Design Thinking Workshops, in denen der Kunde oder Anwender im Mittelpunkt steht, schießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Doch wie funktioniert das eigentlich? Welche Probleme kann man damit lösen und was ist zu beachten? Diese und weitere Fragen klärt unsere FAQ. [...]
Nach wie vor haben viele Unternehmen bei Innovationen nicht so sehr die Nutzerperspektive im Blick, sondern konzentrieren sich auf Aspekte wie Technologie, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Vermarktbarkeit. Wie benutzerfreundlich ein Produkt oder Service ist und ob ein konkreter Bedarf dafür besteht, wird vernachlässigt. Hier kann Design Thinking dabei helfen, einen großen Schritt in Richtung Kundenzentrierung zu gehen.
Doch wie etabliere ich einen Design-Thinking-Prozess im Unternehmen, für welche Probleme eignet sich die Methode und welche Voraussetzungen muss ich dafür erfüllen? Diese und andere Fragen klärt unsere FAQ, bei deren Erstellung uns Huub Waterval, Gründer und CEO von Nextview, einem unabhängigen Salesforce-Beratungsunternehmen und Betreiber mehrerer Design-Thinking-Center, mit seinem Know-how unterstützte.
Was ist Design Thinking?
Design Thinking ist eine Art des Denkens und Handelns, die sich zunächst auf den Menschen, seine Bedürfnisse und Werte, seine technologischen und geschäftlichen Möglichkeiten konzentriert – bevor eine wünschenswerte, durchführbare und dauerhafte Lösung geschaffen wird. Im Gegensatz zu anderen Innovationsmethoden wird Design Thinking dabei manchmal nicht als eine Methode oder ein Prozess beschrieben, sondern als ein Ansatz, der auf den drei Grundprinzipien Team, Raum und Prozess basiert.
Der Ansatz des Design Thinking kann für alle Arten von Herausforderungen verwendet werden. Es reicht von einer strategischen Ebene, zum Beispiel dem Überdenken von Geschäftsmodellen, bis hin zu einer sehr konkreten Ebene der Entwicklung von Ideen und der Lösung von Problemen aus der Perspektive des Benutzers. Interdisziplinäre Teams gewährleisten dabei einen ganzheitlichen Ansatz. Wichtig für den Design-Thinking-Ansatz ist dabei das gemeinsame Verständnis der beteiligten Personen – auch wenn es manchmal unangenehm ist, über das eigentliche Problem zu sprechen.
Die Idee ist nicht unbedingt neu: Obwohl die Terminologie des „Design Thinking“ in der Anfangszeit nur wenige Male in Erscheinung trat, hat der Ansatz eine lange Historie, die ihren Ursprung im Industriedesign vor 1960 hat.
Wie geht Design Thinking?
Innerhalb des Design-Thinking-Ansatzes werden drei Schritte identifiziert:
- Entdecken (etwa Recherche und Analyse),
- Definieren und Schaffen (etwa Ideenfindung)
- sowie Liefern (zum Beispiel die Erstellung und das Testen von Prototypen).
Wichtigstes Prinzip des Design Thinking ist die Iteration dieser Schritte, wobei dieser Zyklus mehrfach durchlaufen wird. Dieser Ansatz lässt sich auch auf den strategischen Entwurf der entwickelten Lösungen und ihrer Umsetzung im Unternehmen anwenden.
Konkret geht es beim Design Thinking darum, zu verstehen wie Kunden kaufen – und nicht, wie Unternehmen verkaufen. Der Ansatz erfolgt daher aus der Perspektive des Kunden oder Käufers. Mögliche negative Emotionen während eines Kaufprozesses oder der Customer Journey werden identifiziert, dann eliminiert oder der gesamte Kaufprozess wird dank Design Thinking optimiert. Design Thinking ist kein Standardprozess, sondern ein iterativer und kreativer Prozess, der immer den Kunden und das Problem in den Mittelpunkt stellt.
Design Thinking initiiert, erleichtert und ermöglicht digitale Transformation und echte Veränderungen (Stichwort: Change Management). Am Veränderungsprozess sind sowohl interne als auch externe Stakeholder beteiligt. Wichtig ist, dass man sich einfühlen und zuhören kann, was Menschen aus verschiedenen Bereichen eines Unternehmens zu sagen haben. Indem sie die Lösung für ihre Probleme mitgestalten, übernehmen die Stakeholder Verantwortung für die entworfenen Lösungen. Veränderungen und Lösungen werden bereits verabschiedet, bevor sie umgesetzt werden.
Was unterscheidet Design Thinking von anderen Methoden?
Der Erfolg der Design-Thinking-Methode beruht darauf, konsequent aus der Perspektive der Anwender zu denken, ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu verstehen und aus diesem tiefen Verständnis heraus in einem (idealerweise) multidisziplinären Team Lösungen zu entwickeln und zu erproben. Design Thinking ist in erster Linie mit einem klar strukturierten Prozess verbunden, der zur Entwicklung innovativer Problemlösungen genutzt werden kann: Forschung (Datensammlung), Definition (Datensynthese), Präsentation (Ideenentwicklung), Prototyp (Entwicklung von Interaktionsprototypen) und Test (Benutzertests).
Andere Methoden des Projektmanagements wie beispielsweise das Wasserfallmodell sind zu starr und werden häufig in Unternehmen mit hierarchischen Strukturen eingesetzt. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban sind iterativ, aber zu sehr auf kleinräumige Einzellösungen ausgerichtet. Design Thinking hingegen schafft eine echte Veränderung im Unternehmen, um Kundenwert zu schaffen, wobei die Einführung neuer Technologien die Organisation in die Lage versetzt, ihren Kunden diesen Wert zu liefern.
Welche Probleme löst Design Thinking?
Design Thinking ist weniger ein konkretes Rezept als vielmehr eine neue Art des Denkens. Die zu lösenden Probleme sind meist komplex, einzigartig und passen nicht in eine bestimmte Kategorie, in der bisherige Ansätze funktionieren. Beim Design Thinking ist das Verstehen des Problems zentral, während die Lösung zweitrangig ist.
Die Identifizierung des Problems und die Erforschung der tatsächlichen Herausforderungen markieren daher auch den Beginn eines Design-Thinking-Prozesses. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass Design Thinking von der Herausforderung lebt. Je komplizierter, desto besser. Design Thinking übernimmt den Prozess der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams und Methoden. Es kann für fast jedes Problem eingesetzt werden.
Was ist ein Design Thinking Center?
Obwohl es beim Design Thinking um die Kraft des phantasievollen und innovativen Denkens geht, wird alles umso greifbarer, wenn man einmal angefangen hat. Der tatsächliche Raum, in dem die Teilnehmer lernen, ausprobieren, experimentieren, sich anpassen und Erfahrungen sammeln, ist eines der wichtigsten Werkzeuge in diesem Prozess. Kreative Arbeitsräume, idealerweise außerhalb des eigenen Unternehmens, erleichtern es, sich auf das Problem einzulassen, Kreativität freizusetzen und neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln. Inzwischen haben sich daher Design Thinking Center zur Durchführung von Workshops etabliert.
Ein Design Thinking Center stellt eine gute Anlaufstelle für interessierte Unternehmen, Organisationen und Institutionen dar. Sie können sich dort selbst ein Bild davon zu machen, was es bedeutet, Transformationsprojekte mit Design Thinking anstelle von Technologie zu beginnen. Durch die Anwendung von kreativem Denken und Methoden des Service Design Thinking lernen die Teilnehmer, die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Zielgruppe zu erkennen und darauf aufbauend nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die zu tragfähigen Geschäftsmodellen führen.
Was brauchen Design-Thinking-Prozesse?
Grundsätzlich werden Offenheit, Empathie, persönliche Kompetenz und konzeptionelles Denken als die drei wichtigsten Voraussetzungen für Design-Thinking-Prozesse beschrieben:
- Offenheit: Eine der wichtigsten Eigenschaften ist neben der Neugierde auf Innovation die Fähigkeit, sich auf völlig neue Lösungen einzulassen. Je offener eine Person gegenüber neuen Lösungen, Prozessen oder Ideen jeglicher Art ist, desto besser eignet sie sich als Werttreiber in einem Design-Thinking-Ansatz. Es braucht Menschen, die Spaß daran haben, völlig neue Ansätze und Lösungen zu erforschen. Je undenkbarer der Ansatz, je visionärer, desto besser die Lösungen, die Design Thinking schaffen kann.
- Einfühlungsvermögen: Je besser sich Menschen in die Lage anderer Menschen (z.B. ihrer eigenen Kunden) versetzen können, desto eher sind sie in der Lage, Lösungen für andere Menschen zu schaffen. Menschen, die wirklich gut darin sind, sich in die Lage anderer Menschen und deren Bedürfnisse zu versetzen, tragen mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem Design-Thinking-Projekt bei als Menschen, die von Bedürfnissen ausgehen, die schnell und einfach gemessen werden können.
- Professionelle Kompetenz: Ideen und Visionen sind gut, aber sie werden noch besser, wenn sie mit einer guten Portion Fachkompetenz gewürzt sind. Aus diesem Grund können zum Beispiel Berater inhaltlich nur einen begrenzten Beitrag zu Design-Thinking-Lösungen leisten. Je mehr Substanz aus der Industrie einfließt, desto besser wird das Ergebnis sein. Visionen allein reichen nicht aus. Erst die Mischung aus Phantasie und Expertise schafft hochinteressante Lösungen.
- Konzeptionelles Denken: Die Fähigkeit, eine vielfältige Menge an Informationen zu analysieren, diese in Erkenntnisse zu übersetzen, eine Idee aus der Abstraktion heraus zu erfassen und durch Visualisierung oder Prototyping greifbar zu machen, ist einer der Hauptvorzüge des Design-Thinking-Gedankens.
Was gehört zu einem Design Thinking Workshop?
Design Thinking Workshops haben keine vordefinierten Muster oder Verfahren. Einzige Voraussetzung ist, dass sie das Playbook des Workshops und die Werkzeuge die Hauptprinzipien des Design Thinking unterstützen, nämlich Iteration ermöglichen, Empathie steigern, Co-Kreation erleichtern und Visualisierungen und Prototyping fördern.
Dennoch gibt es zahlreiche Werkzeuge und Methoden, die je nach Problem und Phase des Prozesses kombiniert werden können. Für die Analyse werden Personas, Interviews, Feldbeobachtungen, Customer Journeys, Customer Experience Maps und Storyboards verwendet. Im Brainstorming-Prozess kommen verschiedene Kreativitätstechniken zum Einsatz. Das anschließende Prototyping umfasst etwa 2D- und 3D-Modelle, Mockups, Storytelling, Comics und Scribbles. Schließlich können die Teilnehmer die Machbarkeit der entwickelten Lösungen in Testszenarien (etwa A/B-Test, Benutzertest, Reviews) überprüfen.
Der Erfolg eines Design-Thinking-Prozesses hängt weitgehend von seinen Teilnehmern ab. Ein Einführungs-Workshop findet in der Regel mit etwa zehn bis 15 Teilnehmern statt. Ein Design Thinking Workshop hat im Durchschnitt zwischen 25 und 40 Teilnehmer. Je nach Aufgabenstellung kann die Zahl der Teilnehmer manchmal auf bis zu 80 steigen. Die Teilnehmergruppe sollte dabei idealerweise die Vielfalt der Disziplinen innerhalb der Organisation repräsentieren und aus verschiedenen Persönlichkeiten bestehen (beispielsweise IT-Abteilung, Organisation, Verwaltung, Produktion, Beratung, Vertrieb). Auch wenn es keine starren Vorgaben gibt, wer aus einem Unternehmen teilnehmen soll, gibt es eine erfolgskritische Komponente: Die Geschäftsleitung. Um die Akzeptanz und spätere Umsetzung der Lösungsansätze zu erhöhen, ist mindestens ein Vertreter der C-Level-Leitung erforderlich (zum Beispiel CEO, CSO oder COO).
Wie wird Design Thinking in der Praxis umgesetzt?
Nach einem ersten Design Thinking Workshop werden die Ideen, Prototypen und Ergebnisse gesammelt, mit der Geschäftsperspektive abgeglichen und konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet beziehungsweise vorbereitet. Auch im Design Thinking gibt es keine Lösung ohne eine digitale Komponente – diese wird dann je nach Herausforderung passgenau ergänzt.
Die Ergebnisse aus einem solchen ersten Design Thinking Workshop werden dann in das Innere des Unternehmens transferiert, dort fest verankert und gesteuert. Auf diese Weise können kleine Veränderungen zu großen Veränderungen führen. Im Idealfall werden die Ideen und kreativen Ansätze Teil der DNA oder der Unternehmenskultur und werden so vollständig und nachhaltig in den Veränderungsprozess integriert, was zu dauerhaften Lösungen führt.
*Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
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