Die IT als Nachhaltigkeitstreiber

Egal ob Lieferkettensorgfaltsgesetz, lokale Energiegemeinschaften oder Zero Food Waste: IT-Lösungen spielen immer dann eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die Prinzipien der Nachhaltigkeit einzufordern. transform! sprach mit NTT Österreich-Chef Reinhard Birke. [...]

Reinhard Birke, General Manager Austria, NTT DATA DACH (c) Wolfgang Franz
Reinhard Birke, General Manager Austria, NTT DATA DACH (c) Wolfgang Franz

Im Mai hat NTT DATA die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage zur Nachhaltigkeit in Unternehmen veröffentlicht. Der Bericht Innovating for a Sustainable Future zeigt, dass Nachhaltigkeitsprogramme heute sowohl eine ethische als auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit sind, um positive Veränderungen voranzutreiben und bessere finanzielle Ergebnisse zu erzielen. So berichten 44 Prozent der befragten Unternehmen von einer verbesserten Rentabilität als Folge ihrer entsprechenden Maßnahmen. Darüber hinaus sind 69 Prozent der Führungskräfte weltweit der Meinung, dass digitale Innovationen der Schlüssel zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen in ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen sind.

Als wichtigste Vorteile von Nachhaltigkeitsinitiativen erlebten 33 Prozent der Unternehmen eine Kostensenkung durch verbesserte Effizienz, 32 Prozent verzeichneten mehr Innovationen oder neue Geschäftsmodelle und 24 Prozent verbuchten dadurch ein Umsatzwachstum.

Nur 12 Prozent der Unternehmen weltweit bezeichnen Nachhaltigkeit als ein Lippenbekenntnis – Stichwort „Greenwashing“, und fast vier von zehn Unternehmen geben an, dass Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und die Allgemeinheit von ihnen erwarten, dass sie positive Veränderungen bewirken, so die Studie.

Ende Juni veranstaltete NTT DATA unter dem Titel „Zwischen Metaversum und Klimawandel“ ein Forum für Diskussion und Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Im Rahmen des Events im MuseumsQuartier Wien sprachen unter anderem Tristan Horx, Zukunfts- und Trendforscher am Zukunftsinstitut, Monika Mörth, Geschäftsführerin des Umweltbundesamtes, und Karin Tausz, Leiterin der Unternehmensentwicklung ÖBB Infrastruktur.

Die zentrale Botschaft der Veranstaltung fasste Reinhard Birke, General Manager Austria, NTT DATA DACH, so zusammen: „Digitalisierung kann und muss zu einer nachhaltigen Entwicklung entscheidend beitragen, um einen lebenswerten Planeten zu erhalten. Unser aller Aufgabe als Teil der globalen Gesamtgesellschaft ist es, das Lösungspotenzial der Technologie bestmöglich zu nutzen.“

Tristan Horx forderte eine Umorientierung in Richtung einer „blauen Ökologie“, die den „Menschen als Teil der Natur“ begreift. „Wir haben alles, was wir brauchen, um die Herausforderungen zu meistern. Technologie ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, zeigte er sich überzeugt.

Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass Reinhard Birke einen strategischen Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt hat. „Nachhaltigkeit wird uns in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich beschäftigen, weil alle anderen Themen damit verbunden sind. Unsere Ressourcen sind beschränkt. Wir haben ein Riesenthema beim nichtkonsumierten Verbrauch von Lebensmitteln – Stichwort ›Food Waste‹. Die Landwirtschaft ist gleichzeitig einer der größten Emittenten von CO2. Es ist eine derart große gesellschaftliche Herausforderung und Umwälzung, dass es alle Branchen trifft – bis hin zur Gesetzgebung. Und überall dort braucht es entsprechend IT als Antwort. Deshalb müssen wir uns so intensiv damit beschäftigen“, so Reinhard Birke im Gespräch mit transform! Er weist zudem darauf hin, dass es heute konkrete gesetzliche Verpflichtungen gibt. „Das Lieferkettensorgfaltsgesetz ist in Deutschland Realität. Man muss als Unternehmen nachweisen, dass die Vorgaben eingehalten werden. Dazu braucht es eine entsprechende IT-Lösung. Lokale Energiegemeinschaften sind per Gesetz möglich. Dazu sind entsprechende IT-Systeme notwendig.“

NTT DATA selbst engagiert sich für grüne Innovationen durch digitale Technologien und hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 60 Prozent gegenüber dem Stand des Geschäftsjahres 2016 zu reduzieren und bis 2040 klimaneutral zu werden.

Das japanische Unternehmen hat auch zahlreiche Projekte im Bereich Nachhaltigkeit & CO laufen. Birke nennt ein Beispiel aus Italien zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. „Zum Hintergrund: 23 Prozent der Lebensmittel werden weggeworfen. 600 Dollar gibt ein US-Haushalt für Produkte aus, die im Mistkübel landen. Die Anbaufläche der weggeworfenen Nahrungsmittel entspricht der Größe des Staates Mexiko. Es geht hier nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um die effiziente Nutzung von dem, was wir haben.“

Gemeinsam mit den italienischen Behörden vor Ort und einer großen Supermarktkette hat NTT DATA ein Blockchain-Projekt ins Leben gerufen, bei dem Nahrungsmittel inklusive Ablaufdatum direkt bei der Lieferung erfasst werden. „Die Food Association, die Lebensmittel verteilt, bevor sie ablaufen, erhält automatisch eine Benachrichtigung, welche Warengruppen in welcher wahrscheinlichen Menge demnächst ablaufen werden. Sie kann die Nahrungsmittel damit an Menschen verteilen, die sie auch wirklich konsumieren. Das gibt es bereits in Österreich in bestimmten Warengruppen, etwa beim Brot. Wir machen das für alle Produktgruppen. Das Projekt, das über Blockchain abgewickelt wird, lässt sich zudem ausweiten. Die Lösung hilft nicht nur bei Nahrungsmitteln, sondern auch bei Blutkonserven, Medikamenten und allen anderen Gütern, die ein Ablaufdatum haben. Hier sehen wir wieder, dass Technologie branchenübergreifend funktioniert.“

Ein zweites Beispiel kommt aus Spanien, Bereich Wasserwirtschaft. „Wir haben die Wasserkanäle mit Sensoren ausgestattet. Man sieht einerseits die Wasserqualität, die Verschmutzungsgrade, den Verbrauch, aber auch frühzeitig Krankheiten, indem etwa Drogen- und Medikamentengebrauch analysiert werden. Das heißt, man erhält ein sehr gutes Abbild vom Gesundheitszustand einer Gesellschaft. Weiters erkennt man schnell Schwankungen im Wasserdruck, verursacht etwa durch eine Leckage.

In unserer Lösung hat der Operator ein VR-Dashboard, mit dem er Probleme im Netzwerk leicht erkennen kann. Das Team vor Ort arbeitet mit einer AR-Lösung mit Geoinformationen in Form eines Tablets, mit dem der Ort des Schadens und in der Nähe liegende Rohre angezeigt werden. Damit lässt sich das Problem schnell beheben ohne andere Netzwerkteile zu beschädigen. Das ist ein extrem spannendes, branchenübergreifendes Projekt, das mehrere Themen kombiniert: Predictive Maintenance, IoT, Digital Twin der Gesundheitslage einer Stadt. So müssen wir künftig auch mit unseren Kunden sprechen. Wir müssen übergreifend Probleme verstehen und unsere Portfolio-Elemente so kombinieren, damit wir eine passende, übergreifende Lösung schaffen.“

Erlebbare IT

Die genannten Beispiele spielen für die strategische Ausrichtung für NTT DATA in Österreich eine zentrale Rolle: „Wir sollten IT nicht nur abstrakt behandeln, sondern Anwendungen auf den Markt bringen, bei denen man sofort den Mehrwert erkennt. Der Bildungsbereich ist für mich ein extrem spannendes Thema. Heute geben wir Kindern Tablets in die Hand. Das ist zu wenig für das Thema digitale Bildung. Wir müssen das digitale Erleben nutzen, um damit Bildung zu vermitteln. Es gibt Projekte von Ubisoft, in denen man zum Beispiel virtuell in das antike Ägypten eintauchen kann. Das meine ich mit Digitalisierung erlebbar machen. Ich glaube, dass ein Konzern wie NTT DATA mit all den Möglichkeiten, mit all den Patenten und Forschungen dazu prädestiniert ist Innovationen bereitzustellen, die Technologie erlebbar, nutzbar und sinnvoll anwendbar zu machen.“

Gerade der heimische Bildungsbereich ist nicht dafür bekannt, die Speerspitze der Innovation zu sein. Was kann man also machen, um die notwendigen Veränderungen anzustoßen? Welche Ratschläge wären sinnvoll? Birke: „Erstens: Wir orientieren uns an denen, die bereits weiter sind. Das ist immer ein guter Ratschlag. Zweitens: Wir als Unternehmen sind in der Lage, sehr fortschrittliche Projekte durchzuführen und an die jeweiligen Marktgegebenheiten anzupassen. Genau das ist eines meiner Ziele. Ich kann beweisen, dass die Projekte funktionieren, ich kann Begeisterung bei den Entscheidungsträgern schaffen, weil die Technologien erlebbar, greifbar sind, und ich kann die Lösungen gewinnbringend implementieren.“

Fachkräftemangel

Der Bildungsbereich ist auch aus einem anderen Grund für den NTT DATA Österreich-Chef interessant. „Aufgrund des Fachkräftemangels werden die Unternehmen mittelfristig gezwungen sein, eigene Mitarbeiter auszubilden. Ich glaube nicht, dass sich der Ausbildungsschwerpunkt von den Universitäten auf die Unternehmen verschiebt, aber ein hoher Prozentsatz wird in den Unternehmen ausgebildet werden. Wir haben es dann aber selbst in der Hand, wie wir diese Bildungsprogramme gestalten, die vielleicht anders als die schulischen funktionieren, vielleicht auch effizienzgetriebener.

Reinhard Birke spricht unter anderem Low Code-Anwendungen, „die schon junge Menschen für den Programmierprozess begeistern. Vielleicht können wir in der Privatwirtschaft Tools und Methoden entwickeln, die dann auch von den klassischen Lehrbetrieben übernommen werden. Wenn sich der Fachkräftemangel so weiter entwickelt, müssen wir in starke Kooperationen gehen, um beiderseitig die Kapazitäten zu erhöhen. Ich glaube nicht, dass die Unis, Fachhochschulen und HTLs den Bedarf aus eigener Strukturkraft so rasch decken können, wie er entsteht. Daher muss es Hand in Hand mit Industrieunternehmen gehen.“

Geplantes Wachstum

Das derzeit rund 80 Personen starke Team aus IT-Experten und -Expertinnen bietet das Knowhow in jenen Domänen, die NTT DATA derzeit hauptsächlich betreut. Außerdem arbeitet die lokale Mannschaft eng mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen zusammen. „Das heißt, dass wir mit gemischten Teams zu den Kunden gehen und dort gemeinsame Projekte aufbauen.“ Was die physische Anwesenheit betrifft, so sieht Reinhard Birke einen gewissen Wandel: „In manchen Bereichen wird die physische Anwesenheit stärker verlangt als in anderen, aber auch hier ist eine gewisse Transformation spürbar. Wir beraten viel online, das funktioniert tadellos. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist dies sogar ein Vorteil.“

Der Österreich-Chef möchte in Österreich in den nächsten fünf Jahren auf mindestens 200 bis 300 Mitarbeiter wachsen. „Wir nehmen in Österreich Mitarbeitende auf, die in Österreich, aber auch DACH-weit arbeiten können. Ebenso ist eine globale Karriereentwicklung möglich – je nach individuellen Bedürfnissen oder Zielen. Das ist ein großer Vorteil eines Konzerns: Wir können auf individuelle Karrieren Rücksicht nehmen – je nachdem ob jemand gerade eine Familie gründen will oder eine internationale Karriere anstrebt. Ich muss beiden die jeweilige Chance bieten – aber immer unter einem gemeinsamen Ziel.“

NTT DATA hat in Graz und Innsbruck neue Niederlassungen gegründet, um näher am Kunden zu sein. „Der Schwerpunkt ist aber: Wir gehen dorthin, wo die Studierenden sind. Linz und St. Pölten sind natürlich auch relevant, aber diese Orte können wir sehr gut von Wien aus steuern. Mit Wien, Graz und Innsbruck haben wir nun ein sehr gutes Dreieck über Österreich gespannt.“

Der Artikel erschien in transform! 02/2022.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*