Sparen, eigene Aktien zurückkaufen und das gewinnträchtige Software-Business kräftig ausbauen - auf diesen Nenner lässt sich die Strategie von Michael Dell bringen. Mit dem Kauf von Quest Software hat er seine Ambitionen bekräftigt. [...]
Mit seinem jüngsten Coup, der Übernahme von Quest Software, hat Michael Dell deutlich gemacht, dass er dabei ist, sein Unternehmen „neu zu erfinden“. Wohin die Reise gehen soll, hatte der Firmengründer schon im Frühjahr vor Journalisten in München deutlich gemacht: Er wolle End-to-End-Lösungen anbieten, nicht zuletzt für vertikale Märkte wie etwa den Gesundheitssektor, wo man bereits weltweit der Marktführer sei. Für dieses Ziel werde derzeit das notwendige Portfolio geschaffen. „Stück für Stück setzt sich das Puzzle zusammen, auch durch gezielte Zukäufe“, sagte Dell. Einen Nachteil gegenüber größeren Wettbewerbern wie IBM oder CA sehe er nicht: „Wir sind ein Unternehmen der Mikroprozessor-Generation. Wir sind schnell und haben keine Legacy-Welt, die wir schützen müssen“, stichelte er gegen die Konkurrenz.
Mit Quest erwirbt Dell das Fundament für sein künftiges Software-Business. Es handelt sich um einen Anbieter von IT- und System-Management-Lösungen, für den Dell bereit ist, 2,36 Milliarden Dollar zu zahlen. Das überrascht insofern, als dass sich der Hersteller ansonsten eine Schlankheitskur verordnet hat. In den kommenden drei Jahren sollen rund zwei Milliarden Dollar eingespart werden, indem zum Beispiel PC- und Serverkonfigurationen stärker standardisiert und Betriebsstätten in Regionen mit günstigerem Lohnniveau verlagert werden sollen.
Das gilt jedoch nicht für die Wachstumssparten, vor allem das Software-Business. Für dessen Aufbau und Führung hat Dell im Februar dieses Jahres keinen geringeren als den ehemalige CA-Chef John Swainson verpflichtet. Sein Ziel ist es, das Softwaregeschäft binnen drei Jahren auf ein Umsatzvolumen von zwei Milliarden Dollar aufzupumpen. Damit würde sich Dell in Schlagdistanz zum Quartett der großen System-Management-Anbieter bringen, das sich aus IBM, Hewlett-Packard, CA Technologies und BMC Software zusammensetzt.
Quest brachte es im Geschäftsjahr 2011 auf Einnahmen von 857 Millionen Dollar. Addiert mit den eigenen Softwareumsätzen kommt Dell derzeit auf ein Softwarevolumen von ungefähr 1,2 Milliarden Dollar, was zwei Prozent des konzernweiten Umsatzes entspricht. Über 80 Prozent erwirtschaftet Dell immer noch mit Hardware.
Mit der Übernahme gewinnt Dell unter anderem Produkte wie das „Toad“-Toolset für das Datenbank-Management sowie Lösungen für das Access- undIdentity-Management, das Performance-Monitoring für Anwendungen und Datenbanken, das Windows-Server-Management und die Virtualisierung von IT-Ressourcen. Viele der zugekauften Produkte überschneiden sich nicht mit dem vorhandenen Softwareangebot. Allerdings existieren beispielsweise im Bereich Virtualisierung Partnerschaften mit Citrix und VMware, die durch die mit Quest erworbenen „vWorkplace“-Produkte hinterfragt werden könnten.
Swainson erklärte, Dell gehe es strategisch nicht darum, den Softwareprofit mit aller Macht in die Höhe zu treiben. Die Investitionen seien klar zukunftsgerichtet. Man wolle auf Dauer Software, Server und Dienstleistungen sinnvoll bündeln, um Werte für die verschiedenen Kundenkreise zu erzielen.
Quest ist für Dell alles andere als ein Schnäppchen. Der Aufschlag gegenüber dem Börsenwert im März dieses Jahres, als der Bieterstreit noch nicht begonnen hatte, liegt bei 44 Prozent. Dabei lief es für Quest trotz ordentlicher Zahlen zuletzt nicht immer optimal. Das Softwarehaus hatte damit zu kämpfen, dass Anbieter wie Oracle zunehmend eigene Datenbank-Management-Tools auf den Markt bringen und so das Kerngeschäft von Quest angreifen. Für Quest hatte das zur Folge, das Lösungsportfolio diversifizieren und kleinere Softwarehäuser zukaufen zu müssen.
Analysten beurteilen die Übernahme dennoch überwiegend positiv. In einem Research Alert von Saugatuck heißt es: „Wenn Dell es schafft, seine zugekauften Softwareprodukte rund um das Data-Center-Management zu integrieren und effizient zu managen – einschließlich Quest und die auf Sicherheits-Management spezialisierten Zukäufen AppAssure und SonicWall -, dann wird sich das Unternehmen als ernsthafter Anbieter von Management-, Infrastruktur- und Cloud-Technologien positionieren können.“
Saugatuck weist darauf hin, dass Dell dazu verdammt sei, die Transformation von einem Standardhardware-Lieferanten zum Anbieter von Enterprise-Software und -Services schnell zu vollziehen. Nur mit dem Verkauf hochpreisiger Softwarelösungen könne es auf Dauer gelingen, akzeptable Gewinnmargen zu erzielen. Diese Erkenntnis ist insofern nicht ohne Ironie, als gerade Dell das Unternehmen ist, dass sich die Industrialisierung und Standardisierung von IT-Produkten und -Services zur Kernaufgabe gemacht hat. „Unsere Industrie neigt dazu, es mit Funktionen und Features zu übertreiben“, sagte Michael Dell noch in München, „wir wollen eher vereinfachen, standardisieren und offene Systeme anbieten.“
Positiv äußerten sich auch die Experten von Gartner. Es sei der „beste Deal, den Dell hätte abschließen können“, bekundete Analyst Will Capelli gegenüber der „Financial Times“. Quest sei zwar im Vergleich zu den Rivalen IBM, CA und BMC ein eher kleiner Spieler im Markt für System-Management-Software, aber das Unternehmen bringe die Tools und die Entwickler – zirka 1300 an der Zahl – mit, um Dell zu helfen, ein signifikante Größe zu erreichen.
* Der Autor ist Redakteur der deutschen Computerwoche.
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