Agilität ist das zentrale Thema für das Top-Management in den kommenden Jahren. Wie Manager ihr Unternehmen in unsicheren digitalen Zeiten führen sollten. [...]
Betrachtet man die Geschehnisse in Unternehmen genauer, so erhält man den Eindruck, dass der hippste Bart und Turnschuhe in Unternehmen eingezogen sind, aber eben nicht „Agilität“. Oft wird der Begriff Agilität allein mit Software-Entwicklung gleichgesetzt.
Zunächst soll der Begriff „Agilität“ erläutert werden und warum er zunehmende Bedeutung erhält. „Agil“ bedeutet entsprechend dem lateinischen „agilis“ so viel wie wendig, regsam, beweglich. Es steht aber auch für eifrig und schnell. Übertragen wir den Begriff „Agilität“ auf Organisationen, so ergeben sich Organisation die in der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt gleichermaßen strebsam und vor allem schnell und wandlungsfähig sind.
Warum brauchen wir agile Unternehmen mehr denn je?
In der Welt der schnellen Veränderungen und Unsicherheiten – in der sogenannten VUCA-Welt (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) – gilt es ein Unternehmen zu schaffen und zu strukturieren, das schnell auf neue Ereignisse reagieren kann. Ein Unternehmen muss also so aufgestellt werden, dass es mit ständig neuen Einflüssen, wechselnden Anforderungen und mit unklaren zukünftigen Zielen umgehen kann.
In der Vergangenheit konnten stabile und starre Bedingungen mit „Command & Order“ in den Griff bekommen werden. Unternehmen waren dementsprechend hierarchisch ausgerichtet. In berechenbaren Kontexten machte ein mechanistisches Managementverständnis und Taylorismus auch Sinn. Dies gilt aber nicht für komplexe, sich schnell verändernden Welten. So musste der ehemalige Nokia CEO, kurz vor der Übernahme durch Microsoft erkennen: „…we didn’t do anything wrong, but somehow, we lost“.
Die 4 Merkmale einer agilen Organisation
- Ein Vorwärtsdenken in alternativen, durchdachten Zukunftsplänen
- Ständiger Austausch mit der Umwelt durch heterogene Netzwerke
- Schlanke Aufbau- und Ablauforganisation, ein agiles Führungsverständnis
- Ein Schöpfen aus internen unterschiedlichen, erfahrungsbasierten Stärken
Eine der Künste besteht darin, die vier Grundsätze von dem Kopf, ins Herz und in die Hand zu bekommen. Die Grundsätze 1, 2 und 3 stellen aller Erfahrung nach die größten Herausforderungen und Überraschungen für die Führung dar.
Vorwärtsdenken in alternativen, durchdachten Zukunftsplänen steht für eine experimentelle Zukunftsorientierung aller Mitarbeiter im Unternehmen. Querdenken und das Vergleichen von unterschiedlichen Zukunftsbildern erfordert eine Kultur des Zulassens, eine Kultur der Fehlertoleranz und Innovation. Ein kontinuierlicher Abgleich der jeweiligen Strategieoptionen mit den unterschiedlichen Zukunftsbildern und den tatsächlich gemachten Erfahrungen ergeben dann den richtigen strategischen Weg.
Um in einem stark VUCA geprägten Umfeld Veränderungen und Tendenzen frühzeitig zu erkennen, sorgen agile Organisationen nicht nur für interne, studiengetriebene „Marktforschungen“. Sie fördern Netzwerkaktivitäten sowie internen und externen unmittelbaren Informationsaustausch ihrer Mitarbeiter. Open Innovation wird ermöglicht.
Schlanke Aufbau- und Ablauforganisation und agile Führung bedeuten kurze Entscheidungswege und ein anderes Führungsverständnis als bisher.
Besinnung auf die eigenen, in der Vergangenheit angesammelten Stärken ist der Kern für die Fähigkeit der Weiterentwicklung. Es geht im Wesentlichen darum, die eigenen Potenziale zur Wandlungsfähigkeit zu reflektieren und zu stärken.
Spätesten am Punkt 3 angelangt muss die Führung über den eigenen Schatten springen und dies fällt nicht immer leicht. Denn alle obigen Punkte sind für Führungskräfte der traditionellen Managementschule mit einem Gefühl des Machtverlustes verbunden.
Agilität und Führung
Der Anfang – und gegebenenfalls auch das Ende – von allen agilen Organisationen ist die Veränderung des gelebten Führungsverständnisses. Agilität braucht einen Wandel der Führung vom Vordenker hin zum Impulsgeber in Netzwerken. Die Zusammenführung der unterschiedlichen Mitarbeiter-Typen, Talente und Wissensstände entwickelt eine eigene Dynamik, die nicht durch konkrete Vorgaben zu steuern ist.
Vielmehr gilt es Rahmenbedingungen vorzugeben, in denen Lösungen und Ergebnisse erarbeitet werden können. Weniger die Zielvorgabe ist wichtig als die Fähigkeit, Komplexität durch eine lösungsorientierte Mustererkennung zu reduzieren. Damit ist weniger Gestaltungswissen von der Führung gefordert, sondern mehr Orientierungswissen und die Beantwortung der Frage: „Welche Rahmenbedingungen sind wichtig und bedeutsam?“
Fazit und Handlungsempfehlungen
Agilität ist das Top-Management-Thema und wir werden 2020 am Ergebnis und der Existenz der Unternehmen sehen, ob dies nachhaltig gelebt worden ist. Unternehmen gleichen nicht mehr einem großen Tanker, der mit Treibstoff, einer festen Route uns einem Ziel im Autopiloten versehen ist und von einem erfahrenen Kapitän in den Zielhafen gesteuert wird.
Unternehmen gleichen vielmehr einem Segelschiff, das seine Segel 24/7 nach Wechselwinden neu ausrichten muss. Dies geschieht ohne gültige Seekarte in unbekannten Gewässern, aber mit einem talentierten Team. Diese Teams und Schiffe können ihr Verhalten beziehungsweise den Kurs ändern – schnell, effizient und risikobewusst.
* Sanjiv Singh ist zertifizierter Coach, Change Manager und SCRUM Master. Er verantwortet als Executive Senior Manager das Thema Digitale Transformation bei der Aequitas Affinity.
Be the first to comment