Deloitte Österreich hat erstmals den "Deloitte.Radar 2013/2014 - Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich" erstellt. Der Wirtschaftsstandort Österreich fällt dabei im internationalen Vergleich kontinuierlich zurück. [...]
In dieser Metastudie werden internationale Standort-Rankings sowie eigene Studien und Branchen-Insights analysiert. Anders als bei den bekannten Rankings, die Momentaufnahmen darstellen, geht es Deloitte darum, Trends aufzuzeigen und Einschätzungen von außen mit der Innensicht der österreichischen Wirtschaft abzugleichen. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Wirtschaftsstandort Österreich fällt im internationalen Vergleich kontinuierlich zurück und verspielt damit Zukunftspotenzial. Die Experten von Deloitte sind aber überzeugt, dass ein radikales Fitnessprogramm den anhaltenden Abwärtstrend noch stoppen und einen Turnaround bringen könnte. Damit Österreich wieder Top-Ten-Platzierungen erreichen kann, braucht es einen Reset im Steuersystem, mehr Offenheit und Flexibilität vor allem am Arbeitsmarkt sowie ein risiko- und innovationsfreundliches Klima.
„Als führender Anbieter von Professional Services sitzen wir mit im Cockpit der österreichischen Wirtschaft und tragen daher Verantwortung für den Standort. Den Radar haben wir erstellt, um zu verdeutlichen, wo wir stehen, wohin die Reise geht und wo man gegebenenfalls gegensteuern muss. Bei unseren Empfehlungen haben wir uns auf jene Bereiche konzentriert, in denen wir unsere Kernkompetenzen haben“, umreißt Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich, Anspruch und Herangehensweise an das neue Tool. Der Deloitte.Radar erfasst sieben Standortfaktoren, bewertet mit Punkten von 1 (dringender Handlungsbedarf) bis 5 (klarer Standortvorteil).
Während Österreich unverändert mit höchster Lebensqualität und mit seiner bislang noch guten Infrastruktur punktet, herrscht in anderen Bereichen dringender Handlungsbedarf. Besonders dramatisch: Der Faktor „Kosten“ – gemeint sind Abgabenquote und Steuersystem – gefolgt vom „politischen und makroökonomischen Umfeld“ sowie dem „regulatorischen Umfeld“. „Vergleichbare Länder wie Schweden oder die Schweiz erreichen durchwegs Spitzenplätze, wir haben es gerade mal bei zwei Rankings unter die Top 20 geschafft, und die Anzeigennadel geht weiter nach unten. Noch gibt es eine realistische Chance für eine Aufholjagd, wenn wir uns zu strukturellen Einschnitten und einem echten Kraftakt durchringen. Das muss umgehend passieren. Wenn nicht, verspielen wir leichtfertig unsere Zukunft“, so Josef Schuch, Partner Deloitte Österreich.
INNOVATIONSFREUNDLICHERES KLIMA,
FLEXIBLERER ARBEITSMARKT
Drei wichtige Kurskorrekturen sind aus Sicht von Deloitte jedenfalls vorzunehmen. „Erstens müssen wir das Steuersystem neu schreiben, es braucht einen kompletten Reset“, urteilt Steuerexperte Gröhs und ergänzt: „Wir haben zwar alle Bausteine für ein Top-System, aber dank Sonderbestimmungen und Novellierungen ist es heute nahezu unadministrierbar und verfilzt. Der Administrationsaufwand hat ein Ausmaß erreicht, das die wirtschaftliche Entwicklung hemmt. Eine arbeitende Generation ist der maximale Zeitraum, nach dem ein Steuersystem in Ordnung gebracht werden muss – die letzte große Reform in Österreich liegt ein Vierteljahrhundert zurück!“ Gemeinsam mit der strukturellen Staatsverschuldung ergibt das eine gefährliche Abwärtsspirale, der mit aller Kraft entgegengewirkt werden muss. Der Lösungsansatz liegt in einer radikalen Vereinfachung des Steuersystems und hier vor allem in einer Vereinheitlichung der Einhebung von Lohnsteuer und Sozialversicherung sowie einem neuen Tarif, der kleinere und mittlere Einkommen entlastet. Gleichzeitig müssen lange aufgeschobene Reformen in der Verwaltung angegangen werden, um die Treffsicherheit der öffentlichen Ausgaben zu erhöhen und den Staatshaushalt langfristig zu konsolidieren.
„Zweitens muss Österreich offener und flexibler werden – am Arbeitsmarkt ebenso wie bei Arbeitszeiten, in der Bildung oder im Umgang mit Talenten und Berufsbildern“, ergänzt Gundi Wentner, Partnerin Deloitte Österreich mit Schwerpunkt Human Capital und fordert: „Raus aus der Komfortzone! Ausbildungen, Karrieren oder Lebensentwürfe generell sind heute nicht mehr linear. Dafür brauchen wir ebenso mehr Offenheit wie für vernünftige Immigration. Diese war in jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit ein Garant für Innovation, und die ist wiederum lebensnotwendig für die Wirtschaft“, so Wentner.
Drittens braucht es ein deutlich risiko- und innovationsfreundlicheres Klima, denn die Wirtschaft lebt von investitionsfreudigem Kapital. „Die Geschichte beweist: Am Anfang jedes Erfolges standen Risikobereitschaft und privates Investment, das schafft Beschäftigung und Wohlstand“, erklärt Josef Schuch, der davor warnt, den Wirtschaftsstandort Österreich für privates Kapital gänzlich unattraktiv zu machen. Stattdessen müsse man es fördern und Innovationskraft insbesondere von den zahlreichen Hidden Champions unseres Landes lernen. „Natürlich sind die großen Leistungen der öffentlichen Hand, allen voran unsere gute Infrastruktur und die hohe Lebensqualität, nach wie vor eine solide Basis für die Wirtschaft, aber im internationalen Wettbewerb ist das zu wenig. Wo heute Erfolg und Innovation draufsteht, ist in der Regel privates Engagement drin“, ergänzt Schuch, und betont, dass Österreichs Wirtschaft die KMU ebenso brauche wie große, internationale Unternehmen.
STANDORTFAKTOREN IM DETAIL
1. Politisches und makroökonomisches Umfeld: Österreich zählt zu den wohlhabendsten Ländern weltweit. Doch die strukturelle Neuverschuldung ist eine Last für die Zukunft. Reformen bei Ausgaben und Verwaltung müssen dringend angegangen werden, damit Österreich auch künftig handlungs- und wettbewerbsfähig bleibt.
2. Unternehmensinfrastruktur und Umfeld: Österreich hat eine ausgezeichnete Infrastruktur. Der technologische und wirtschaftliche Wandel bedingt allerdings, dass diese entsprechend weiterentwickelt werden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen zu stärken und als Wirtschafts-standort attraktiv für international tätige Unternehmen und Investoren zu sein.
3. Regulatorisches Umfeld: Der Aufwand für die Erfüllung regulatorischer Auflagen war noch nie so hoch wie derzeit. Häufigkeit, Anzahl und Komplexität von Regeln fordern Behörden und Unternehmen. Auch wenn es sich dabei um den Versuch handelt, aus „Fehlern“ der letzten Krise zu lernen, belasten viele Regularien aufgrund ihrer Wechselwirkungen Finanzdienstleistungsbranche und Realwirtschaft gleichermaßen.
4. Kosten: Die hohe Abgabenquote, verbunden mit unübersichtlichen, aufwendig administrierbaren Steuerregelungen, hemmt Investments und Beschäftigung. Das Abgabenänderungsgesetz 2014 belastet viele Unternehmen zusätzlich und schmälert bisherige Standortvorteile weiter. Es geht in die falsche Richtung und wird den Abwärtstrend verstärken. Es ist höchste Zeit für eine mutige, gesamthafte Weiterentwicklung des österreichischen Steuer- und Abgabensystems sowie der involvierten Behörden.
5. Innovation, Forschung und Entwicklung: Zahlreiche Hidden Champions unter den heimischen Unternehmen zeigen, wozu Österreich bei Innovationskraft, Qualität, Differenzierung und internationalem Marktauftritt in der Lage ist. Für internationale Investoren, Unternehmen und Fachkräfte muss Österreich noch offener werden.
6. Verfügbarkeit von Arbeitskräften: In Österreich und in den Unternehmen sind klare Strategien notwendig, um alle verfügbaren Talente auszubilden, zu fördern und zu halten. Trotz eines grundsätzlich guten Beschäftigungsklimas gibt es Aufholbedarf bei der Frauenerwerbstätigkeit sowie bei der adäquaten Behandlung der jüngsten und der älteren Generationen im Erwerbsprozess (Millennials bzw. Arbeitnehmer 55+). Darüber hinaus braucht das Land eine ideologiefreie Bildungsdiskussion und -reform.
7. Lebensqualität: Die generell hohe Lebensqualität macht Österreich sehr attraktiv für Fachkräfte aus dem Ausland und als Standort für international tätige Unternehmen, ist aber als Soft Fact nicht spielentscheidend.
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