, bestehende und potenzielle Kunden zu verstehen und dafür die richtigen User-Daten zu erfassen. Damit Marken ihre Kunden idealerweise nicht nur vor der Kaufentscheidung, sondern entlang der gesamten Customer Journey kennen, empfiehlt es sich Customer Experience und CRM zu verbinden. So wollen derzeit laut den Experten von Trovarit auch viele Unternehmen ihr CRM im Bereich Schnittstellen und Integration ausbauen. Insbesondere interaktive Customer Experience-Lösungen, die eine Engagement-Plattform in die Markenseite integrieren, bieten für eine CRM–Integration große Vorteile: Entscheider verbessern damit nicht nur das digitale Erlebnis für ihre Kunden, sondern bekommen einen wertvollen Datenfundus, mit dem sie ihre bestehenden CRM-Datensätze anreichern können.
Die Customer Experience wird interaktiv
Denn damit Marken beim Kunden sichtbar und erlebbar werden, stehen bei Entscheidern Customer-Experience-Projekte hoch im Kurs. Also Strategien für eine emotionale Bindung zwischen Konsument und Marke. So geben im Customer Experience Report 2019 69 Prozent der Befragten an, bis 2022 die Investments für Customer Experience auf ihrem eigenen Online-Auftritt zu erhöhen. Die beste Basis zum Aufbau dieser „digitalen Erlebniswelten“ ist der eigene Markenauftritt. Denn hier bestimmen Marken die Nutzerströme und sammeln alle Daten für die Kundenzentrierung.
Gleichzeitig wächst laut Report der Anteil interaktiver Erlebnisformate bis 2022 um 47 Prozent, wogegen redaktionelle Push-Inhalte um 15 Prozent sinken werden. Denn Entscheider wollen Kundenerlebnisse durch interaktive Content-Formate wie Erlebnisberichte oder How-Tos von Kunden generieren, weil dieser User Generated Content das Bedürfnis der User nach authentischen Erfahrungen bedient.
Durch Anbieter wie SAP oder Adobe, die ihre Software-Tools zu einer Customer-Experience-Lösung bündeln, sind herkömmliche CX-Ansätze allerdings reaktiv. Sie konzentrieren sich auf das Sammeln und Analysieren von Daten an den Kontaktpunkten der Nutzer wie dem POS oder dem Newsletter. Ebenso verbreitet sind proaktive Strategien, bei denen Inhalte über das Push-Marketing an den User ausgespielt werden – oft mit großen Streuverlusten und wenig Interaktion.
Daher findet derzeit ein Umdenken statt: Durch den Einsatz interaktiver Formate tauschen sich Marken mit Kunden aus und beteiligen diese am Brand Building. Michael Nenninger, Customer-Experience-Experte und CEO von Voycer, erklärt das so: „Entscheider erkennen das veränderte Konsumentenverhalten. Sie wissen, dass Markenerlebnisse Interaktion brauchen und wollen diese auf die eigene Seite holen. Damit ändert sich auch die Content-Strategie hin zum interaktiven Marketing und die Customer Experience wird zur Interactive Customer Experience (ICX).“
Bindeglied zwischen Business Intelligence und externen Kundenplattformen
Die Software-Tools dafür sind heute schon da. Eine ICX-Software funktioniert über ein Anreizsystem, das den Besucher motiviert, auf der Markenseite aktiv zu werden und sie wiederkehrend zu besuchen. Für den Erlebniswert sorgen Content- und Kampagnen-Formate wie Produkttests oder Blog-Module für Q&As, über die Kunden in Interaktion treten. Das macht andere Konsumenten neugierig und Entscheider bekommen über diesen User Generated Content wichtige Insights.
Damit diese Kundendaten nicht als Silo fungieren, unterstützt eine ICX-Software die Business Intelligence (BI) mit Schnittstellen zu CRM, Shop, CMS oder Marketing Automation. Sie reichert die bestehenden Kundenprofile mit Profildaten an und macht sie wertvoller – beispielsweise durch Produkttests, die mit durchschnittlich 7.000 Zeichen und eigenem Bildmaterial des Users ausführlicher und authentischer sind als Bewertungen auf Amazon mit 500 Zeichen.
Was bedeutet das für die Customer Journey?
Die Marke wird für den Konsumenten weit vor dem POS relevant und sichtbar. Weil eine Interactive Customer Experience Kunden auf der Markenseite eine vertikale Erlebniswelt bietet, in der sie tiefer in ihr Lieblingsthema einsteigen. Nämlich dann, wenn sich die User während der Phasen von Inspiration und Informationsaustausch zu Themen im Kontext der Marke informieren.
Ein aktuelles Markenbeispiel dafür ist innogy. Die Marke erzielt mit ihrer ICX-Plattform bereits mehr als 50 Prozent organischen Traffic und hat 33 Prozent wiederkehrende Besucher in der Community. Ein Großteil der Kunden landet also auf der eigenen Website statt bei Amazon und kauft auch dort. So macht die Marke 9-mal mehr Umsatz durch Shop-Besucher, die vorher die Community besucht haben.
Voycer-Chef Nenninger fasst zusammen: „Entscheider müssen radikal umdenken, wenn sie im digitalen Wettbewerb um die Kundenschnittstelle bestehen wollen: Hin zu mehr Kundenzentrierung und zu Erlebniswelten auf der eigenen Website. Dann ist auch der Wettbewerb um den Kunden noch nicht verloren.“
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