Die IT-Organisation ändert sich radikal

Die IT-Abteilung wird klein, schnell und spezialisiert sein. Mit ihrem heutigen Zustand wird sie nichts mehr gemein haben. Forrester zeigt Modelle für neue Strukturen auf. [...]

Der Unterschied wird gewaltig sein. Man muss ihn sich so vorstellen wie den optischen Gegensatz eines alten Telefons und eines Smartphones der jüngsten Generation. Fünf bis sieben Jahre wird es dauern, so Marc Cecere von Forrester Research, bis sich die IT-Organisation eines Unternehmens vollständig transformiert haben wird. Dem CIO untersteht dann eine Abteilung, die sich nicht radikal auf einen Schlag, sondern in vielen kleinen Schritten verändert hat. Sie wird dann vor allem durch drei Merkmale zu charakterisieren sein: klein, schnell und spezialisiert.
IT-Struktur: entweder Trumpf oder Bremse
Cecere malt diese Prognose in der Studie „The Future Tech Organization: Smaller, Faster, And More Specialized“ aus. Es geht selbstredend im Kern um eine Transformation, die durch die Digitalisierung und die mit ihr verbundene Kundenorientierung getrieben wird. Zur Verortung der Studie: Laut Forrester Research bedingt das Customer-Obsessed Operating Model (COOM) Veränderungen auf sechs Ebenen: Struktur, Kultur, Talent, Metriken, Prozesse und Technologien. Ceceres Studie widmet sich umfassend einer dieser Ebenen, nämlich der Struktur.
Eine Reorganisation der IT, um sie besser mit den Anforderungen der Business-Seite zu verstehen, steht immerhin auf der Agenda von gut 70 Prozent der Firmen weltweit. Das geht aus einer Forrester-Befragung von gut 18.600 Entscheidern hervor. Für 8 Prozent hat das Thema eine kritische Priorität, für 30 Prozent eine hohe, für 33 Prozent eine mittlere.
Zwischen Enabler und Barriere
Die Struktur der IT könne einerseits Dinge ermöglichen, so Cecere. Er zitiert dazu die Havard Business Review, die 2015 eine kundenzentrierte Struktur als Vehikel zum besseren Verständnis der Kunden, zum Knüpfen engerer Bande mit ihnen und zur größeren Kundenzufriedenheit beschrieb. Andererseits aber könne die Struktur eine Barriere sein. Etwa dann, wenn sie Gruppen separiere, die eigentlich zusammenarbeiten müssten. Oder wenn sie Sammelsurien bilde, deren Verschiedenheit nicht mehr zu managen sei.
5 Faktoren bestimmen die Zukunft
Forrester benennt fünf Faktoren, die die zukünftige Struktur von IT-Abteilungen bestimmen dürften:
  • 1. Größerer Business-Einfluss auf technologische Entscheidungen: In den vergangenen beiden Jahren ist laut Studie der Anteil an von den Fachbereichen geführten IT-Software- und Service-Käufen von 35 auf 39 Prozent gestiegen. Deshalb müsse die IT strukturell an Business-Aktivitäten beteiligt sein, damit Faktoren wie Skalierbarkeit und Sicherheit auch weiterhin in Planung und Realisierung berücksichtigt werden.
  • 2. Cloud-Einsatz auf globalem Niveau: Der Aufbruch in die Wolke führt zu einem geringeren Bedarf an internen technologischen Skills. Im Idealfall können auf Cloud-Basis veraltete Silostrukturen in Technologie und Prozessen aufgebrochen werden.
  • 3. Eine auf ausgewählten Services basierende Entwicklung: Monolithische Software-Plattformen genügen spezialisierten Anforderungen nicht mehr. Microservices in Verbindungen mit Schnittstellen zu etablierten Softwarepaketen bieten Flexibilität für jene Unternehmen, die sich mit passgenauen Lösungen von der Konkurrenz abheben wollen.
  • 4. Expansion von Agile und DevOps: „CIO müssen agile Governance-Strukturen schaffen“, heißt es in der Studie. „Und zwar mit schnelleren und flexibleren End-to-end-Antwortzeiten, die alle Systems of Engagement überspannen können.“
  • 5. Künstliche Intelligenz und kognitive Technologien: Forrester prophezeit, dass die meisten technologischen Funktionen durch Technologien wie Artificial Intelligence (AI), Roboter, Machine Learning und Natural Language Processing ergänzt oder gar ersetzt werden. Das werde zunächst bei einfachen Funktionen wie Backups passieren, später aber auch bei Change Management oder Transformation.
Viele kleine Teams von IT-Spezialisten
Die aus den genannten Entwicklungen resultierende kleinere Spezialisten-IT soll Werttreiber fürs Business sein und wird sich nach Ansicht von Forrester auf vielfältige Weise verändern. So seien Infrastrukturprozesse erste Automatisierungsziele für Software Engineers. Die Cloud werde insbesondere die Zahl der für Support benötigten Mitarbeiter reduzieren. Beim Rollenwandel werde der Akzent auf Governance, Technologie, Kunden und dem Ökosystem liegen.
Die Spezialisierung bei den Skills schlägt laut Studie in Feldern wie Relationship & Vendor Management, Data und Customer Experience durch. Karrierefortschritt werde nicht mehr davon abhängen, wie viele Leute man managen kann, sondern davon, wie ausgeprägt die Expertise in bestimmten Gebieten ist.
CIOs sollten Partnerschaften mit Universitäten, Think Tanks und Beratern eingehen
Für den CIO gibt es nach Ansicht Ceceres weitere konkrete Folgen. Denn vermutlich wird das angesprochene Spezialwissen nicht in Gänze in der eigenen Abteilung vorgehalten werden können. Der IT-Chef wird also Partnerschaften mit Dritten initiieren müssen – namentlich mit Universitäten, Think Tanks und Beratern.
Die Unterschiede zwischen Geschäft und IT verschwimmen zusehends. Forrester nennt als Indikator dafür, dass zwei Drittel der Unternehmen nach eigenen Angaben nur eine einzige, mehrjährige Roadmap sowohl für Business- als auch für IT-Prozesse haben. 2015 galt das nur für 54 Prozent der Firmen.
Die Studie zitiert als Gewährsmann außerdem Mike Murphy, Partner bei Infosys. Laut Murphy sind die Zeiten bald vorbei, in denen die IT vom Business mit der Definition und dem Bau von Anwendungen beauftragt wurde: „Stattdessen wird die IT ein Ökosystem von Providern bereit halten müssen, so dass die Enduser die gewünschten Apps jederzeit finden und verwenden können.“
Zerfall der IT in einen Frontend- und Backend-Teil
Auswirkungen hat das Verschwimmen der tradierten Grenzen laut Forrester auf die Berichtsstrukturen. Möglicherweise bleibe die IT eine unabhängige Abteilung, so Cecere. Möglicherweise zerfalle sie aber auch in einen Frontend- und einen Backend-Teil – und letzterer berichte dann an einer Shared Services-Abteilung.
Noch vor dem CEO jedenfalls wird der CIO als Anführer der geschäftlichen Transformation betrachtet. Vier von zehn Entscheidern äußerten gegenüber dem Analystenhaus diese Erwartung. „CIOs ohne Führungsvermögen werden marginalisiert werden, so dass jede Fachabteilung nach Gutdünken Software einkauft“, schreibt Cecere. „Führende CIOs hingegen benötigen die politischen Skills, um organisatorische Silos niederzureißen und das Unternehmen auf seine externe Kunden auszurichten.“
3 experimentelle Modelle
Der Analyst prognostiziert ferner, dass die Grenze zwischen digitaler und nichtdigitaler Welt verschwinden wird, je mehr sich Unternehmen von alten Systemen verabschieden. Als Vorbilder für mögliche neue Strukturen der IT gebe es drei experimentelle Modelle:
  • 1. Broker/Integrator/Orchestrator: Forrester beruft sich hier auf ein Modell von KPMG, nachdem die IT der Zukunft aus drei Elementen besteht. „Broker“ verbinde Business-Anforderungen mit Service-Optionen; „Integrate“ kombiniere Daten und Services aus internen und externen Quellen; „Orchestrate“ steuere und überwache die Service-Lieferung.
  • 2. Kontinuierliche Business-Services: IT- und Business-Profis arbeiten gemeinsam an Planung, Design und Kontrolle von Geschäftsprozess-Clustern wie Kundendienst, Event-Marketing oder Rechnungswesen. Anders als gängige Projektteams arbeiten diese Teams auf Dauer zusammen, sind aber nicht mit der System-Implementierung befasst.
  • 3. Interne Beratung: Hochspezialisierte Teams gibt es auch jetzt schon in diversen Unternehmen. Als „Data Centers of Excellence“ oder „exzellente Design-Teams“ kümmern sie sich um herausfordernde Angelegenheiten wie Projektmanagement oder um alles, was mit Agilität zu tun hat. Künftig lässt sich dieser Ansatz unter Umständen auf nicht ausgelagerte oder automatisierte Felder ausdehnen – zum Beispiel aufs Service Management.
Mit kurzfristigen Maßnahmen starten
Um den mittelfristigen Wandel anzugehen, empfiehlt Forrester den CIOs eine Handvoll kurzfristiger Maßnahmen. Dazu gehört ein Upgrade ausgewählter Schlüsselrollen und -prozesse wie Architektur, Vendor Management und Mobile Design. Ferner raten die Analysten zur Anpassung der Berichtsstrukturen und zur Mobilisierung des Vorstands für die Definition der künftigen Struktur.
Zum Aufbau von Datenplattformen merkt Cecere an, dass CIOs Daten für zwei Zwecke benötigen: zum einen zum besseren Verständnis der Kunden, zum anderen für das Ausbalancieren von Konflikten im Ressourcen- und Portfolio-Management. Beim Aufbau einer selbstständigen digitalen Struktur ist zu bedenken, dass irgendwann auch die Transformation der nichtdigitalen Struktur erfolgen muss.
* Werner Kurzlechner schreibt für CIO.de.

Mehr Artikel

News

Internationale Konferenz zeigt den Weg zur datengetriebenen Zukunft

Am 13. November 2024 fand im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) die Global Data Spaces Connect 2024 (GDSC24) statt, eine internationale Plattform, die Akteur:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung zu einem Austausch über den aktuellen Stand und die Zukunft der Datenräume (Data Spaces) zusammenbrachte. […]

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*