Der Webbrowser ist eines Ihrer wichtigsten Tools. Wir haben die wichtigsten Webbrowser angeschaut und sie auf ihre Nutzbarkeit in Sachen Datenschutz überprüft. [...]
Wie auch in der physischen Welt variiert die Definition von Privatsphäre von Nutzer zu Nutzer. Kein Wunder: Der Begriff ist weitreichend und beinhaltet sehr unterschiedliche Dinge, die oft wenig miteinander zu tun haben. Das kann auch für Verwirrung sorgen. Bestes Beispiel dafür sind die «Privatsphäre»-Einstellungen in Facebook. Diese drehen sich um Ihre Privatsphäre anderen Facebook-Nutzern gegenüber. Ihre Privatsphäre gegenüber Facebook oder Werbeanbietern auf der Plattform bleibt davon unberührt. Sie sollten also zunächst folgende Fragen klären:
- Welche Daten will ich schützen?
- Vor wem will ich mich schützen?
- Wie viel Aufwand will ich betreiben?
Haben Sie diese drei Fragen beantwortet, können Sie besser abschätzen, welche Software für Sie am meisten Sinn ergibt.
Beim Webbrowser ist die Frage nach den Daten etwas einfacher als bei Facebook: Alles, was Sie über den Browser erledigen, ist möglicherweise betroffen. Das kann von sozialen Medien über E-Banking bis hin zur Steuererklärung reichen. Vor wem Sie sich schützen möchten, umfasst Werbeanbieter, Tech-Giganten, die Browserhersteller, Regierungen oder auch einzelne Websites. Beim Aufwand geht es oftmals um einen Kompromiss. Denn Privatsphäre kommt bei moderner Software oftmals auf Kosten von Funktionalität und benötigt ein gewisses Maß an Arbeit, um umgesetzt zu werden.
Die Großen
Das Angebot an Webbrowsern ist beinahe endlos. Wir haben uns deshalb auf einige der wichtigsten Vertreter beschränkt. Da wären zunächst die vier «Großen», also die vier Browser mit den meisten Nutzern. Sie kommen zusammen auf rund 90 Prozent Marktanteil. Dahinter fallen noch etwa 4,5 Prozent auf den veralteten Internet Explorer und etwa 3,5 Prozent auf die drei größten chinesischen Browser, die bei uns kein Thema sind. Dadurch bleiben nur noch etwa 2 Prozent für den restlichen Markt. Und auch unter den Großen sind die Machtverhältnisse klar verteilt:
- Google Chrome: 69,53 %
- Microsoft Edge: 9,71 %
- Mozilla Firefox: 7,15 %
- Apple Safari: 3,92 %
Das sind die Zahlen für Desktop-Browser laut dem Marktforscher NetMarketShare im Oktober 2020. Zählt man zusätzlich die mobilen Webbrowser dazu, kann vor allem Apple sich verbessern. Folgend die Zahlen der mobilen Webbrowser des Marktforschers StatCounter im November 2020:
- Google Chrome: 63,58 %
- Apple Safari: 19,19 %
- Mozilla Firefox: 3,82 %
- Microsoft Edge: 2,97 %
Bemerkenswert an den mobilen Webbrowsern ist auch der Marktanteil von Samsung Internet. Mit 3,52 Prozent liegt der Standardbrowser der Samsung-Smartphones auch ohne Desktop-Variante noch vor Edge und nur knapp hinter Firefox. Schauen wir uns nun aber die einzelnen Webbrowser an und wie gut sie die Privatsphäre schützen.
Google Chrome
Hersteller: Google (google.de/chrome)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Chrome OS, Android, iOS
Lizenz: proprietär, basierend auf OpenSource-Komponenten
Engines: Blink, V8
Googles Chrome–Browser wurde aus einem Grund populär, Bild 1. Der Browser erschien in einem Markt, in dem das Gros der Anwender mit dem Internet Explorer unterwegs waren, während nerdigere Nutzer sich mit einem vielseitigen, aber tendenziell langsamen Firefox herumschlugen. Chrome war schneller und simpler, perfekt für die damalige Zeit.
2021 sieht die Lage etwas anders aus. Chrome dominiert den Browsermarkt und viele kleinere Browser sind auf den großen Google-Thron aus. Und oftmals versuchen es die kleineren Player über die Privatsphäre. Nicht dass die grundsätzlichen Privatsphärefunktionen von Chrome schlecht wären. Vor Dritten wie Werbe-Trackern oder sozialen Netzwerken können Sie sich mit Chrome bestens schützen; auch dank des großen Angebots an Add-ons.
Gegenüber Google wird es hingegen schwierig. Als Nutzer eines Google-Webbrowsers muss man damit rechnen, dass sämtliche Aktionen im Surfprogramm von Google aufgezeichnet und gespeichert werden. Das ist das Geschäftsmodell von Google. Denn die Firma verdient ihr Geld zum grossen Teil mit Werbung, die für ihre Benutzer maßgeschneidert ist.
Microsoft Edge
Hersteller: Microsoft (microsoft.com/de-de/edge)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Xbox, Android, iOS
Lizenz: proprietär
Engines: Blink, WebKit (iOS)
Microsofts aktueller Standardbrowser für Windows 10 ist auch auf anderen Betriebssystemen verfügbar und basiert seit 2019 wie viele andere Browser auf Googles Chromium-Basis, Bild 2. Funktional gesehen, ist das sinnvoll, da Chromium den Microsoft-Browser konkurrenzfähiger gemacht hat. Allerdings ging mit dem Wechsel von EdgeHTML zu Blink eine weitere Browser-Engine verloren und das macht Google als Entwickler von Blink noch einflussreicher.
Was die Privatsphäre angeht, ist Microsofts Edge nur begrenzt zu empfehlen. Zwar bietet der Webbrowser diverse Schutzfunktionen gegenüber Trackern und Werbern an. Allerdings ist Edge als Microsoft-Produkt per se ein Datensammler. Bei einer proprietären Software ist es für Anwender außerdem praktisch unmöglich zu wissen, was der Browser genau mit den Nutzerdaten macht.
Mozilla Firefox
Hersteller: Mozilla (mozilla.org/de/firefox)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Android, iOS
Lizenz: MPL 2.0
Engines: Gecko, Quantum, SpiderMonkey, WebKit (iOS)
Anders als die bisherigen Webbrowser ist Firefox nicht an ein großes Tech-Unternehmen gebunden, sondern wird von der Mozilla Foundation entwickelt, Bild 3. Der Open-Source-Browser bietet damit einen riesigen Privatsphärevorteil gegenüber Chrome, Edge und Safari. Mozilla hat diesen Vorteil erkannt und Firefox regelrecht auf Privatsphäre getrimmt. Der schon seit vielen Jahren als besonders anpassbarer Browser bekannte Fire-fox macht sich dies auch heute noch zunutze. Eine Vielzahl an Add-ons und Funktionen ermöglichen es, den Browser bis ins kleinste Detail einzustellen. Darunter finden sich auch praktische Funktionen wie ein Fingerprinting-Schutz. Das benötigt aber auch etwas Fachwissen und/oder Recherche vom Anwender. Denn direkt ab Installation sind die Privatsphärefunktionen von Firefox zwar gut, aber nicht ideal. Insgesamt ist Firefox allerdings der klar beste Browser für alle, die eine gute Mischung aus Privatsphäre und Benutzerfreundlichkeit suchen.
Apple Safari
Hersteller: Apple (apple.com/safari)
Verfügbar für: macOS, iOS, iPadOS
Lizenz: proprietär, teilweise GNU LGPL
Engines: WebKit, Nitro
Die Frage, ob Safari ein geeigneter Webbrowser ist, stellt sich für viele Nutzer gar nicht erst, Bild 4. Denn der Apple-Browser ist ausschließlich für Apple-Geräte verfügbar. Auch für Nutzer mit verschiedenen Systemen ist Safari so nur bedingt nützlich, da beispielsweise die Synchronisation von Daten nur zwischen Apple-Geräten möglich ist. Was die Privatsphäre angeht, ist Safari besser als andere, aber nicht perfekt. Die Privatsphärefunktionen des Browsers sind vergleichsweise gut und Apple macht im Vergleich zu Firmen wie Google oder Facebook klar mehr in Sachen Privatsphäre. Jedoch limitiert Apple Add-ons wie Werbeblocker in der Funktionalität.
Die Kleinen
Neben den vier großen Browsern gibt es auch noch eine Vielzahl an kleineren. Diese bauen heutzutage größtenteils auf der Open-Source-Basis Chromium auf. Viele andere basieren auf Firefox. Das Gros der alternativen Browser versucht, mit einzigartigen Funktionen eine Nutzerschaft anzulocken und sorgt so sowohl für Innovation, die häufig auch von größeren Browsern übernommen wird, als auch für passende Produkte, die nicht wirklich zum breiten Nutzerverhalten passen.
ungoogled-chromium
Hersteller: Google/Community (github.com/Eloston/ungoogled-chromium)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux
Lizenz: BSD 3-Clause
Engines: Blink, V8
Chromium – das Open-Source-Projekt und die Basis für Google Chrome – ist grundsätzlich ein ausgezeichneter Browser, auch was die Privatsphäre angeht, Bild 5. Letztere leidet hauptsächlich darunter, dass Chrome und viele Chromium-Browser auf Google-Webdienste angewiesen sind, die wiederum Google die Möglichkeit geben, Nutzerdaten zu sammeln. Das Open-Source-Projekt ungoogled-chromium entfernt diese Abhängigkeiten aus dem ursprünglichen Chromium. Sie erhalten also eine Version von Chrome, komplett ohne Google-Anbindung und somit eine ausgezeichnete Lösung sowohl für den Alltagsgebrauch als auch für starke Privatsphäre. Wie viele Open-Source-Projekte mit diversen Mitwirkenden ist ungoogled-chromium etwas weniger handlich in der Einrichtung als kommerziellere Produkte.
Tor-Browser
Hersteller: The Tor Project (torproject.org/download)
Verfügbar für: Windows, Unix-artige Systeme (inklusive macOS), Android
Lizenz: MPL
Engines: Gecko
Der Tor-Browser ist etwas anders als die anderen Browser, Bild 6. Dieser Browser ist das Eingangstor in das Tor-Netzwerk. Ein Netzwerk, das darauf ausgelegt ist, anonyme Kommunikation zu ermöglichen. Das macht den Tor-Browser zum Browser der Wahl für alle, die maximale Privatsphäre benötigen. Im Alltagsgebrauch ist Tor aber eher unpraktisch. Das Anonymisierungssystem macht den Browser vergleichsweise langsam und diverse Internetdienste funktionieren im Tor-Netzwerk nur unvollständig oder gar nicht. Grundsätzlich lässt sich die Tor-Verbindung auch ausschalten und der Browser mit regulärem Netzzugang verwenden. Allerdings handelt es sich dann größtenteils um eine modifizierte Version von Firefox, worauf der Tor-Browser basiert. Als geübter Nutzer kann man sich dann gleich eine personalisierte Version von Firefox einrichten. Als ungeübter Nutzer sollte man sowieso eher die Finger von Tor lassen.
Noch mehr Kleine
Opera
Hersteller: Opera Software (Norwegen, in chinesischem Besitz; opera.com )
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Android
Lizenz: proprietär
Engines: Blink, V8
Mit einem Marktanteil von knapp unter einem Prozent im Desktop-Markt ist Opera der größte der «kleinen» und auch klar einer der ältesten, Bild 7. Der einst norwegische Browser ist bereits seit 1995 verfügbar. Allerdings ist vom ursprünglichen Opera-Browser nur noch wenig übrig. 2013 wechselte der Browser von einer eigenen Engine auf die von Google entwickelte Blink-Engine. 2016 wurde der Entwickler Opera Software von einem chinesischen Konsortium aufgekauft. Und das bringt uns direkt zu Opera und der Privatsphäre: Während der Browser funktional einige interessante Dinge bietet, kann er für privatsphärebewusste Nutzer nicht empfohlen werden. Seit der chinesischen Übernahme sammelt der Browser fleissig Nutzerdaten zu verschiedenen Zwecken, darunter Werbung. Privatsphäre gegenüber Dritten ist wie bei anderen Chromium-Browsern mithilfe von Einstellungen und Add-ons möglich.
Brave
Hersteller: Brave Software Inc. (USA; brave.com/de)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Android, iOS
Lizenz: MPL 2.0 (GPLv2/GPLv3 für einige eingebaute Funktionen)
Engines: Blink, V8, WebKit (iOS)
Brave ist ein weiterer Browser auf Chromium-Basis, der sich mit einigen Eigenarten von der Konkurrenz abheben möchte, Bild 8. Und im Vergleich zu vielen anderen Chromium-Browsern macht das Brave sogar sehr gut. Der von Mozilla-Mitgründer Brendan Eich lancierte Browser bietet starke Privatsphärefunktionen, die ab Installation aktiviert sind. Dazu kommt eine eigene Kryptowährung, mit der Mikrozahlungen an Webseitenbetreiber und andere Nutzer getätigt werden können. Das macht Brave zur interessanten Option – sowohl für ungeübte Nutzer, die Schutz direkt ab «Werk» möchten, als auch für Tech-Enthusiasten.
Jedoch ist Brave auch in einige Kontroversen verwickelt. Da wäre zunächst der Werbeblocker des Browsers, der als Teil des Brave-Geschäftsmodells Werbung von Webseitenbetreibern blockiert und durch Werbung aus seinem eigenen Netzwerk ersetzt. Im Jahr 2020 wurde Brave außerdem dabei erwischt, Referral-Links in die Autokorrektur der Suchleiste einzubauen. Die URLs diverser Kryptobörsen wurden dabei über solche Links umgeleitet, mit welchen Brave ohne Zustimmung der Nutzer Geld verdiente.
Vivaldi
Hersteller: Vivaldi Technologies (Norwegen/Island; vivaldi.com/de)
Verfügbar für: Windows, macOS, Linux, Android
Lizenz: proprietär
Engines: Blink, V8
Vivaldi entstand aus einer Gruppe von Opera-Nutzern, die mit dem Wechsel zu Blink nicht einverstanden waren, Bild 9. Zwar basiert Vivaldi auch auf Chromium, behält aber viele der optischen und funktionalen Merkmale des alten Opera-Browsers. Dazu kommen diverse zusätzliche Features wie Notizen auf Websites und stapelbare Tabs. In Sachen Privatsphäre bietet Vivaldi etwa die gleichen Funktionen wie alle Chromium-Browser und somit guten Schutz gegenüber Webseiten. Eine einzige Ungewissheit bleibt: Laut der Privacy Policy von Vivaldi speichert der Browser eine einzigartige ID jeder Vivaldi-Installation, die unter anderem Geodaten enthält. Laut Vivaldi werden diese Daten dafür verwendet, um Nutzerzahlen in verschiedenen Regionen zu ermitteln.
Fazit: klare Sieger
Falls bei Ihnen beim Surfen die Privatsphäre zuoberst steht, gibt es in unserem Vergleich zwei klare Sieger.
Eine sehr gute Privatsphäre kombiniert mit einer modernen und einfachen Nutzeroberfläche bietet Firefox.
Ist volle Anonymität gefragt, ist der Tor- Browser die erste Wahl. Er empfiehlt sich jedoch nur für geübte Anwender.
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