Die Krise als Chance: Corona und die Digitalisierung

Dass sich die Welt mitunter schnell dreht, war IT-Verantwortlichen immer schon bewusst. Dass es jedoch so schnell gehen kann, damit konnte Ende letzten Jahres niemand rechnen. Das Corona-Virus hat deutlich gemacht, dass auch scheinbare Selbstverständlichkeiten nicht in Stein gemeißelt sind, das betrifft nicht nur das Leben allgemein, sondern insbesondere auch die Wirtschaft. [...]

Die Auswirkungen auf den österreichischen IT-Markt sind momentan schwer abzuschätzen. (c) Adobe Stock/AA+W

Unternehmen müssen sich aus der Not heraus intensiv mit Themen wie Digitalisierung, Vertrieb, Events, Kommunikation und Collaboration befassen. Letzten Endes bietet die aktuelle Krise, trotz der vielerorts schlimmen Umstände, aber auch Chancen.

Viele kleine Betriebe wie Restaurants oder Läden sind aktuell geschlossen, zahlreiche Existenzen und Arbeitsplätze werden Corona unglücklicherweise zum Opfer fallen. Glück hat, wer seinen Arbeitsplatz ohne größere Probleme ins Home-Office verlagern kann, aber in Branchen wie Produktion, Transport oder Tourismus beispielsweise ist dies nur eingeschränkt möglich. Da hat es die IT-Branche auf den ersten Blick durchaus leichter. Viele Arbeiten erfordern keinen festen Ort oder Zeit, moderne Collaboration-Werkzeuge ermöglichen Team-Treffen im virtuellen Raum. Server, Storage und Netzwerk lassen sich mit den entsprechenden Vorkehrungen auch „remote” warten oder einrichten.

Enterprise-IT kauft man nicht Online ein

Aber auch in der IT stehen Firmen vor Herausforderungen, mit denen niemand gerechnet hatte und für die es daher auch keine Notfallpläne gibt. Vergleichsweise einfach gestaltet sich der Handel mit Software-Lizenzen oder Standard-Hardware. Software wird heute ohnehin in aller Regel als Download angeboten und Geräte wie Laptops, Headsets oder Webcams lassen sich über diverse Online-Shops ordern – wenn es noch welche gibt, denn die Home-Office-Welle hat hier für eine Verknappung und lange Lieferzeiten gesorgt. Nicht nur Atemmasken, Desinfektionsmittel, Schutzkleidung und Toilettenpapier sind derzeit schwer zu bekommen.

Anders sieht die Sachlage für Unternehmen wie Hitachi Vantara aus, die Enterprise-Systeme anbieten, die nicht selten sechs- oder gar siebenstellige Summen kosten. Solche Produkte werden nicht „von der Stange” gekauft, hier gibt es großen Erklärungs- und Beratungsbedarf, die Systeme müssen sich meist auch in heterogene Umgebungen integrieren lassen. Hinzu kommt: Anders als Laptops werden etwa Storage-Systeme über viele Jahre genutzt und lassen sich nicht nur mit aktuellen, sondern auch mit zukünftigen Technologien ausbauen. Investitionen dieser Größenordnung und Tragweite erfordern viel Zeit für Analysen, Tests und Projektplanung. Ausschließlich remote, via Telefon oder Videokonferenz ist das nur schwer realisierbar.

Herausforderung im Vertrieb

Für Bestandskunden stehen unsere Vertriebs- und Support-Mitarbeiter weiter zur Verfügung, Unterstützung kann per Telefon oder Videokonferenz ohne größere Einschränkungen geleistet werden. Aber aktuell ist der Gesprächsbedarf seitens der Kunden gering, genauso wie deren Erreichbarkeit. Nachvollziehbar, denn wer außerhalb seiner gewohnten Arbeitsumgebung dafür sorgen muss, dass „der Laden läuft”, sich eventuell mit seinem Partner einen Arbeitsplatz teilen und parallel die Kinder beschulen muss, hat gerade ganz andere Prioritäten.

Vielleicht wird der ein oder andere jetzt auch froh darüber sein, dass die Hitachi-Systeme in seinem Rechenzentrum stoisch ihre Arbeit verrichten und daher kein Kontakt zum Support von Nöten ist. Wichtige Projekte, die kurz vor dem Abschluss standen, konnten wir trotz der Krise alle abschließen, was mich sehr freut. Ich hoffe natürlich, dass sich die gesamte Situation bald entspannt und wir irgendwann wieder zur Normalität zurückkehren können, aber mit Bestandskunden kommen wir bestimmt durchaus einige Wochen und Monate auch so zurecht.

Das ist bei der Neukundenakquise jedoch leider anders. Bei unseren Enterprise-IT-Produkten setzt die Akquise eines neuen Kunden umfangreiche Beratung voraus und diese findet nun einmal in Teams und meist vor Ort statt. Aber Vor-Ort-Termine sind bis auf Weiteres gar nicht oder nur eingeschränkt möglich – und offenbar haben die meisten Kunden aktuell auch ganz einfach andere Sorgen. Ein weltweit tätiges Unternehmen wie Hitachi steht eine solche Krise durch, Sorgen bereiten mir da eher die vielen kleineren Anbieter oder Systemhäuser, die kurzfristig Probleme mit dem Cashflow bekommen können.

Auswirkungen für die österreichische IT-Branche

Die Auswirkungen auf den österreichischen IT-Markt sind momentan schwer abzuschätzen. Einerseits fehlen Erfahrungswerte, andererseits kann auch noch niemand die weitere Entwicklung der Virus-Pandemie absehen. Es ist aber durchaus möglich, dass die IT-Branche insgesamt mit einem blauen Auge davonkommt. Anbieter wie Slack, Microsoft mit Teams oder Zoom profitieren aktuell massiv vom Trend zum Home-Office, das gilt auch für Hersteller von notwendigem Equipment. Auch die Anbieter von Enterprise-IT könnten profitieren, wenn der Trend anhält, Unternehmen mittelfristig auf das Home-Office setzen und dafür die Infrastruktur ausbauen.

Sind Messen und Konferenzen noch zeitgemäß?

Intern setzt Hitachi als internationaler Konzern gefühlt schon ewig auf Telefon- oder Videokonferenzen und Home-Office mit mobilen Rechnern. Für den Remote-Zugriff auf Dateien können Mitarbeiter schon seit Jahren die eigene Lösung HCP Anywhere einsetzen. Aber manchmal ist der persönliche Kontakt und die Zusammenkunft mit dem Team doch hilfreich und wünschenswert. Es ist aber durchaus möglich, dass sich die Balance verändert und auch zukünftig weniger Zeit im Office verbracht wird.

Webinare und virtuelle Events werden die etablierten Messen und Konferenzen nicht komplett ersetzen. Der 2tägige CIO-Kongress, der jedes Jahr im Oktober stattfindet, verdeutlicht dies. Hier kommen trotz des wirtschaftlichen Drucks und der begrenzten Zeit, die Entscheidern heute zur Verfügung steht,  immer wieder knapp 250 CxO’s der wichtigsten Unternehmen zusammen. Und vor allem, es werden nicht weniger sondern über die Jahre immer mehr. Das zeigt, wie wichtig auch die Kundenseite die Kommunikation mit Herstellern nimmt und auch den Austausch untereinander.

Allerdings wird bei der Aufarbeitung der Corona-Krise sicherlich genau analysiert werden, welche Events oder Meetings ohne Probleme auch virtuell stattfinden können und welche Geschäftsreisen eher eine Verschwendung wertvoller Ressourcen sind. Kurz gesagt: Der Mix wird sich ändern und vor allem viele kleinere Events werden künftig digital stattfinden. Aber ganz ohne persönlichen Kontakt und Networking wird es nicht gehen. Vertrieb und Kundenbetreuung basieren am Ende des Tages eben nicht nur rein auf Zahlen und Technik, der menschliche Faktor spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das gilt vor allem auch für die Zusammenarbeit unseres eigenen Teams.

Der Autor Alexander Spörker ist Geschäftsführer von Hitachi Vantara Österreich.


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