Die Zukunft gehört der künstlichen Intelligenz und der Robotik. Derzeit macht eine neue Generation autonomer Serviceroboter von sich reden. Die schlauen Flitzer sorgen in Fabriken und Lagern für bessere und schnellere Abläufe. [...]
Roboter sind nichts Neues. Schon seit den 60er Jahren sind sie fester Bestandteil der Produktionsstraßen in den Autofabriken. Doch jetzt kommt durch mobile Geräte mit intelligenter Steuerung Bewegung in den Markt. Sie transportieren Waren in Fabriken und Lagern, ohne dass dafür vorher Drähte oder Magnete verlegt werden müssen. Das ist bei den flurgesteuerten „Automated Guided Vehicles“ (AGVs) der Fall, die Güter auf zuvor festgelegten Routen bewegen.
Die jetzt aufkommenden „Autonomous Mobile Robots“ (AMR) sind indes vollgepackt mit Sensoren, Kameras und Onboard-Computern, die ihnen helfen, ihre betriebliche Umgebung zu erfassen und sich sicher darin zu bewegen. Sie navigieren anhand von eingebauten Kartenmaterialien und Sensoren dynamisch. Sie umkurven Menschen, Gegenstände, andere Fahrzeuge und optimieren ihre Routen dabei selbständig. Auf Wunsch folgen die AMRs auch den Menschen auf Schritt und Tritt, was zum Beispiel beim Befüllen von Regalen Sinn geben kann.
Schränke auf Rädern
Zu den interessanteren AMRs gehört der „TUG Robot“ von Aethon. In US-Kliniken ist dieser digitale Helfer auf Rädern auf dem Vormarsch. Er transportiert ohne menschliches Zutun Medikamente, Essen und medizinisches Zubehör durch die Krankenhausgänge und -etagen. Zunehmend kommt der TUG Robot auch in Fabriken und bei Assemblierern von Elektronikprodukten zum Einsatz.
Die Analysten von IDC haben im April 2017 ein Reifegradmodell für autonome mobile Indoor-Roboter veröffentlicht. Die Level reichen von null bis vier, wobei der TUG Robot bereits den höchsten Level vier erreicht. Damit wird ihm attestiert, dass er sich autonom in Räumen und Fabrikhallen bewegen kann, dabei Hindernissen und Menschen ausweicht und seine Routen selbsttätig optimiert. Er ist integriert mit den fabrikinternen Systemen, kann Türen und Aufzüge öffnen und viele Aufgaben ohne menschliche Interaktion meistern.
Zudem kommuniziert er mit den anderen Robotern in der Halle sowie mit angeschlossenen Devices, um Ende-zu-Ende-Prozesse flexibel zu unterstützen. Roboterflotten, die Level vier entsprechen, sind an ein Überwachungssystem angeschlossen, dass Anomalien erkennt und im Falle von Ausfällen für Ersatz sorgt.
Aufwendige Implementierung
Bevor ein TUG Robot eingesetzt werden kann, muss allerdings erst einmal das Implementierungsteam von Aethon anrücken und eine Art digitale Landkarte des Einsatzortes erstellen. Diese grafische Übersicht wird einschließlich der vorgesehenen Routen, einem Verzeichnis automatischer Türen, Aufzüge, Ladestationen und nicht zuletzt der festgelegten Lieferpunkte in den Onboard-Computer des TUG einprogrammiert.
Anwender können über Displays die Lieferpunkte festlegen – auch in einer gewünschten Reihenfolge. Via WLAN kommuniziert der Roboter mit Fahrstühlen, Türen und Alarmsystemen sowie mit dem zentralen „Cloud Command Center“, jenem Überwachungsraum, den IDC als verbindlich für Level-4-Systeme nennt. Aethon kann darüber alle bei Kunden eingesetzten Roboter rund um die Uhr beobachten, Ausfälle proaktiv durch Fernwartung verhindern und die Kunden bei Unregelmäßigkeiten informieren.
Fetch für die Lagerwirtschaft
Ein anderer Hersteller ist Fetch Robotics, spezialisiert auf Roboter für den Einsatz in Lagern. Das Unternehmen bietet ganze Systeme an, die neben mobilen Robotern für den Materialtransport auch Ladestationen sowie eine Software für das Flotten-Management namens „FetchCore“ umfassen.
In der Software lassen sich die lagerinternen Workflows festlegen, also Lieferstationen, bevorzugte Routen, detaillierte Geschwindigkeitsvorgaben oder auch „Keep-out-Zonen“ hinterlegen. Fetch bietet seinen Kunden an, das Realtime-Monitoring selbst in die Hand zu nehmen und über ein API die Steuerung der Roboter auch aus anderen Systemen heraus zu realisieren.
Zur Kategorie solcher Delivery Robots gehört auch der „LoweBot“ von der US-Einzelhandels- und Heimwerkerkette Lowe’s und Fellow Robots. Er soll Kunden, aber auch Mitarbeiter in großen Märkten unterstützen, beraten und führen. Der LoweBot ist zu einer einfachen natürlichsprachigen Konversation fähig. Kunden kann er durch die Regalschluchten leiten, zu ihren Wunschprodukten führen und mit Produktinformationen versorgen. Mitarbeitern hilft er, die Inventur entlang der Regale vorzunehmen und herauszufinden, ob Produkte auf Lager sind oder nachbestellt werden müssen.
Gita und Kilo – die neuen Roller
Mit einem Roboter der besonderen Art hat zu Jahresbeginn auch Piaggio auf sich aufmerksam gemacht. In Boston, Massachusetts, betreibt der Hersteller der kultigen Vespa-Roller sein Entwicklungszentrum Piaggio Fast Forward, in dem sich Ingenieure mit der Mobilität der Zukunft beschäftigen. Dort entstanden die autonom fahrenden Transportvehikel „Gita“ und – für schwerere Lasten – „Kilo“. Beide sind noch nicht serienreif. Die Transporter bestehen aus einer Box, die zwischen zwei 66 Zentimeter hohen Rädern sitzt.
Wie beim Segway sorgt beim Gita eine intelligente Steuerung dafür, dass das Gleichgewicht gehalten wird. Die lernenden Vehikel können Menschen zu Fuß oder auf dem Fahrrad folgen und die Beförderung ihrer Lasten übernehmen. Sie erkennen Hindernisse, reagieren auf Umgebungsparameter und lernen ständig dazu. Piaggio arbeitet derzeit an B2B-Einsatzszenarien.
Die hat Rethink Robotics für seinen „Baxter Robot“ längst entwickelt. Anders als klassische Fertigungsroboter ist Baxter so intelligent, dass er sich auf Abläufe in seiner Umgebung einstellen kann. Damit lässt er sich im unmittelbaren Arbeitsbereich von Menschen einsetzen und kann diese bei repetitiven Tätigkeiten entlasten. Besonders smart: Arbeiter vor Ort können Baxter direkt und ohne Code programmieren. Sie zeigen dem Roboter, wie eine Aufgabe erledigt wird, und Baxter ahmt sie nach.
* Heinrich Vaske ist Editorial Director von COMPUTERWOCHE und CIO.
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