Damit Energiewende und Digitalisierung besser ineinandergreifen, sollte der Energiesektor 2017 technologisch umrüsten. Denn von offenen Plattformen, intelligenten Speichern und Netzen sowie Streaming Analytics und vorausschauender Instandhaltung profitieren Erzeuger, Lieferanten und Abnehmer. [...]
Energieversorger müssen sich gleich zweifach wandeln. Sowohl Energiewende als auch Digitalisierung hat die Grundlage der Wertschöpfung verändert, schreibt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in seiner Studie „Digitalisierung aus Kundensicht“. Der Verband verweist auf mehr als 1,5 Millionen integrierte, größtenteils dezentrale und regenerative Erzeugungsanlagen, die zu unterschiedlichen Zeiten schwankende Mengen einspeisen. In Folge dessen steigen Komplexität und Netzlasten in den Verteilnetzen, die Anbieter nur mit digitalen Systemen und hochmodernen Infrastrukturen auffangen. Die anfallenden Daten lassen sich für eine sichere und effizientere Versorgung von Kunden nutzen, wenn Versorgungsunternehmen die aktuellen IT-Trends nutzen.
Offene Plattformen und intelligente Speicher
In erster Linie bieten sich offene Plattformen an, Daten aus der IT und von operativen Systemen sowie von Kunden zu erfassen und auszuwerten. Daneben liefern Stromnetze, Windenergie-Anlagen und Solarfarmen Informationen, wann Netze oder Systeme verfügbar sind. All das kann ein Energieversorgungunternehmen dazu nutzen, das bestehende Serviceangebot zu verbessern sowie neue Geschäftsmodelle, Dienstleistungen und Applikationen – auch für erneuerbare Energien – zu entwickeln. Offene Plattformen stellen Daten zudem auch anderen Unternehmen zur Verfügung, die auf dieser Basis innovative Services entwerfen können.
Eine der großen Herausforderungen der Zukunft ist, elektrische Energie möglichst effizient zu speichern. In diesem Jahr werden die Zahl und die Kapazität der verfügbaren Stromspeicher deutlich zunehmen. Dafür sorgen mehr Elektromobile auf den Straßen und das wachsende Ladestationsnetz. Außerdem ziehen vermehrt Stromspeicher für Photovoltaikanlagen als sogenannte „Hausbatterien“ in Gebäude ein. Intelligente Energiespeicher können jedoch nicht allein den Speicherbedarf decken. Für Energie-Unternehmen stehen Technologien bereit, um Lastspitzen zu kompensieren. So finden Künstliche Intelligenz (KI) und selbstlernende Systeme nach und nach ihren Weg in Strom- und Versorgungsnetze. Mittel- und langfristig werden KI- und Machine-Learning-Verfahren zu stabileren Verteilnetzen führen, weil sie Lastspitzen intelligent ausbalancieren.
Vorausschauend agieren dank Echtzeit-Analyse
Klassische Big-Data-Applikationen sind notwendig, um große Datenmengen zu erfassen und auszuwerten. Sie erlauben Versorgern gewissermaßen einen Blick zurück. Darüber hinaus erlaubt die Datenanalyse in Echtzeit einen Blick in die Zukunft. Streaming Analytics korreliert und aggregiert Datenströme aus unterschiedlichen Quellen, erkennt Muster und hilft Unternehmen, proaktiv die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. So kann ein Betreiber besser abschätzen, wann seine Windkraftanlage bestimmte Strommengen produziert. Er bietet den Strom auf dem Markt an, wenn dieser höhere Erträge erzielt.
Streaming Analytics liefert auch die Grundlage für das umgekehrte Szenario: der lastvariable Tarif. Verbraucher stellen zum Beispiel ihre Waschmaschine erst an, wenn Netze gerade viel Wind- oder Sonnenenergie aufnehmen und verteilen und der Strompreis günstig ist.
In die Versorgungsnetze von Strom, Gas und Wasser wird außerdem Predictive Maintenance Einzug halten, etwa um Ventile, Turbinen und Pumpen zu überwachen. Mit einer vorausschauenden Instandhaltung lassen sich Wartungszeiten exakter planen und optimieren. Anwenderfirmen erkennen Störungen bereits im Vorfeld und können mögliche Ausfälle verhindern. Davon profitieren alle Beteiligte: die Betreiber von Verteilnetzen, deren Partner und Lieferanten sowie die Endkunden.
Gruppendynamik nutzen
Viele Kunden haben nur geringes Interesse an einem individualisierten Produkt, lautet ein Ergebnis der BDEW-Studie. Sie orientieren sich an Angeboten, die auch andere mit ähnlichen Bedürfnissen gewählt haben. Energieversorger entwickeln daher standardisierte digitale Produkte, welche sich jeweils auf eine spezielle Kundengruppe fokussieren. Ihre Nutzer erreichen Versorger am besten, wenn sie auf offene Plattformen, intelligente Energiespeicher und Verteilnetze sowie vorausschauende Instandhaltung setzen.
* Werner Rieche ist Geschäftsführer der SAG Deutschland GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Software AG.
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