Vor wenigen Tagen, Anfang September, wurde die neue Version von PRINCE2 in englischer Sprache veröffentlicht. [...]
Die deutsche Ausgabe wird im Frühjahr 2024 erscheinen. Es gibt große Änderungen, man kann von einer Generalüberholung sprechen. Hier die Details.
Zuerst die gute Nachricht: Das offizielle PRINCE2 Buch ist ca. 15% schlanker. Obwohl neue inhaltliche Elemente hinzukommen hat es jetzt in der englischen Version nur noch 342 Seiten. Und das, obwohl neue Inhalte hinzugekommen sind und konkrete Beispiele für die Umsetzung enthalten sind.
PRINCE2 7 konzentriert sich stärker auf den Kern von Projektmanagement, wird weniger streng, dafür flexibler und besser verständlich.
PRINCE2 bleibt PRINCE2
Weiterhin ist PRINCE2 eine vollständig integrierte Projektmanagement Methode, bei der alle seine Elemente zusammenpassen und auch skaliert noch Sinn machen. Außerdem konzentriert sich PRINCE2 vollständig auf das Management von Projekten und ist eine generische Methode, die für alle Arten von Projekten, alle Branchen und Kulturkreise anwendbar ist.
Ganz neue Inhalte
Abgesehen von den doch deutlichen Änderungen in Begriffen und dem Aufbau des offiziellen Buchs gibt es auch drei vollständig neue Inhalte und damit Elemente der Methode.
Digital and Data Managment
Der in den letzten Jahren dramatisch gestiegenen Bedeutung von digitalisierten Prozessen, digitaler Arbeit und dem Gewicht erfasster, verarbeiteter und genutzter Daten wird in der neuen Methode Rechnung getragen.
PRINCE2 möchte, dass jedes Projekt seine mit der Organisation abgestimmte Policy zum Datenmanagement entwickelt und festhält, wie man im Projekt damit umgehen will. Dafür ist auch ein Managementprodukt, der Digital and Data Management Approach als Teil der Projektleitdokumentation vorgesehen.
Sustainability
Das Thema Nachhaltigkeit ist sogar noch prominenter positioniert. PRINCE2 schätzt die aktuelle und zukünftige Bedeutung dieses Themas so hoch ein, dass Nachhaltigkeit sogar als eine der Variablen der Projektleistung implementiert wird, zusätzlich zu den bisherigen Variablen Nutzen, Kosten, Zeit, Umfang, Qualität und Risiko. Dieser Bedeutung entsprechend werden die jeweiligen Nachhaltigkeitsziele auch im Business Case verankert.
People
Bisher kannten wir vier integrierte Elemente von Prince2: Grundprinzipien, Themen, Prozesse und Anpassung. Nun haben wir deren fünf: Principles, People, Practices (ehemals Themes), Processes, Project Context (ehemals Tailoring).
Persönlich habe ich es immer geschätzt, dass Prince2 sich nicht um alle Soft Skills Themen kümmert. Über Führung, Motivation und so weiter wird so viel Veraltetes geschrieben, dass ich den Ansatz von Prince2 wirklich erfrischend fand.
Die Neuerung jetzt berücksichtigt aber, dass ein Projekt ja nicht nur eine sachliche Ebene hat, sondern ganz erheblich ein soziales Geschehen ist. Zum Glück vermeidet Prince2 Diskussionen um Führungsstile und Motivationspyramiden, sondern konzentriert sich auf drei wesentlich Themenbereiche. Diese Bereiche werden beschrieben, die jeweiligen Herausforderungen analysiert, und Hinweise zur Bearbeitung gegeben:
- Leading successful change: Jedes Projekt, ob gewollt oder nur nebenbei, bringt Veränderung in der Organisation. Dieser Change und die Stakeholder sollen absichtsvoll gesteuert werden.
- Leading successful teams: Unterschiedliche Herausforderungen der Arbeit mit und in Teams wird besprochen, bis hin zur Auflöung von Teams.
- Communication: Hier wird der Communication Management Approach für unterschiedliche Projektsituationen entwickelt.
Die Generalüberholung
Abgesehen von neuen Inhalten und Begriffen sind die Kapitel der einzelnen Practices völlig neu gestaltet. Es fehlen strenge Regeln, stattdessen gibt es Hinweise, Tipps, Empfehlungen und konkrete Beispiele.
PRINCE2 wird freundlicher und verständlicher
Bislang hatte Prince2 ja den Ruf, eine strenge Methode zu sein. Das ändert sich, Zum Einen ist die Sprache weniger formal und nicht ganz so „britisch“. Da hoffe ich sehr, dass die deutsche Übersetzung in 2024 da mitziehen wird
Zum Anderen fallen strenge Abgrenzungen und Regeln weg. Sie erinnern sich sicher an die „Mindestanforderungen“ in jedem Themenkapitel. Die wurden in den Foundation Examen auch tatsächlich geprüft, was stures auswendig lernen bedeutete. Sie entfallen einfach. Stattdessen werden die Anpassungen der Methode jetzt anhand von fünf Projektkontexten und vier konkreten Projektszenarien erklärt.
Das Tailoring ist jetzt verständlich erklärt
Die Präsentation und Erklärung der „Anpassung an das Projekt“ ist drastisch besser. War es immer schon eine der großen Stärken von PRINCE2, dass die Methode hervorragend skalierbar ist, ist das nun auch gut aufbereitet. In den Seminare haben erfahrene Projektmanger_innen das Konzept der Anpassung immer leicht verstanden, aber die Projektneulinge hatten oft große Probleme damit.
Einige unklare Punkte wurden geschärft und die Art, wie Fragen der Anpassung mithilfe der fünf Projektkontexte und vier Projektszenarien diskutiert und beschrieben werden, macht es nun klarer und leichter verständlich.
Der Kern von Projektmanagement
Prince2 konzentriert sich noch stärker auf den Kern von Projektmanagement und die zentralen Aufgaben. Das prominente Beispiel dafür ist das Konfigurationsmanagement als Teil der Änderungssteuerung. In der 5. Auflage war Konfigurationsmanagement ein großer Teil des Themas Änderungssteuerung.
In der 6. Auflage nur noch ein kleiner. Aber es gab noch die sperrigen Managementprodukte „Konfigurationsdatensatz“ und „Produktstatusauskunft“. Das ist jetzt Geschichte, Konfigurationsmanagement ist kein Thema mehr von PRINCE2 und es gibt nur noch eine harmlose „Produktliste“.
Agile Ansätze werden stärker berücksichtigt
Zu keiner Zeit war Prince2 ein Wasserfall-Ansatz. Niemals. Prince2 war immer ein Management-Framework, die sich ausschließlich mit dem MANGEMENT von Projekten beschäftigt hat. Quasi „King of Governance“ unter den Projektmanagement-Ansätzen. Im neuen Aufbau der Beschreibung und der guten Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Lieferansätze wird das jetzt noch deutlicher.
In den einzelnen Practices werden jeweils die Anpassung an drei Lieferansätze gezeigt, an Wasserfall, an agile, und an hybride Vorgehensweisen. In den Empfehlungen und Anpassungen kommt PRINCE2 jetzt agilen Lieferansätzen weit entgegen.
Weiterführende Informationen für alle, die PRINCE2 schon kennen: https://www.milestone.at/de/know-how/artikel
*Hans-Peter Ritt ist geschäftsführender Gesellschafter der milestone consultancy gmbh.
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