Die KI-Megatrends für 2025

Joe Novak, Chief Innovation Officer beim KI-Sprachdialogsystemhersteller Spitch AG, hat die zwei Megatrends beim Einsatz generativer KI für 2025 identifiziert: Multimodale Modelle und Agentic AI. [...]

Josef Novak ist Chief Innovation Officer bei Spitch. (c) Spitch

Multimodale KI auf dem Vormarsch

„Die neue Generation der Large Multimodal Models (LMMs) kann Texte, Bilder, Videos und Sprache integrieren“, erklärt Joe Novak. „Das geht weit über die bis vor kurzem dominierenden, überwiegend Text­basierten Systeme hinaus.“ Beispielhaft nennt der oberste Innovationschef von Spitch die multimodalen KI-Dienste von Google, OpenAI und Anthropic sowie DeepSeek. Aber auch Open Source halte Schritt mit Modellen wie Alibabas QVQ-72B Preview und Metas Llama 4 mit einem Fokus auf „Sprache und Denken“.

Bedeutende Fortschritte macht Joe Novak auch bei visueller KI aus und verweist beispielhaft auf Metas Segment Anything Model (SAM) mit neuartigen Anwendungen beim Videoediting, in der Forschung und im Gesundheitswesen. Gleichzeitig habe das ARMOR-System von Carnegie Mellon und Apple dank verteilter Tiefensensoren die räumliche Wahrnehmung von Robotern verbessert, wodurch Kollisionen um fast 64 Prozent reduziert und Daten 26-mal schneller im Vergleich zu herkömmlichen Methoden verarbeitet würden.

Auch Sprachsysteme machen laut Novak zügig Fortschritte. Modelle wie Hertz und Kyutais Moshi erreichten beeindruckende Reaktionszeiten – in einigen Fällen unter 120 Millisekunden – und versprechen immer natürlichere Interaktionen. „Dennoch bestehen Herausforderungen“, so Novak. Er bezeichnet die Sprachpersonalisierung, die Kontextbeibehaltung und die Inferenzkosten als „weiterhin kritische Probleme, an denen wir und sicherlich auch andere in der Branche arbeiten“.

Agentic AI: KI im „Autonom-Modus“

Als „Agentic AI“ bezeichnet der Chief Innovation Officer von Spitch KI-Systeme, die bis zu einem gewissen Maß in der Lage sind, autonom zu handeln, Entscheidungen zu treffen und Ziele zu verfolgen, oft in einer Weise, die an menschliches Verhalten und Entscheidungsfindung erinnere. Joe Novak spricht von einem grundlegenden „Wandel in der Funktionsweise“ von LLMs, indem diese kontrollierten Zugang zu Arbeitsabläufen und anderen Systemen erhalten. Vor allem in Contact Centern kristallisierten sich die Vorteile dieser teilautonomen KI heraus. Er führt aus: „Im Gegensatz zu traditionellen AI Contact Center Agents, die hauptsächlich als Dialog­schnittstellen dienen, arbeiten Agentic-AI-Systeme entlang eines Kontinuums integrativer Fähig­keiten. Diese Entwicklung ermöglicht es ihnen, reale Probleme über ihre Trainingsdaten hinaus zu lösen, indem sie mit externen Systemen interagieren.

Drei Stufen der KI-Autonomie

Novak macht dabei drei verschiedene Stufen der Autonomie aus: niedrig (LLMs generieren Textantworten auf Benutzereingaben), moderat (LLMs klassifizieren und leiten Anrufe weiter, rufen Kundendaten ab oder interagieren mit Systemen etwa zur Bestellabfrage oder FAQ-Fragen­beantwortung) und hoch (LLMs verwalten selbstständig Gesprächsverläufe, initiieren oder beenden Interaktionen und treffen Echtzeitentscheidungen basierend auf Zielen). Der KI-Experte führt exemplarisch die Stellungnahme „AI Agency ist ein Spektrum“ der Gartner Group zu diesem Thema an. Darin wird beschrieben, wie sich Agentic AI an verschiedene Geschäftsbedürfnisse anpassen kann.

Joe Novak erläutert anhand des KI-basierten Sprachdialogsystems von Spitch: „Die vereinheitlichte Spitch-Plattform bietet hochautonome Lösungen wie den Agent Coaching oder Voice Assistant und Chatbot, die sich durch anpassbare natürliche Antworten und fortschrittliche Anrufweiterleitung auszeichnen. Gleichzeitig führen Tool-integrierte Systeme wie Agent Assist und Speech Analytics eine komplexe Hinter-den-Kulissen-Automatisierung für Live-Interaktionen und nachträgliche Gesprächsanalysen durch. Spitch ist damit bei Agentic AI schon weit fortgeschritten.“

Novak prognostiziert, dass die Anwender 2025 zügig zahlreiche neue Einsatz­möglich­keiten für Agentic AI finden und ausprobieren werden. „Die Unternehmen müssen die für ihren Markt richtige Balance zwischen Automatisierung, Effizienz und Kundenerfahrungen herausfinden“, sagt Joe Novak. Er ergänzt: „Beim Verkauf teurer Waren und Dienstleistungen wird vermutlich das zügige Durchstellen zum richtigen menschlichen Ansprechpartner erfolgsentscheidend sein, während bei vergleichsweise billigen Angeboten die möglichst weitgehende Automatisierung aller Anfragen im Vordergrund stehen dürfte.“

Contact Center: Von der Notfallstelle zum Profit Center

Nach Einschätzung von Novak wird 2025 ein Wandel bei der Bewertung von Contact Centern beginnen, weg von Kostenstellen, wie sie bislang häufig betrachtet werden, hin zu Geschäfts­treibern, die im direkten Kundenkontakt Umsatz und Gewinne generieren. „KI spielt bei diesem fundamentalen Wandel eine zentrale Rolle“, ist sich Joe Novak sicher. Dennoch werde sich Agentic AI nicht „über Nacht“ ausbreiten.

Der Spitch-Visionär ist auch Realist: „Die Vorbehalte vieler Verbraucher gegenüber dem KI-Einsatz in Firmen sind unübersehbar. Aktuelle Umfragen fördern eine Skepsis-Quote von 75 Prozent zutage. Das sind indes über 10 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Die Entwicklungsrichtung ist also klar und in wenigen Jahren werden alle Contact Center mit KI arbeiten. Aber diejenigen, die heute schon damit beginnen, verschaffen sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.“ Im Praxiseinsatz könnten KI-Dialogsysteme heute schon bis zu 80 Prozent aller Routineanfragen übernehmen.

Inference und EU AI Act bleiben Herausforderungen

Die sogenannte Inferenz (Inference) ist nach Einschätzung des KI-Experten ein Engpass bei der Einführung von künstlicher Intelligenz im großen Stil. Mit dem Fachausdruck bezeichnet man den Prozess, bei dem ein trainiertes KI-Modell neue Daten analysiert und Vorhersagen oder Entscheidungen basierend auf diesem Training trifft. „Das Gelernte zügig und richtig anzuwenden fällt den Maschinen genauso schwer wie gelegentlich uns Menschen“, verdeutlicht Novak. Mit spezialisierter KI-Hardware für Echtzeit­anwendungen ließen sich teilweise KI-Inferenz­geschwindig­keiten erreichen, die bis zu 70 mal höher seien als auf Standardservern. Verteilte KI-Computing­strukturen auf Basis von Standard­gerät­schaften wertet er als eine mögliche Alternative.

Hinzu komme in Europa die Herausforderung des neuen EU AI Act. „Die Regulierung ist klar, aber die Frage, wie sich die Compliance mit dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelwerk herstellen und vor allem auch nachweisen lässt, ist noch weitgehend ungelöst“, meint Novak. „Es wird zu den großen Herausforderungen des Jahres 2025 gehören, Compliance-Benchmarks zu entwickeln, die die Auslegung der Gesetzgebung mit praktischen Bewertungsmethoden in Einklang bringen, so dass Sicherheit und Innovation Hand in Hand gehen können.“


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