Dark Data heißt das Zauberwort für CIOs, die Geschäftsprozesse und Innovationskraft auf ein neues Level heben wollen. [...]
Dass unternehmens-eigene Datenbestände einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellen können, ist nicht neu. Startups sind sich dessen genauso bewusst wie Traditionsunternehmen. Neu ist allerdings, dass Unternehmen zunächst mal in großen Mengen Daten zweckfrei sammeln, um gegebenenfalls später etwas damit anzufangen.
Durch solche Initiativen, aber auch durch den Open-Data-Trend und die zunehmende Vielfalt an oft preiswerten Tools, um Daten zu manipulieren, verändern sich die Spielregeln im Wettbewerb. Von Unternehmen verlangt das, kreative Wege der Datennutzung aufzutun – sowohl was die Quellen als auch die Verwertung betrifft. Dabei spielt Dark Data eine ganz wesentliche Rolle dabei, sich Vorteile gegenüber langsameren Wettbewerbern zu sichern.
Den Daten-Tsunami im Blick
Eine aktuelle Studie von IDC im Auftrag von Seagate kommt zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche, im Enterprise-Bereich entstehende Datenmenge in den nächsten zwei Jahren um stolze 42 Prozent anwachsen wird. Allerdings sollen nur 32 Prozent dieser Daten auch effizient genutzt werden – zwei Drittel wird der Untersuchung zufolge unangetastet in Silos versauern.
Solche ungenutzten Daten definieren die Marktforscher von Gartner als Dark Data: Informationen, die als Beiprodukt normaler Geschäftsprozesse anfallen, die aber von Unternehmen nicht für weitere – potenziell gewinnbringende – Zwecke verwendet werden. Ein großer Teil dieser Informationen wird regelmäßig auch aus Compliance-Gründen vorgehalten und muss entsprechend geschützt werden, was hohe Kosten verursacht.
IoT-Initiativen im Enterprise sind einer der Faktoren, die für ein starkes Wachstum von Dark Data sorgen. IDC prophezeit, dass das Internet of Things bis zum Jahr 2025 aus zirka 55,7 Milliarden vernetzten Devices besteht. Davon sollen 75 Prozent mit einer entsprechenden IoT-Plattform verbunden sein und für ein jährliches Datenaufkommen von ungefähr 73,1 Zettabyte (ZB) sorgen (heute 18,3 ZB). Zwar werden IoT-Daten im Regelfall für bestimmte Applikationen gesammelt, sie lassen sich jedoch auch für andere Zwecke nutzen.
Mehr Effizienz mit Dark Data
Die Herausforderung besteht also längst nicht mehr darin, genügend Daten für die Verarbeitung aufzutreiben, sondern eher darin, Wege zu finden, die vorhandenen effektiv zu filtern und zu nutzen. Das kann durch die Verbesserung existierender Produkte und Services geschehen oder durch das Optimieren von Geschäftsprozessen.
Der Airline-Caterer Gate Gourmet konnte beispielsweise durch die Analyse seiner Mitarbeiterdaten ermitteln, dass die Entfernung des Wohnorts der Beschäftigten zu den Flughäfen ein wesentlicher Faktor für die hohe Mitarbeiterfluktuation war – eine wertvolle Information für die Recruiter. Ein anderes Beispiel für die Nutzung von Dark Data: Eine europäische Hotelkette hat die WLAN-Nutzungsdaten ihrer Gäste analysiert, um ihren Kundenservice zu verbessern. Diese Daten waren über etliche Jahre gesammelt, aber für eine weitere Nutzung zunächst nicht in Betracht gezogen worden. Durch die nachträgliche Korrelation bestimmter Variablen wie die Anzahl der in jedem Hotel verbundenen Devices und der Nutzungszeit in den einzelnen Arealen konnten sowohl die Wartezeiten bei Check-In und Check-Out maßgeblich verkürzt, als auch die Einsatzzeiten der Mitarbeiter optimiert werden.
Dark Data in Bewegung
Silos zu öffnen kann in vielen Fällen Dark Data Assets zu Tage fördern. Um diese bestmöglich zu nutzen, ist es im Regelfall nötig, sie mit weiteren externen Daten anzureichern. Das geschieht etwa durch Tauschgeschäfte mit Daten. Der durch Data Exchanges erwartete Mehrwert für Unternehmen – allein in Sachen IoT – soll sich nach Zahlen von Accenture bis 2030 auf 3,6 Billionen Dollar belaufen.
Konkret könnten das beispielsweise Sensordaten von Ölbohrinseln sein, die von Meteorologen angekauft werden, um damit bessere Modelle für Wettervorhersagen zu schaffen. Auch die Daten der Klimageräte in großen Gebäudekomplexen könnten im Immobilienbereich wertvolle Informationen für Bauweisen und Klimatisierung bringen. Und HD-Überwachungsvideos aus Fußgängerzonen könnten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Designern dabei helfen, aufkommende Modetrends frühzeitig zu identifizieren, bevor sie zum Mainstream werden.
Datengeschäfte können auch zu einer ungeahnten Liquiditätsquelle werden, wenn bestimmte erhobene Daten erst viel später für innovative neue Produkte und Services genutzt werden. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür wäre Googles Adwords-Service. Vor dessen Gründung im Jahr 2000 war noch niemand auf die Idee gekommen, die Suchmaschinen-relevanten Begriffe dazu zu nutzen, den Usern kontextspezifische Werbung auszuspielen. Aus dieser Idee entstand schließlich ein heute rund 135 Milliarden Dollar schweres Geschäft, dass das Business mit Online-Anzeigen für immer veränderte.
Erste Dark-Data-Schritte
Wer von Dark Data profitieren möchte, sollte allerdings erst seine Hausaufgaben machen und eine Datenkultur im eigenen Unternehmen etablieren. Laut dem Harvard Business Review ist hier das Topmanagement gefragt: Es sollte entsprechende Schritte anstoßen und den bewussten Umgang mit Daten vorleben. Der wichtigste Schritt: Geschäftsentscheidungen sollten ausschließlich auf der Grundlage von Daten getroffen werden.
Unternehmen, die ein Data-Science-Team haben, sollten dieses idealerweise abteilungsübergreifend integrieren, statt die Spezialisten im Keller zu verstecken. So sorgen Sie dafür, dass die Grundprinzipien des Datenmanagements auch in den Fachbereichen Einzug halten und die Datenwissenschaftler einen besseren Blick dafür bekommen, an welchen Stellen sich noch Datensilos verbergen könnten.
Vor allem aber müssen Unternehmen, die Dark Data erfolgreich nutzen wollen, ein offenes und kreatives Mindset an den Tag legen und dazu bereit sein, über den Tellerrand ihrer bewährten Geschäftsmodelle und -prozesse hinauszublicken.
*Martin De Saulles ist Schriftsteller und Autor und beschäftigt sich in erster Linie mit datengetriebenen Innovationen sowie dem Internet of Things. Er schreibt unter anderem für unsere US-Schwesterpublikation CIO.com.
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