Das E in ESG – Chance oder Risiko für Finanzdienstleistungen?

In den letzten zehn Jahren sind über alle Unternehmensbereiche hinweg zunehmend Richtlinien zur nachhaltigen, sozialen und ethischen Unternehmensführung in den Mittelpunkt gerückt, bekannt unter dem Sammelbegriff ESG (Environmental, Social, Governance). [...]

Thomas Schröder, Vice President für Zentral- und Westeuropa bei Teradata (Quelle: Teradata)

Auch Finanzdienstleistungen werden von dieser Entwicklung signifikant beeinflusst. Denn sie spielen eine tragende Rolle bei der Entscheidung, welche Investitionen getätigt werden. Dies wiederum bedeutet, dass sie bei der Prüfung von Umweltinitiativen und der entsprechend an diese gestellten Erwartungshaltungen besonders sorgfältig und kritisch sein müssen. 

Einerseits müssen sie selbst ESG-Kriterien gerecht werden. Gleichzeitig wird von ihnen erwartet, dass sie ihre einflussreiche Position nutzen, um sicherzustellen, dass auch andere Unternehmen dies tun. Nirgends wird dies deutlicher als bei einem Blick auf Förderinitiativen für eine nachhaltigere Wirtschaft.

Sogenannte Grüne Finanzierungen, sowohl privater Art als auch in Form von staatlichen Fonds, wie der der EU Recovery and Resilience Facility (RRF), regen Organisationen und Unternehmen dazu an, ökologisch nachhaltiger zu agieren. Die Banken stehen dabei an vorderster Front, um diesen Wandel zu begleiten und durchzusetzen. 

Finanzdienstleister als wichtige Akteure bei der Umsetzung von Klimapolitik

Diese marktabhängigen Einflüsse werden zunehmend von neuen Regelungen unterstützt oder durch sie sogar beschleunigt. In Europa beispielsweise ist eine ganze Reihe neuer Vorschriften in Kraft getreten oder angekündigt, die klare Anforderungen und Umweltstandards enthalten. Von den Leitlinien und technischen Standards der Europäischen Bankenvereinigung (EBA) bis hin zum Klimarisiko-Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangen immer mehr Regelungen eine detaillierte, kontinuierliche und umfassende Aufschlüsselung und Bewertung des Klimarisikos in Geschäftsmodellen und Kreditbüchern.

Die Europäische Kommission hat Anforderungen zur Offenlegung von Umweltrisiken in eine Reihe von Richtlinien aufgenommen, darunter den Gesetzesentwurf über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen (SFDR) sowie weitreichende EU-Taxonomie. 

Dies zeigt nicht nur, dass Finanzdienstleistungen stärker unter die Lupe genommen werden, sondern unterstreicht auch, dass Regierungen auf der ganzen Welt Banken als Vorreiter bei der Umsetzung der Klimapolitik sehen und ihnen eine dementsprechend entscheidende Rolle für deren Umsetzung zuteilen. 

Risiko oder Chance?

Die Frage ist, ob Banken in dieser Situation ein zusätzliches Risiko oder eine neue Chance sehen. Jüngste Untersuchungen der Strategie- und Unternehmensberatung Bain zeigen eine gleichmäßige Verteilung zwischen Banken, die eine offensive Haltung einnehmen, und denjenigen, die hinsichtlich einer Umweltprüfung defensiv sind.

Bei den europäischen Banken sehen 60 Prozent in dem verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit in erster Linie eine Chance. Die Bain-Studie ergab außerdem, dass mehr als vier von fünf Banken bereits grüne Anleihen (86 Prozent) und Nachhaltigkeitsanleihen (84 Prozent) anbieten, dabei jedoch noch erheblicher Wachstumsspielraum hinsichtlich „grüner Produkte“ besteht. Man kann beispielsweise davon ausgehen, dass Kredite für umweltfreundliche gewerbliche Gebäude und Autokredite zunehmen werden: 73 bzw. 65 Prozent der Banken planen, entsprechende Produkte in den nächsten drei Jahren anzubieten. 

Die Chance liegt jedoch nicht nur in der Ökologisierung bestehender Produkte. Banken können und sollten zudem ihre Datenkapazitäten und ihr Risikoverständnis nutzen, um anderen Unternehmen bei der Erhebung und Analyse von Daten über die Nachhaltigkeit ihres Betriebs zu helfen.

Das bedeutet nicht, dass sie als ausgelagerte „Datenbüros“ auftreten, sondern dass sie ihren Kunden Rahmenbedingungen, Leitlinien für Best Practices und Benchmark-Daten zur Verfügung stellen sollten. Die Möglichkeiten, auf diese Weise Kundenbeziehungen deutlich zu verbessern, die Kundenloyalität zu erhöhen und neue – und für beide Seiten vorteilhafte – Wege der Zusammenarbeit zu finden, sind erheblich. 

Datensätze richtig nutzen

Daten sind das Herzstück des ESG-Managements. Mithilfe von Daten lässt sich schnell, genau und effizient auf die immer detaillierteren Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung reagieren. Außerdem lassen sich verschiedene Datensätze nutzen, um einem Kunden zu helfen, sein wahres Umweltrisikoprofil zu verstehen. Die richtigen Daten am richtigen Ort zu haben, ist unerlässlich. Banken müssen sich daher einige grundlegende Fragen stellen, um für sich möglichst großen Nutzen aus der Situation zu ziehen: 

  • Verfüge wir über die richtigen Daten, um die kommenden Anforderungen an die Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken und die Berichterstattung zu erfüllen? 
  • Verfügen wir über korrekte Datensätze in ausreichendem Umfang, um genau die Erkenntnisse zu gewinnen, die wir benötigen, um neue Geschäftsfelder im Bereich der Nachhaltigkeit zu erschließen? 
  • Können wir unsere Unternehmensvision in Sachen Nachhaltigkeit mit Daten untermauern, die die Wirksamkeit unserer Projekte aufzeigen?

In einem kürzlich erschienenen Artikel stellte McKinsey richtigerweise fest: „Um die [ESG-]Erwartungen zu erfüllen, müssen Banken ihre IT-Systeme anpassen, um systematisch eine breite Palette von ESG-Daten zu sammeln, zusammenzustellen und darüber zu berichten. Viele Finanzinstitute verfügen jedoch noch nicht über einen umfassenden Ansatz zur Integration von ESG-Daten in ihre bestehende Risikoberichterstattung.“

Der Artikel hebt zudem hervor, was die Banken konkret tun müssen: eine zentrale [Unternehmens-]Datenplattform einführen, ein robustes Modell für die Datenverwaltung schaffen, Silos vermeiden, ESG-Daten in das Kerngeschäft integrieren und technische Schulden vermeiden. Es werden jedoch nur wenige praktische Ratschläge für das Wie gegeben, um dies zu erreichen.

Umsetzung des „Wie“

Leistungsfähige Analyse-Plattformen können Banken und Finanzdienstleistern helfen, wirksame Klimaschutzinitiativen umzusetzen. Heutzutage muss die Klimarisikoanalyse in Tagesgeschäft und Risikomanagement-Rahmenwerke für die Bank und alle ihre Kunden integriert werden. Dies erfordert einen strategischen Ansatz für das Datenmanagement.

Hierbei müssen verschiedene Aspekte, wie schnelle und flexible Workflows mit Daten aus unterschiedlichen Quellen, multidimensionale Skalierbarkeit, Multi-Cloud- und Hybrid-Cloud-Implementierungen, Stressmodelle, Testszenarien sowie unterschiedliche Komplexitätsgrade der Analyseverarbeitung einbezogen werden.

Der Fokus auf ESG wird weiter zunehmen.  Die Frage, die sich Banken deshalb bereits heute stellen müssen, ist, ob sie über ausreichend Datenkompetenz verfügen, um dies eher als Chance denn als Risiko zu sehen. Banken, die es heute verstehen, auf sinnvollen Einsatz von Datananalyse-Plattformen zu setzen, haben es in der Hand, das E in ESG zum Werttreiber für eigene Initiativen zu machen als auch Kunden dabei zu helfen, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern.

*Thomas Schröder ist Vice President für Zentral- und Westeuropa bei Teradata.


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