Vergessen Sie, was Sie über Business-IT-Alignment gehört haben. Im digitalen Zeitalter ist IT-Business-Integration der wahre Schlüssel zum Erfolg. [...]
Die IT, so wird CIOs häufig erklärt, muss auf das Geschäft ausgerichtet werden, und die Ausrichtung ist hauptsächlich eine Frage der effektiven IT-Governance.
Ausrichtung ist besser als Fehlausrichtung, sollte man annehmen, aber am Ende ist es trotzdem nicht zielführend. Wenn man sich dann auch noch zu sehr auf die IT-Governance als Instrument zum Erreichen dieses Ziels verlässt, wird die IT zu einer erdrückenden, erstickenden Bürokratie und nicht zu einer effektiveren Organisation.
Was ist die bessere Alternative? Man sollte sich darauf konzentrieren, die IT in das Unternehmen zu integrieren und nicht nur mit dem Unternehmen abzustimmen. Integration bedeutet, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, damit die IT ein wesentlicher Bestandteil jedes Aspekts des Unternehmens ist und auch so wahrgenommen wird.
Ausrichtung allein ist lang nicht mehr genug
Der Begriff „digital“ wurde in den letzten Jahren oft genug benutzt und missbraucht, um einen Menschen zynisch zu machen, aber er hat noch ein paar Fetzen Bedeutung. „Digital“ wird mehr als nur ein Management-Schlagwort, wenn Führungskräfte endlich begreifen, dass sich eine enorme Veränderung in der Geschäftswelt vollzogen hat. Denn obwohl es viele nicht glauben können, gibt es keine Arbeit mehr, die ohne den Einsatz von Informationstechnologie verrichtet werden kann.
Keine.
Informationstechnologie ist nicht länger eine Einzelfallentscheidung, die für jede Implementierung eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse erfordert. Nichts, was Ihr Unternehmen tut, geschieht ohne sie. Das ist die Essenz der Digitalität, was ein Grund dafür ist, dass IT-Business-„Alignment“ ein so schwaches CIO-Ziel ist.
Business Applications sind in die Geschäftsprozesse des Unternehmens integriert. Das bedeutet umgekehrt: Die Geschäftsprozesse der Organisation sind um ihre Geschäftsanwendungen herum aufgebaut.
Die Informationstechnologie – das Zeug, nicht die Organisation – ist in das Geschäft integriert, ob es jemandem gefällt oder nicht. Warum sollte man glauben, dass es gut gehen könnte, wenn die IT-Organisation lediglich aligned ist?
Relationship versus Governance
Eine echte organisatorische Integration zu erreichen, ist leichter gesagt als getan. IT-Governance wird die Aufgabe nicht erfüllen, denn Governance-Strukturen und -Prozesse sind von Natur aus so konzipiert, dass sie die IT vom Rest des Unternehmens trennen. Dadurch muss der „Rest des Unternehmens“ ein wachsames Auge auf die IT haben, damit wir nicht Zeit, Mühe und Budget für die „Technologie um der Technologie willen“ aufwenden.
Es geht nicht darum, dass IT-Governance unnötig ist. Es geht darum, dass IT-Governance als „Leitplanke“ (Richtlinie) betrachtet werden sollte. Die Beziehung der IT mit dem Rest des Unternehmens ist es, die als Straßenschild und Fahrbahnmarkierung fungiert, die jeden darüber informiert, wohin er soll und wie er dorthin gelangt, ohne die Dinge zu vermasseln.
Deshalb ist es für den Aufbau einer modernen IT-Organisation unabdingbar, die Beziehung der IT zum Rest des Unternehmens neu zu definieren und besser zu managen.
Im „Industriezeitalter“ der IT war Business Alignment die logische Konsequenz aus der Definition der Beziehung der IT zum Business als Lieferant, der seine Waren an seine sogenannten „internen Kunden“ verkauft. Das funktionierte auf eine gewisse Art und Weise, obwohl niemand jemals wirklich „Kunde“ meinte, wenn er diesen Ausdruck verwendete. Hätte man es aber wirklich gemeint, hätte die IT-Abteilung nicht so viel Aufwand betrieben, um die Schatten-IT auszumerzen.
Wenn Sie Home Depot und nicht die interne IT wären und der Rest des Unternehmens Ihre Kunden darstellen würde, so würden sie sich auch nicht weigern, einem von ihnen einen Deckenventilator zu verkaufen. Auch wenn ein unsachgemäß installierter Deckenventilator ernsthafte Unannehmlichkeiten verursachen kann, wenn er auf den unglücklichen Heimwerker fällt, der ein oder zwei Schritte vergessen hat.
Was sie wirklich tun würden, ist ein Gespräch darüber zu führen, welche anderen Produkte und Werkzeuge benötigt werden, um den Deckenventilator sachgemäß zu installieren. Alternativ könnten sie ihrem Kunden auch vorschlagen, einen Luftentfeuchter zu kaufen, um den Sommerkomfort weiter zu erhöhen.
Der Rest des Unternehmens ist aber nicht der Kunde der IT. Um die IT in den Rest des Unternehmens zu integrieren, sollten Sie den Irrglauben an den internen Kunden durch ein Vokabular ersetzen, das sich auf Begriffe wie Partnerschaft und Zusammenarbeit stützt. Sie sollten Gespräche führen, die sich auf die Verbesserung der Effektivität von Geschäftsprozessen konzentrieren, nicht auf die Bereitstellung von Anwendungen. Vor allem sollten Sie einen Schwerpunkt auf den von IT und Business geschaffenen Wert legen, der den wahren Kunden des Unternehmens zugutekommt.
Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass die IT-Governance mit all ihren Komitees, Regelwerken und Prozessen in den Hintergrund tritt gegenüber den neu definierten, vertrauensbasierten Beziehungen, die das Markenzeichen einer IT-Organisation sind, die eine Business-Integration erreicht hat.
Die Beziehung der IT zum Business neu definieren
Die Neudefinition ist nur die halbe Miete. Sie verändert die Art der Beziehung, aber noch mehr kommt es auf die Qualität der Beziehung an. Und das ist eine Frage des Vertrauens.
Der Aufbau von Vertrauen erfordert die Änderung von Prozessen, Praktiken und Methoden. Es erfordert Änderungen an der technischen Architektur in all ihren Schichten und Abhängigkeiten. Am wichtigsten ist jedoch, dass alle Faktoren geändert werden müssen, die menschliche Spitzenleistungen fördern oder hemmen.
CIOs sind, wie alle Führungskräfte, nicht dafür verantwortlich, irgendetwas selbst zu erledigen. Sie sind dafür verantwortlich, Organisationen aufzubauen, die Dinge erledigen.
CIOs können und sollten die Beziehung zwischen der IT und dem Rest des Unternehmens neu definieren. CIOs können und sollten deutlich machen, dass die IT ein Peer, ein Partner und ein Kollaborateur für jeden im Unternehmen ist, der Informationen nutzt, um seine Arbeit zu erledigen, also für jeden im Unternehmen.
Aber dies in die Tat umsetzen? Das muss die Aufgabe eines jeden in der IT-Organisation sein – und zwar nicht als zusätzliche Verantwortung neben der täglichen Arbeit, sondern als Teil der Denkweise bei der Ausübung ihrer Arbeit.
Einbindung der IT auch in die Geschäftsstrategie
Damit bleibt noch ein weiterer Aspekt der IT, der in das Geschäft integriert ist: die Bereitstellung von Business Strategy Leadership.
Selbst die „aligned IT“ ist tief in die strategische Planung des Unternehmens eingebunden. Das ist auch notwendig, denn die IT ist in der Regel der Knackpunkt, wenn es darum geht, strategische Absichten in eine ausführbare Roadmap zu verwandeln.
Aber die aktive Beteiligung am Erstellen des Gantt-Diagramms für die Geschäftsstrategie ist eher eine Sache der Selbstverteidigung als der Integration.
Ein bewährter Rahmen für die Definition der Geschäftsstrategie ist SWOT, was für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Gefahren) steht. In Wirklichkeit sollte es aber TOWS heißen, denn Schwächen und Stärken haben nur im Kontext von Wettbewerbsbedrohungen und -chancen einen Sinn.
In der heutigen Zeit ergeben sich die bedeutendsten Wettbewerbsbedrohungen (wenn die Konkurrenten sie verfolgen) und Chancen (wenn Ihr Unternehmen sie zuerst ergreift) aus neuen Fähigkeiten, die durch IT-Innovationen bereitgestellt oder ermöglicht werden.
Während also das IT-Management und die Mitarbeiter damit beschäftigt sind, sich in den Rest des Unternehmens zu integrieren, müssen sich CIOs ebenso eifrig in das Executive Leadership Team (ELT) und dessen strategischen Planungsprozess einbringen.
Denn wer sonst im ELT ist in der Lage, neue IT-getriebene Möglichkeiten zu erkennen und zu artikulieren, was nötig ist, um sie in das Unternehmensarsenal der wettbewerbsfähigen Kompetenzen aufzunehmen?
*Bob Lewis ist Management- und IT-Berater bei einem großen globalen IT-Dienstleistungsunternehmen. Die in dieser Kolumne geäußerten Ideen und Meinungen sind ausschließlich seine eigenen.
**Bastian Seebacher ist freier Mitarbeiter der Redaktionen CIO und COMPUTERWOCHE.
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