Cybergefahren im Jahr 2023 – größer denn je!

Was kommt im kommenden Jahr in Sachen IT-Sicherheit auf die Unternehmen zu? [...]

Foto: PeteLinforth/Pixabay

„Rien ne va plus“ hieß es vergangenen Mai bei Fendt. Nach einem Hacker-Angriff standen die Produk­tionsbänder des Traktorenherstellers ganze zehn Tage still: Ein Ransomware-Attacke auf das US-amerikanische Unternehmen Agco hatte auch Auswirkungen auf die Tochterfirma Fendt im bayerischen Marktoberdorf.

Ähnlich erging es im Juni Apetito: Eine Hacker-Attacke kappte für die Angestellten den Zugriff auf die Unternehmens-IT. Der Essenslieferant für Seniorenheime, Schulen und Kitas und Hersteller von Tiefkühlmahlzeiten wurde mehr oder weniger lahmgelegt – es mussten eilig Ersatzmenüs bereitgestellt werden, um die Versorgung der Einrichtungen aufrechtzuerhalten.

„Die Gefährdungslage im Cyberraum ist so hoch wie nie“ – so der erschreckende Befund des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im aktuellen Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland.

„Die He­rausforderungen im Cyberraum bleiben hoch und werden weiter rasant zunehmen“, resümiert BSI-Vizepräsident Gerhard Schabhüser. Um mit dieser Entwicklung nicht nur Schritt zu halten, sondern den Schutz vor Cyberangriffen in Deutschland und damit auch seine Zukunftsfähigkeit zu stärken, müsse Informationssicherheit in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft höchste Priorität haben.

Insgesamt spitze sich die bereits seit Jahren angespannte Lage weiter zu. Ransomware-Angriffe, also das Verschlüsseln von Daten, um Lösegeld zu erpressen, sind  laut Bundesamt weiter die Hauptbedrohung.

Hinzu kamen 2022 verschiedene Bedrohungen im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, zum Beispiel durch sogenannten Hacktivismus, etwa mittels DDoS-Angriffen (Distributed Denial of Service). Hacktivismus ist ein Kofferwort aus Hack und Aktivismus und bezeichnet die Nutzung von Cyberattacken als Mittel des Protests.

Es kann jeden treffen …

Warum es ausgerechnet einen Traktorenhersteller und ein Essensunternehmen traf? Unklar. Aber so viel ist sicher: Florierende Unternehmen – Apetito macht Milliarden-Umsätze – sind für Cyberkriminelle überaus lukrative Ziele.

„In unserem ,State of Ransomware Report 2022‘ haben wir festgestellt, dass 67 Prozent der in Deutschland befragten Unternehmen im Jahr 2021 von einem Ransomware-Angriff betroffen waren“, kommentiert Michael Veit, Security Specialist bei Sophos, die aktuelle Situation.

Und von den angegriffenen Unternehmen wiederum hätten 65 Prozent verschlüsselte Daten gehabt – „also wurden über 43 Prozent der befragten Unternehmen Opfer eines erfolgreichen Ransomware-Angriffs.“

Zu den Faktoren, die erfolgreiche Cyberangriffe begünstigen, zählen laut Richard Werner historisch gewachsene und meist unübersichtliche IT-Umgebungen, mittelständische Unternehmensstrukturen mit Schwierigkeiten, IT-Security-Fachpersonal einzustellen, sowie Dienstleister, auf die bei Lieferschwierigkeiten enormer Druck ausgeübt werden kann.

„Gerade in Deutschland findet sich eine große Anzahl an Unternehmen, auf die diese Beschreibung zutrifft“, so der Business Consultant bei Trend Micro.

Udo Schneider, IoT Security Evangelist bei Trend Micro, weist auf den Aspekt hin, dass deutsche Unternehmen beim Thema Industrial Security hinsichtlich der Einführung technischer Lösungen sehr viel zurückhaltender seien als etwa amerikanische.

„Deutsche Unternehmen sind deutlich methodischer bei der Einführung. Dies hat vielleicht den Nachteil einer langsameren Einführung – diese ist dafür oft umso durchdachter und langlebiger.“

Deutschland steht, so die von com! professional befragten Experten des auf Microsoft spezialisierten Sicherheitsanbieters Hornetsecurity, bei der IT-Sicherheit im internationalen Vergleich relativ gut da.

Die Unternehmen seien sensibilisiert und investierten immer mehr in die Sicherheit ihrer Systeme. „Ein Grund dafür ist, dass Angriffe auf deutsche Unternehmen oft in den Medien thematisiert werden und so die Sensibilität für das Thema erhöht wird.“

„67 Prozent der Unternehmen in Deutschland waren 2021 von einem Ransomware-Angriff betroffen. Und von den angegriffenen Unternehmen hatten danach wiederum 65 Prozent verschlüsselte Daten – also wurden über 43 Prozent der befragten Unternehmen Opfer eines erfolgreichen Ransomware-Angriffs.“

Michael Veit – Security Specialist bei Sophos

Etwas anders sieht das Michael Scheffler, Country Manager DACH bei Varonis Systems. Ihm zufolge ist das IT-Sicherheitsniveau und vor allem die Awareness in Deutschland deutlich niedriger als etwa in den USA und Großbritannien.

„Hierzulande ist zwar der Datenschutz als wichtiges ideelles Gut hoch angesiedelt, wird in der praktischen Umsetzung jedoch eher als Checkbox begriffen, die es abzuhaken gilt. Vor allem wird hier leider auch häufig der immanente Zusammenhang zwischen Datenschutz und Datensicherheit nicht erkannt“, so seine Erklärung.

In Branchen, die wie der Finanzsektor oder die Energiewirtschaft einer sehr strikten Regulierung unterliegen, sei das Sicherheitsniveau hoch, sagt Sebastian Ganschow, Director Cybersecurity Solutions beim IT-Dienstleister NTT.

Im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung gebe es hingegen noch einigen Nachholbedarf – „nicht unbedingt, weil es am Bewusstsein für IT-Sicherheit mangelt, denn das ist mittlerweile wahrscheinlich überall vorhanden. Vielmehr fehlen den Unternehmen, Einrichtungen und Behörden oft die benötigten Budgets oder Fachkräfte und bisweilen hindern sie auch verkrustete Strukturen und langwierige Prozesse an der Verbesserung der IT-Sicherheit.“

Ihre Herausforderungen seien definitiv vielfältig und erforderten große Anstrengungen, zumal es sich um Bereiche handele, in denen die Arbeit mit sensiblen Daten an der Tagesordnung sei.

(Quelle: Bitkom)

Grundsätzlich lasse sich feststellen, dass im Hinblick auf Cyberbedrohungen „kein Sektor oder keine Branche immun“ ist, so Roger Scheer, Regional Vice President für Central Europe beim Cybersicherheits-Unternehmen Tenable.

„Angreifer werden nach einfachen Gelegenheiten suchen und sich auf bewährte Angriffsmethoden konzentrieren, von denen sie wissen, dass sie funktionieren. Bei einer Stärkung der Verteidigung eines Unternehmens werden sie wahrscheinlich zu einem anderen Ziel übergehen.“

Ob kleine Firma oder Großunternehmen und unabhängig von der Branche – die Herausforderungen sind meist gleich. Einem kleinen Unternehmen fällt es allerdings in der Regel schwerer, diesen zu begegnen, als einem Großunternehmen wie einer Bank.

„Unter gleichen Herausforderungen bestehen verschiedene Unternehmenskulturen und ein Unterschied zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation“, weiß Christian Borst, Chief Technical Officer EMEA beim Cybersicherheits-Unternehmen Vectra AI. Letztere sei bei vielen Unternehmen wohl sehr ähnlich ausgeprägt, während erstere unterschiedliche Reifegrade aufweise.

Der Klassiker: Ransomware

Ransomware ist mit Sicherheit momentan die Nummer eins bei Cyberangriffen – die Gefahr wird aber von vielen Unternehmen noch immer nicht in ihrer gesamten Tragweite begriffen. Viele Unternehmen sehen nur die Verschlüsselung der Daten und die daraus resultierenden Probleme beziehungsweise Störungen.

Doch Varonis-Manager Michael Scheffler weist darauf hin, dass sich Angreifer mitunter lange und ungestört in den Systemem ihrer Opfer bewegen und natürlich auch Daten entwenden können.

„Während man kompromittierte Systeme recht schnell wiederaufbauen kann, lassen sich Daten eben leider nicht ,unkompromittieren‘. Im schlimmsten Fall landen sie im Dark Web oder beim Wettbewerb.“ Entsprechend sieht er im Datendiebstahl auch die größte Herausforderung für Unternehmen. Dabei spiele es zunächst keine große Rolle, ob Daten im Rahmen einer Ransomware-Attacke entwendet werden, durch Cyberspionage gezielt abfließen oder von Mitarbeitern exfiltriert
werden.


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