Debakel „Schul-Digitalisierung“: Wenn Schulen Hotels wären…

Milliardeninvestitionen und nichts geht voran - seit Jahren. Was wäre, wenn Schulen Hotels wären? Wären sie dann nicht schon lange digitalisiert? [...]

Bereits in den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts verabschiedeten sich Hotels vom Zimmerschlüssel. Sie stiegen mit programmierbaren Keycards als Türöffner in die Digitalisierung ein (c) pixabay.com

Die Digitalisierung an Schulen – man kann es fast nicht mehr hören und glaubt nicht, dass dieses Vorhaben immer noch nicht erledigt ist. Fünf Milliarden Förderung stehen bereit und doch passiert nicht viel. Woran liegt das? Wo ist das Problem? Man könnte meinen, es geht um Augmented Reality und Nano-Bots, wenn über Digitalisierung an Schulen gesprochen wird. Dabei geht es um profane IT, die es seit mehr als zehn Jahren gibt.

Digitalisierung der Schulen ist profane IT

Stellen wir uns vor, eine leerstehende Schule würde von einem Hotel übernommen. Dieses Hotel würde zu einem örtlichen IT-Dienstleister gehen und Folgendes bestellen:

  • „Wir brauchen eine vollständige IT-Ausrüstung in drei Monaten.“
  • „Wir brauchen einen Glasfaser-Anschluss, es kann auch ein normaler Telefonanschluss oder Kabelanschluss sein oder wir kombinieren beides, um die notwendige Bandbreite zu erhalten.“
  • „Wir brauchen einen Medien-Server, WLAN und Fernseher in jedem Zimmer.“
  • „Wir brauchen in einigen Konferenz-Zimmern große Medienwände. Und natürlich Software, um das Ganze zu steuern.“

Innerhalb von maximal drei Monaten wäre gemäß diesen Anforderung geliefert. Und das geht bei einer Schule nicht? Man möchte Schulen fast raten, einfach mal so zu tun, als wären sie ein Hotel. Nach drei Monaten stellen die Eltern in Eigenregie die Hotelbetten wieder raus und die Schultische wieder rein – und die Schule wäre digitalisiert. Wo liegt das Problem? Geld ist vorhanden. Die Schule muss Anträge stellen: zehn bis 15 Seiten mit Begründung und den Zielen der Medienarbeit. Wo steht die jeweilige Schule heute? Wo wollen sie hin? Wer ist auszubilden? Nichts wirklich Kompliziertes. Und hier könnten ja sogar die Rektorinnen und Rektoren das machen, was ihre Schüler nicht dürfen – von anderen Rektoren abschreiben.

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Herausforderung Change Management

Stellen wir uns wieder das Hotel vor. Die Rezeptionistin oder der Rezeptionist des Hotels müsste sich im Rahmen der Digitalisierung neu in die Software einarbeiten. Was würde passieren, wenn diese Person, vielleicht vorher Englischlehrer, sagen würde: „Das ist mir alles zu kompliziert? Das will ich nicht.“ Dann würde der Hotelmanager wahrscheinlich zu der Person sagen: „Dann müssen Sie im Hinterzimmer Rechnung abheften oder wir können Sie nicht mehr einsetzen.“ Ist die Digitalisierung in Schulen etwa ein Wahlfach für Lehrer?

Wo hängt es? Nicht an der Technik und nicht am Geld. Die Digitalisierung von Schulen ist ein riesiges Change-Projekt, angefangen von der Bundesregierung, über die Länder, bis runter zum letzten Lehrer. Dieses Change-Projekt ist unbedingt notwendig für unsere Kinder. Es geht nicht so sehr um Kinder von Akademikern, sondern um Kinder, die eine Ausbildung auf digitalen Medien wirklich benötigen. Denn die werden sonst arbeitslos auf einem zukünftigen Arbeitsmarkt, der diese Kenntnisse als Voraussetzung verlangt. Die Verantwortlichen von heute sind dann längst in Rente.

Wenn ein Digitalisierungsprojekt in einem großen Konzern so langsam laufen würde, würde ein Sozialplan aufgesetzt und alle Mitarbeiter über 55 würden eine Möglichkeit erhalten, das Unternehmen zu verlassen. Dabei verspricht man sich normalerweise, dass Widerstände schwinden und neue Ideen mit neuen Mitarbeitern in das Unternehmen kommen. Auf diese Praktiken muss man und kann man im Falle der Schulen nicht zurückgreifen. Aber unendliche Toleranz kann nicht die Lösung sein.

Digitalisierung extern vergeben

Normalerweise kommt an dieser Stelle der Ruf nach externen Beratern. Aber genauso wie auch in Firmen Berater nicht den internen Change durchführen, sondern maximal als Notwendigkeit beschreiben können, wird das auch bei Schulen nicht funktionieren. Die Verantwortlichen sollten an der Umsetzung gemessen werden. Es sollte eine freihändige und einfache Vergabe der Aufträge an örtliche Dienstleister erfolgen. An die gleichen Dienstleister, die solche Aufträge für Firmen erledigen und jegliche notwendige Kompetenz dafür besitzen. Die Verträge sollten Erfolgskomponenten haben oder/und Vertragsstrafen bei Nichterfüllung. Mit anderen Worten, der Druck auf die Verantwortlichen sollte massiv erhöht werden.

Am wichtigsten jedoch ist, dass allen Verantwortlichen – alle Lehrer eingeschlossen – verstehen, dass es zu ihrer Kernaufgaben gehört, die neuen Technologien zu kennen und zu lehren. Es sollte jede Unterstützung auf dem Weg geben aber es muss letztlich auch Folgen haben, wenn sich die, auf die es ankommt verweigern das Notwendige umzusetzen.

Wenn Corona den Finger noch einmal so richtig in die Wunde gelegt hat, mag die Krise ja sogar etwas Positives haben. Es hat aber auch etwas Trauriges. Denn wenn wir die Digitalisierung schon erledigt hätten, wäre Home Schooling „Business as usual“ gewesen.

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*Raimund Schlotmann ist Elektroingenieur und begann seine Laufbahn im Engineering- und Softwarebereich der Siemens AG. Seit dieser Zeit ist er in der Unternehmensentwicklung als Geschäftsführer, Digitalisierungsexperte und Redner tätig. Er betrachtet Trends, Konzepte und Lösungen wie Digitalisierung, Cloud Computing, SaaS, Industrie 4.0 oder IoT nicht nur technisch, sondern insbesondere aus Sicht des Geschäftsmodells, der potenziellen Wirkung und des notwendigen Vorgehens. Raimund Schlotmann ist Autor des Buchs „Digitalisierung auf mittelständisch“.


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