Die Top 10 der missbrauchten IT-Buzzwords

Hype-Jargon ist im Technologiesektor Usus. Diese IT-Buzzwords werden am schlimmsten missbraucht. [...]

Manche Münder sollten geschlossen bleiben, um der missbräuchlichen Verwendung von IT-Buzzwords Einhalt zu gebieten (c) pixabay.com

Die Tech-Branche leidet mehr als jede andere Branche unter „Jargon-Overload“: Anbieter und Berater werden einfach nicht müde, Lösungen mit kunstvollen Verbalergüssen in den Himmel zu heben, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Manchmal treffen diese Wortarien ins Schwarze – in den meisten Fällen werden jedoch einfach nur Phrasen und Buzzwords zu Marketing- und Sales-Zwecken in den Raum geworfen, die entweder grenzwertig schwammig sind oder schlicht missbräuchlich verwendet werden.

Wenn eine Idee den Durchbruch schafft, versuchen die Anbieter mit vagen Euphemismen IT-Entscheider davon zu überzeugen, dass es sich um das „Next Best Thing“ handelt. Sätze wie „Wir sind das Netflix des…“ oder „Wir liefern die Cloud als Innovationsplattform…“ haben Sie sicher auch schon ertragen müssen.

„Buzzwords nehmen als starke Ideen ihren Anfang“, meint Matt Seaman, Director und Chief Data Analytics Officer bei Lockheed Martin. „Das wird spätestens dann problematisch, wenn diese Begriffe immer weiter verwässert werden.“

Allerdings müssen sich diesbezüglich auch viele CIOs an die eigene Nase fassen. Schließlich präsentieren viele Entscheider ihre IT-Organisation als agil oder behaupten, sie würden Machine Learning einsetzen, obwohl davon eigentlich keine Rede sein kann.

Das Buzzword-Ranking der CIOs

Wir haben mit einigen IT-Experten und CIOs gesprochen und sie gebeten, die IT Buzzwords zu benennen, die ihrer Meinung nach am häufigsten leiden müssen. Das sind die Ergebnisse.

1. Digital Transformation

CIOs und die Digitale Transformation verbindet eine Hassliebe. Schließlich wird der Begriff nur allzu gerne als Allheilmittel genutzt, wenn es um die Modernisierung von Legacy-geprägten Unternehmen geht. „Haben Sie schon von dieser neuen SaaS-Lösung gehört? Sie macht die digitale Transformation zum Kinderspiel!“

Der Begriff an sich ist bereits problematisch, impliziert er doch, die Technologie um der Technologie Willen einzuführen. Dabei sollten IT-Entscheider eher das große Ganze – also die durch Menschen, Prozesse und Technologien gleichermaßen getriebene Business Transformation – im Blick haben, wie Mark Bilger, CIO beim Healthcare-Servicedienstleister One Call, meint: „Digitale Lösungen transformieren das Business nicht wie von Zauberhand. Ein Idiot mit Tools bleibt ein Idiot.“

2. Change Management

Change Management wird oft als eine der größten Herausforderungen der digitalen Transformation angeführt. Ein Umstand, der Jenny Gray, Senior Directopr of Application Development bei Power Home Remodeling, auf die Palme bringt. Schließlich sei der Hinweis, dass Unternehmen großangelegte Change-Programme und -Strategien brauchen, längst nicht mehr zeitgemäß, so die IT-Expertin: „Mit Blick auf die Zukunft sollte Change längst kontinuierlich stattfinden und die Workforce möglichst flexibel sein.“

3. Agile

Agile Softwareentwicklung bietet viele Vorteile, die Unternehmen fexibler machen können. Allerdings geht One Call CIO Bilger davon aus, dass nur rund ein Drittel der Teams, die von sich behaupten, agil zu entwickeln, das auch wirklich, beziehungsweise richtig tun: „Viele machen einfach ihr ganz eigenes Ding – oft auch ohne Dokumentation.“

4. DevOps

Das DevOps-Konzept erfordert eine enge Kooperation von IT und OT, leide in der Praxis jedoch im Wesentlichen unter einem Problem, wenn es nach Brittany Woods, Cloud Automation Engineer bei H&R Block, geht. Sie kenne einige Unternehmen, die DevOps zwar „irgendwie“ in die Cloud-Migration eingebaut hätten, allerdings ohne dabei ihre Prozesse entsprechend zu verändern. Die Anbieter wären in dieser Situation ebenfalls keine Hilfe, so die Cloud-Expertin: „Die Definition von DevOps wird zunehmend verwässert. Der Begriff sollte endlich nicht mehr in falschem Kontext gebraucht werden.“

5. Minimum Viable Product

Regelmäßig missbraucht wird auch das Minimum Viable Product (MVP). Es hat sich inzwischen zum Lieblings-Buzzword gemausert, wenn es darum geht, Produkte möglichst schnell auf den Markt zu werfen zu wollen.

Allzu oft diene MVP als Bezeichnung für einen technischen Proof-of-Concept, meint Matt Seaman: „Es ist zwar wichtig, ein Produkt schnell in die Hände des Endbenutzers zu befördern, aber ein MVP ist nicht komplett ohne die Verbesserung des Produkts auf Grundlage von User Feedback. Dabei ist ein weiteres Problem, dass der Kostenfaktor eines MVP – und nicht sein Mehrwert – zu häufig in den Vordergrund gerückt wird.“

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6. Künstliche Intelligenz

Mike McNamara, CIO des US-Einzelhändlers Target, plädiert für eine Abschaffung des Begriffs „künstliche Intelligenz“. Der Grund: mangelnde Intelligenz.

„Beim Thema KI wird oft von der Machtübernahme der Maschinen fantasiert, dabei geht es in den meisten Fällen, in denen sich Menschen über KI austauschen, um große, dumme Maschinen, die gut im Multiplizieren und Addieren sind“. Er bevorzuge für intelligente Software, die sich auf Grundlage von Trainingsdaten selbst optimiert, den Terminus Machine Learning, stellt der Manager klar.

7. Machine Learning

Doch auch Machine Learning (ML) ist ein Begriff, der häufig missbraucht wird. Viel zu viele Lösungen, bei denen es im Kern nur um Automatisierung geht, würden als „ML“ vermarktet, beobachtet One-Call-CIO Bilger: „Das ist nicht zu vergleichen mit spezialisierten Applikationen, die echte Business Insights und -Mehrwerte generieren können.“

8. 5G

Auch diese beiden Buchstaben sind besonders anfällig für Terminologie-Missbrauch. Davon ist auch Matt Clair, CIO des Veranstaltungstechnikunternehmens Clair Global, überzeugt: „Jeder redet von 5G, aber 90 Prozent der Leute wissen überhaupt nicht, wovon sie da sprechen“, meint der Manager.

9. Extended Reality

Weder Virtual noch Augmented Reality waren scheinbar ausreichend, um immersive Technologien zu beschreiben. Deswegen wird jetzt auch ziellos mit dem Dachbegriff Extended Reality (XR) um sich geworfen, wie Ben Harris, Network Architect bei Clair Global, weiß: „In meiner Gegenwart wurde bereits ein Video Livestream als XR bezeichnet.“

10. Disruptive Technologien

Dass Drohnen, Autonomes Fahren, XR und Blockchain gemeinhin als „disruptiv“ gelten, ist für den Target CIO ein kontinuierliches Ärgernis: „Es gibt derzeit keine disruptiven Technologien. Schließlich ist das Hauptmerkmal von Disruption, dass man sie nicht kommen sieht. Blockchain ist zum Beispiel viel mehr eine Evolution als eine Revolution. Change nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch, als die Leute denken“, sagt McNamara. 

*Clint Boulton ist Senior Writer bei der US-Schwesterpublikation cio.com.


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