Jurist Bertram Burtscher erklärt, dass der Fall Snowden auch in Österreich den Politikern und der Bevölkerung das Datenschutzthema in einer drastischen Art und Weise vor Augen geführt hat. [...]
Verbesserte Datenschutzgesetze braucht es laut dem Rechtsexperte für Datenschutz der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Freshfields dennoch nicht: „Wir brauchen keine neuen Gesetze dazu, wir brauchen keine großartigen Initiativen im Parlament.“ Wahnsinnig viel sei schon da, wahnsinnig viel müsse von den Unternehmen gemacht werden und werde auch gemacht.
Lediglich in einigen wenigen Bereichen sei noch „ein Feintuning“ und „mehr Sensibilität“ vonseiten der Geheim- und Nachrichtendienste nötig, für die weitreichende Ausnahmen von gesetzlichen Reglungen gelten würden. Ein höheres Maß an Eigen- und Fremdkontrolle sei hier aus Burtschers Sicht „vielleicht durchaus angebracht“. Dass ein PRISM-ähnliches Programm in Österreich existiere, glaubt Burtscher nicht.
ERHÖHTE SENSIBILITÄT
Das positive am Fall Snowden sei, dass österreichische Unternehmen bereits bestehende Regelungen besser umsetzten, sagt der Experte. Es seien eine „erhöhte Sensibilität“ sowie „große Anstrengungen“ bemerkbar, um Datenschutz-konform zu agieren. Das konnte Burtscher bereits bei Beratungstätigkeiten für Unternehmen beobachten.
Die Europäische Union habe zumindest über weite Strecken den Schutz von Nutzerdaten zum Ziel. Eine „catch-all“-Praxis bezüglich Datensammlung und -verwendung sei auf europäischer Ebene derzeit „eher rückläufig“. Weiterhin gelte, dass in Europa Geregeltes europäischem Recht und in den USA Geregeltes amerikanischem Recht unterliege. Hier gebe es nur „ganz wenige Überschneidungen“, wie etwa die Regelungen zu Fluggastdaten. Hier seien tatsächlich zwischenstaatliche Abkommen notwendig, so der Rechtsexperte.
AUSNAHMEN FÜR GEHEIMDIENSTE
Die Regelungen zur Datenerfassung durch Geheimdienste seien in den USA, in der EU und in Österreich „gar nicht so unterschiedlich“, glaubt der Experte. Da wie dort gebe es „weiträumige Ausnahmen von sämtlichen Datenschutzbestimmungen“. Und diese würden unmittelbar mit Freiheits- und Individualrechten kollidieren. Trotz einer gegenwärtigen Überarbeitung der Datenschutzregelungen auf europäischer Ebene, würden diese Ausnahmen voraussichtlich bestehen bleiben.
Aus Sicht Burtschers ist eine der wesentlichsten Problematiken, die durch den Fall Snowden aufgeworfen wurde, ob geheimdienstliche oder staatssicherheitstechnische Ausnahmeregelungen eingeschränkt werden sollen. Ein Überdenken dieser Regelungen sei möglich, das Resultat zurzeit allerdings noch nicht abschätzbar. Notwendig für eine Positionsänderung sei ein gesellschaftlicher Grundkonsens über die Aufgaben des Staates im Hinblick auf die Sicherheit der Staatsbürger und des Staatswesens nötig.
Programme, wie das umstrittene PRISM, würden ein „großes Missbrauchsrisiko“ durch die jeweiligen Systemadministratoren bergen, erklärte Burtscher. In einem ersten Schritt funktionierten derartige Programme durch automatisierte Algorithmen, die auf bestimmte Kombinationen reagieren – etwa einer Häufung bestimmter Aktivitäten im Web, der Anwendung von Schlüsselworten und die Aufnahme mit gewissen Kontakten.
HOHES MISSBRAUCHSRISIKO
In einem zweiten Schritt würde das Ganze erst im Fall des Falles von einer Person überprüft werden und hier sei das Missbrauchsrisiko gegeben. Insofern zeigt das Beispiel Snowden laut Burtscher, wie es nicht laufen soll: Denn hier habe sich eine Person über interne Geheimhaltungsregelungen „radikal“ hinweggesetzt.
Zwar könne man argumentieren, er sei ein Guter, da er die Weltöffentlichkeit aufgeklärt habe. „In Wahrheit hat Snowden aber einfach Nutzungsregelungen gebrochen“, so Burtscher. Und Personen, die an den „Schalthebeln solcher Systeme“ sitzen, könnten die Informationen trotz der vorhandenen Geheimhaltungsregelungen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, fügte er hinzu. Darin sieht der Datenschutzexperte das „eigentliche“ Problem.
Ob man vor dem Hintergrund des möglichen Missbrauchs die Datenverarbeitungen oder die Überwachungsmöglichkeiten zurückfahren sollte, ließe sich nicht mit Ja oder Nein beantworten. „Diese politische Diskussion ist noch nicht geführt“, so Burtscher. „Und ich glaube, dass dieses Thema auch nicht unbedingt vor Wahlen geführt werden sollte.“ Denn es gehe hierbei um „ganz schwierige Fragen“, die einen gesellschaftlichen Grundkonsens und keine „polemische Diskussion“ bräuchten. (apa)
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