Digital Employee Experience (DEX): Wenn die Mitarbeiter ins Zentrum rücken

Motivierte Mitarbeiter sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen. Voraussetzung dafür ist eine positive (Digital) Employee Exprience. [...]

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Die VPN-Verbindung zum Unternehmensnetzwerk fällt am Tag mehrfach aus, das Tool für Online­Konferenzen friert ausgerechnet während eines Kunden-Meetings ein und auch das Beantragen von Urlaub kostet wegen der veralteten Software einfach zu viel Zeit – Szenarien wie diese sind Alltag am Arbeitsplatz in Corona-Zeiten. Das Problem: Sie schränken die Produk­tivität ein, erzeugen Unzufriedenheit und ein negatives Mitarbeitererlebnis, sprich eine schlechte (Digital) Employee Experience (DEX).

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Grundsätzlich beschreibt Employee Experience die Sicht von Mitarbeitern auf ihr Unternehmen und umfasst alle Erfahrungen, die ein Mitarbeiter mit seinem Arbeitgeber sammelt – von der Bewerbung über Onboarding und Weiterentwicklung bis hin zum Verlassen des Unternehmens. Es geht also um ein Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeiter sich wohlfühlen, effizient zusammenarbeiten und jederzeit auf relevante Inhalte und Dienste zugreifen können.

Ziel einer DEX-Strategie ist es, die Arbeitsplätze stärker an den Bedürfnissen der Mitarbeiter auszurichten. Dazu gehören auch die Arbeit im Homeoffice und flexible Arbeitsmodelle von der Viertagewoche bis zur Vertrauensarbeitszeit, um eine bessere Work-Life-Balance zu schaffen. Das war auch vor Corona schon wichtig, hat aber durch die Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen.

Sechs Schritte zu einer positiven Employee ExperienceFirmen können mit folgenden Schritten die (Digital) Employee Experience verbessern, um die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu erhöhen:

  • Status quo ermitteln: Eine Übersicht aller Berührungspunkte und Interaktionen der Mitarbeiter mit dem Unternehmen erstellen
  • Die Mitarbeiter kennen und verstehen: Wie setzen sich unsere Mitarbeiter zusammen (Geschlecht, Alter, Herkunft, Qualifikation)? Wie denken und fühlen sie?
  • Ziele definieren: Konkrete, messbare Ziele für Berührungspunkte und Prozesse bei der Interaktion zwischen Mitarbeitern und Unternehmen festlegen
  • Maßnahmen umsetzen: Maßnahmen für ein besseres Mitarbeitererlebnis finden und verwirklichen (von der einfacheren Reisekostenabrechnung bis zum Feedback-Tool)
  • Erfolg messen: Nach etwa drei Monaten messen, was die Maßnahmen gebracht haben
  • Feedback einholen: Optimierungsbedarf durch regelmäßige Umfragen ermitteln

Ein Begriff mit vielen Facetten

Digitale Tools spielen in Zeiten von Remote-Work sowie flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten eine überaus wichtige Rolle. Sie sollten vor allem intuitiv und einfach zu bedienen sein und reibungslos funktionieren.

Employee Experience darf aber auch im digitalen Raum nicht auf das Thema Usability reduziert werden. Gerade die zunehmende Digitalisierung und die veränderten Arbeitsweisen führen dazu, dass zahlreiche weitere Faktoren relevanter werden.

So spielt beispielsweise das mentale Wohlbefinden stark in die Mitarbeitererfahrung hinein – besonders im Homeoffice. Denn „das digitale ‚Always-on‘ kann schnell zur Belastung werden“, erklärt Martin Daniel, Marketing-Manager bei Workday für das Produkt Workday Peakon Employee Voice.

Er sieht auch, dass sich zunehmend gesellschaftliche Trends in den Erwartungen und Erfahrungen von Mitarbeitenden niederschlagen. Als Beispiel nennt er die Black-Lives-Matter-Bewegung mit Themen wie Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion und dem Gefühl, gesehen und gehört zu werden. „Das ist sehr wichtig, auch in Unternehmen. Und natürlich hinterfragen immer mehr Mitarbeitende Aspekte der Nachhaltigkeit an ihrem Arbeitsplatz. Letztendlich bedeutet das: Die Employee Experience war noch nie komplexer, individueller und dynamischer als heute. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, kontinuierlich einen ganzheitlichen Blick auf die Stimmung, die Erlebnisse und Wünsche ihrer Mitarbeitenden zu haben“, so Martin Daniel weiter.

Anna Kopp, Head of IT Microsoft Germany, versteht unter Digital Employee Experience „die Summe aus Kommunikation, Wissen, Lernen, Erkenntnissen und Ressourcen, damit jeder einzelne Mitarbeitende unabhängig von Zeit und Ort sein/ihr Bestes geben kann“. Interessanterweise heißt die IT-Abteilung bei Microsoft seit einiger Zeit Microsoft Digital Employee Experience. Microsoft Deutschland hat schon seit 1998 die Vertrauensarbeitszeit in der Betriebsvereinbarung und seit 2014 den Vertrauens­arbeitsort; flexibles und hybrides Arbeiten ist dem Unternehmen daher schon länger bekannt. Viele andere Firmen hingegen mussten das durch die Pandemie erst kennenlernen – und genau hier spielt die digitale Employee Experience eine sehr bedeutsame Rolle.

„Wir bekommen alle am Tag viele Informationen auf vielen Kanälen, die teilweise auch nicht wirklich relevant für uns sind, das heißt wir brauchen wesentlich gefilterte Informationen, die für die eigene Rolle und Verantwortlichkeit von Nutzen sind. Zudem ist es auch ganz wichtig, dass Mitarbeitende eine Balance in der hybriden Arbeitswelt schaffen und ihr Wohlbefinden gut managen können – dafür können Daten helfen, um vielleicht simple Tipps zu geben wie Pausenblocker oder aufzuzeigen, wie das Verhältnis von Meetings und eigentlichem Abarbeiten war“, erklärt Anna Kopp.

DEX als neue IT-Disziplin

Damit wird die Bereitstellung einer nahtlosen digitalen Erfahrung für Mitarbeiter immer wichtiger. Der Studie „The 2021 Digital Employee Experience Career Capital Report“ des DEX-Software-Anbieters Nexthink zufolge etabliert sich das Thema Digital Employee Experience sogar mehr und mehr als eigene IT-Disziplin in Unternehmen. 96 Prozent der Befragten weltweit gaben demnach an, dass ihre Geschäftsleitung IT-Maßnahmen und -Aktivitäten unterstützt, die sich nachhaltig auf die Optimierung des IT-Erlebnisses ihrer Mitarbeiter auswirken. 81 Prozent der Befragten beobachteten eine Zunahme des Anteils an DEX-fokussierten IT-Rollen in ihrem Unternehmen.

Mit der Weiterentwicklung neuartiger, innovativer Arbeitsumgebungen sind IT-Teams gefordert, Remote- und Hybrid-Working sowie auch Büroarbeitsplätze für Mitarbeiter bedarfsgerechter, zuverlässiger und flexibler zu gestalten. Die Studie zeigt, dass IT-Experten im Schnitt mittlerweile 44 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf die Optimierung des IT-Erlebnisses der Anwender verwenden.

In Deutschland sind es mit 51 Prozent vor allem die IT-Abteilungen, die Maßnahmen im Hinblick auf DEX vorantreiben (global 44 Prozent), gefolgt von der Geschäftsführung mit 23 Prozent (global 30 Prozent). Auf der Prioritätenliste ganz oben stehen dabei weltweit die Themen IT-Sicherheit (46 Prozent) vor der Einführung von neuen Technologien und Innovationsprojekten (42 Prozent) und einer verbesserten Produktivität (37 Prozent).

Für Deutschland sind diese Zahlen fast deckungsgleich. Im internationalen Vergleich legen Unternehmen hierzulande mit 36 Prozent (global 29 Prozent) jedoch besonderen Wert auf die Identifikation und Behebung von Problemen.

Funktionen, die Digital-Experience-Lösungen im Regelfall bieten

  • Kommunikation: Virtuelle Besprechungsräume für Führungskräfte und Mitarbeiter
  • Service-Management: Sammelpunkt für alle Services, die Mitarbeiter in ihrem Alltag benötigen (Onboarding-Prozesse, Urlaubsanträge, Fragen zur Gehaltsabrechnung und so weiter)
  • Weiterbildung: EX-Plattform als Anlaufstelle für Fortbildungskurse und Microlearning-Inhalte
  • Feedback-Portale: Regelmäßige, anonyme Umfragen Wissensdatenbank: Inhalte und Fachwissen in einer Wikipedia-ähnlichen Datenbank
  • Analytics: KI-basierte, datengestützte Erkenntnisse und Empfehlungen für die Balance zwischen Arbeit und Freizeit und die Organisation der Arbeit
  • Schnittstellen: Schnittstellen zu Erweiterungen wie Travel-Management
  • Kennzahlenmessung: Ein wichtiger KPI ist der Employee Net Promoter Score (eNPS), der sagt, wie wahrscheinlich es ist, dass Mitarbeiter ihren Arbeitgeber weiterempfehlen; außerdem: Gesundheits- und Glücksmetriken, Index für Vielfalt und Integration, Indikatoren, die digitale Investitionen und das Verhalten der Mitarbeiter miteinander verknüpfen

Mitarbeiter binden und finden

Ein Unternehmen, das gerade seine Aktivitäten rund um Digital Employee Experience forciert, ist das IT- und Consulting-Haus All for One Group mit seinen etwa 2500 Mitarbeitern. Dafür hat die All for One Group unter anderem ein eigenes DEX-Team aufgebaut.

Susanne Krause-Hennemann, Director People & Culture All for One Group, nennt Employer Branding nach innen und außen als eines der wichtigsten Ziele von DEX. „Mitarbeiter, die sich in ihrer Arbeitsumgebung und an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, sind nicht nur motivierter und produktiver, sondern auch stärker mit unserem Unternehmen verbunden. Wer sich etwa jeden Tag darüber ärgert, weil eine Software nicht funktioniert oder Tools nicht zum Arbeitsumfeld passen, hat keinen Spaß an der Arbeit. Daher legen wir unter anderem größten Wert auf eine leistungsfähige IT-Ausstattung. Zugleich werden wir damit als Arbeitgeber attraktiver für neue Talente.“

So hat das Unternehmen eine sogenannte Candidate Experience Journey entworfen. Potenzielle Mitarbeiter erhalten Zugang zu einem Portal mit vielfältigen Einblicken und Informationen, etwa zu ihrem Jobprofil, zukünftigen Ansprechpartnern und Mentoren, oder auch der Möglichkeit zu virtuellen Rundgängen in den jeweiligen Stand­orten und Gebäuden der All for One Group. Beim Onboarding selbst werden die neuen Mitarbeiter in Starter-Trainings durch alle für sie relevanten Themen geführt, erhalten Einführungen durch Spezialisten und die Group-IT bis hin zu Links, etwa zum Portal für die Auswahl ihres Diensthandys.

Für die Personalentwicklung seiner Mitarbeiter bietet All for One Group die Lernplattform „One Academy“ auf Basis von SAP SuccessFactors mit verschiedenen Inhalten wie Sprachtrainings oder Trainings zu Methoden und Tools. Zudem gibt es einen Wissens-Pool mit Inhalten und Präsentationen zu allen relevanten IT- und Consulting-Themen sowie einen Software-Roboter für die Suche nach unternehmensinternen Experten und Info-Scouts für den übergreifenden Wissenstransfer. Über Feedback-Boards können Mitarbeiter Ideen einbringen oder Umfragen etwa zu ihrer Zufriedenheit beantworten.

Diese Faktoren beeinflussen die Digital Employee Experience positiv

Die von uns befragten Experten sehen folgende Faktoren als zentral an, damit sich Mitarbeiter im Unternehmen wohlfühlen:

Organisatorisch und kulturell

  • Transparenz, Vertrauen und Kommunikation seitens des Arbeitgebers
  • Integrative und offene Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien
  • Kooperativer Führungsstil
  • Flexible Arbeitszeiten und -orte
  • Gestaltungsspielräume in der täglichen Arbeit mit hoher Eigenverantwortung
  • Angenehmes Arbeitsklima und Wertschätzung im zwischenmenschlichen Umgang
  • Berufliche Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Nachgewiesene soziale Verantwortung des Unternehmens
  • Architektur und Gestaltung der Büroräume

Technisch

  • Moderne Technologien zur besseren Kommunikation und Zusammenarbeit
  • Bereitstellung von Services, um produktiv und effizient arbeiten zu können
  • Permanente Verfügbarkeit und schnelle Reaktionszeiten aller IT-Services
  • Schnelle Behebung von Störungen
  • Service-Desk mit IT-Experten, die Fragen der Mitarbeiter kompetent beantworten 

„Zufriedene Mitarbeiter führen zu zufriedeneren Kunden“

Sabrina Schmitt,
Senior Consultant Work
Transformation, IDC
(c) IDC

Sabrina Schmitt ist Senior Consultant bei dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC mit dem Schwerpunkt Work Transformation. Im Interview mit com! professional erklärt sie, welche Vorteile eine positive Digital Employee Experience für Firmen bietet und welche Rolle die Unternehmenskultur dabei spielt.

com! professional: Frau Schmitt, der Begriff Digital Employee Experience (DEX) ist noch sehr neu. Er steht für das Ziel, ein positives und inspirierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter sich wohlfühlen. Was verstehen Sie unter Digital Employee Experience?

Sabrina Schmitt: Employee Experience bezeichnet ganz allgemein die Wahrnehmung des Arbeitgebers durch einen Mitarbeiter entlang des gesamten Lebenszyklus, sprich vom Start des Arbeitsverhältnisses mit dem Onboarding bis hin zum Verlassen des Unternehmens. Der Begriff umfasst Themen wie flexible Arbeitsformen, eine moderne Arbeitsumgebung und Eigenverantwortung, Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung, Wellbeing-Programme etwa mit Yoga-Sessions sowie natürlich Tools für die Zusammenarbeit und Kommunikation, damit Mitarbeiter von jedem Ort aus produktiv arbeiten können.

Die Corona-Pandemie erwies sich mit dem Shift zu Remote-Work als eine Art Brandbeschleuniger für die Digital Employee Experience und das ortsunabhängige Arbeiten. Das zeigt unsere Studie „Work Transformation in Deutschland 2021“. 29 Prozent der befragten Entscheider wollen auch in Zukunft remote arbeiten, das sind fast dreimal so viele wie noch vor dem Jahr 2020. 79 Prozent der Unternehmen planen ein verändertes Arbeitsplatzmodell, 36 Prozent davon eine Mischung aus Präsenz am Unternehmensstandort und Remote-Arbeit – also ein hybrides Arbeitsplatzmodell. 11 Prozent wollen ihre Büroflächen sogar gänzlich aufgeben und verfolgen einen rein virtuellen Ansatz.

com! professional: Warum ist (Digital) Employee Experience für Unternehmen relevant?

Schmitt: Die Relevanz ist durch die Corona-Pandemie erheblich gestiegen, da viele Mitarbeiter in vielen Branchen seitdem größtenteils von zu Hause arbeiten. Unternehmen müssen sie auffangen und mitnehmen. Faktoren für eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter sind hier zunächst die Ausstattung mit funktionierender Hardware und Software inklusive Kommunikations- und Collaboration-Tools, Wertschätzung und Vertrauen. Auch regelmäßige Mitarbeiterbefragungen über ein Portal sind sinnvoll, um die Stimmung im Unternehmen auszuloten. Zudem werden Faktoren wie Mitarbeiterfürsorge, Hygienekonzepte und Richtlinien für hybride Arbeitsmodelle entscheidend, um eine einheitliche Linie und Struktur für die gesamte Belegschaft zu etablieren und auf diese Weise eine Vertrauenskultur aufzubauen.

com! professional: Welche Vorteile bietet eine gute Digital Employee Experience?

Schmitt: Die Vorteile sind vielfältig. Wenn die Mitarbeiter zufrieden sind, sind sie motivierter, arbeiten produktiver und zeigen eine höhere Loyalität gegenüber dem Unternehmen. Weil die Mitarbeiterbindung stärker wird, sinkt die Fluktuation und das Unternehmen wird attraktiver für neue Talente.

In einer hybriden Arbeitswelt wird auch der Pool an potenziellen neuen Mitarbeitern größer, da Ortsgebundenheit keine so große Rolle mehr spielt wie vor der Pandemie. Engagierte Mitarbeiter, die eine positive Employee Experience erfahren, tragen zudem erheblich zu einem besseren Kundenerlebnis (Customer-Experience), einer höheren Kundenzufriedenheit und damit auch zu höheren Umsätzen für das Unternehmen bei. Das bestätigt die Studie „Relating Employee Experience to Customer Experience“ von IDC vom Juli 2021. Danach gaben 85 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ein verbessertes Mitarbeitererlebnis die Kundenzufriedenheit und die Umsätze ver­bessert.

com! professional: Das klingt ja alles schön und gut. Doch welche Fallstricke und Herausforderungen sehen Sie beim Thema DEX? Worauf müssen Firmen achten?

Schmitt: Unternehmen sollten Digital Employee Experience als ganzheitlichen Ansatz sehen und abteilungsübergreifend umsetzen. Treiber ist das obere Management, da mit DEX bestehende Arbeitsabläufe umgestaltet werden. Erste Pilotprojekte und Maßnahmen laufen meistens in der Personalabteilung, die dafür aber eng mit der IT zusammenarbeitet. Basis für ein gutes digitales Mitarbeitererlebnis sind funktionierende technische Lösungen, die am besten einheitlich im ganzen Unternehmen im Einsatz sein sollten.

Hier gibt es auf dem Markt viele Anbieter, große wie kleine. Ihre Tools enthalten Funktionen wie 360-Grad-Feedback zum Erfassen von Erfahrungen, Zielen und Leistungen, Portale für Weiterbildung und E-Learning, Zugriff auf Know-how-Datenbanken oder Features zur Personalentwicklung. Darüber hinaus bieten sie Schnittstellen, um zum Beispiel Lösungen zur Kommunikation oder Reise- und Ressourcenplanung zu integrieren. In einer hybriden Arbeitswelt sollten Firmen hier vor allem Cloud-Services immer wieder in Betracht ziehen.

com! professional: Welche Rolle spielt hier die Unternehmenskultur?

Schmitt: Die Unternehmenskultur ist neben der Technologie entscheidend für eine positive Digital Employee Experience. Stichworte sind Wertschätzung, Mitarbeiterfürsorge, offene Kommunikation, Transparenz und Vertrauen.

Für jeden Mitarbeiter muss klar nachvollziehbar sein, welche Daten von ihm erfasst werden, dass die Mitarbeiterbefragungen ano­nym bleiben und wer auf die Daten zugreifen kann. So sollten nur berechtigte Personen wie Vorgesetzte oder HR-Mitarbeiter etwa auf Ergebnisse einer Bewertung zugreifen. Bei Themen wie Datenschutz und Compliance ist auch der Betriebsrat einzubeziehen.

com! professional: Das Tempo der Ver­änderung ist hoch. Was für Trends sehen Sie beim Thema Digital Employee Experience?

Schmitt: Ja, es wird alles schneller, digitaler und mobiler. Firmen müssen hier mithalten und entsprechende Technologien bereitstellen, damit ihre Mitarbeiter flexibel von verschiedenen Orten aus produktiv arbeiten können. Digitale Prozesse und automatisierte Workflows führen zu einer höheren Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen tragen zur Automatisierung bei und begünstigen eine ortsunabhängige Zusammenarbeit.

Hier gilt es künftig, individuelle Lösungen zu finden und Richt­­linien für hybrides Arbeiten im Wechsel zwischen Homeoffice und der Präsenz im Büro zu definieren. Auch Office-Konzepte mit Open Spaces und Räumen zur Stillarbeit sowie Gesundheits- und Fitnesspro­­gramme werden in Zukunft das Erlebnis der Mitarbeiter weiter ver­bessern.

DEX als Gemeinschaftswerk

„Wichtig war uns, dass wir bei der Einführung von DEX nicht aus einem Elfenbeinturm heraus agieren, sondern die Mitarbeiter aus allen Fachabteilungen in einem partizipativen Prozess miteinbeziehen. Als Nutzer wissen sie genau, was sie brauchen“, sagt Susanne Krause-Hennemann. „Zudem gingen wir vernetzt vor und bildeten abteilungsübergreifende Projektteams mit Mitgliedern etwa aus der IT-, HR- oder Marketing-Abteilung. Die Einführung von Tools für Digital Employee Experience funktioniert am besten als Gemeinschaftswerk, das Perspektiven aus verschiedenen Abteilungen einbezieht.“  

Martin Kraus, Senior Manager Solution Consulting Employee Experience bei ServiceNow, bestätigt diese Einschätzung: „Firmen dürfen DEX nicht isoliert als Silo betrachten, sondern sollten alle Abteilungen bei der Umsetzung ins Boot holen, von HR und IT über Finance bis hin zur Rechtsabteilung. Im Idealfall treibt der Chief Digital Officer als übergreifende Stelle die digitale Mitarbeitererfahrung voran.“

Seiner Meinung nach geht es auch darum, vertrauliche digitale Feedback-Kanäle einzurichten, damit Mitarbeiter regelmäßig ihre Wünsche und Ideen für Veränderungen einbringen können, etwa zum Ablauf alltäglicher Prozesse.

„Diese Umfragen sollten einfach und intuitiv zu bedienen und schnell zu beantworten sein. Firmen erhalten so aktuelle Einblicke in die Stimmung der Belegschaft und können Lösungen sehr schnell basierend auf dem Feedback anpassen. Werden Maßnahmen nur top-down von oben angestoßen, besteht die Gefahr, dass Unternehmen diese am tatsächlichen Bedarf der Mitarbeiter vorbei umsetzen“, so Martin Kraus.

Zum Start rät er Firmen zu DEX-Projekten, die sich relativ einfach verwirk­lichen lassen und schnell Erfolge zeigen. Zu diesen Quick-Wins zählt er beispielsweise Onboarding-Prozesse, über die sich neue Mitarbeiter schon vor dem ersten Tag über ein Portal ihr Notebook aussuchen können, dort einfach Steuernummer oder Kontoverbindung eintragen können und dann in den ersten Tagen mit Trainings und ersten Aufgaben begleitet werden.

DEX-Lösungen bieten auch virtuelle Agenten beziehungsweise intelligente Bots, die rund 60 Prozent der Fragen von neuen Mitarbeitern beantworten können, sofern sie Hilfe benötigen“, so Martin Kraus weiter.

Laut Anna Kopp von Microsoft sollten Unternehmen auch den Betriebsrat miteinbeziehen, um Klarheit beim sehr wichtigen Thema Datenschutz zu schaffen: „Die digitale Employee Experience soll die Produktivität von Individuen steigern. Persönliche Einblicke gestützt auf datenbasierte Erkenntnisse können Mitarbeitenden helfen, regelmäßige Pausenzeiten wahrzunehmen, sich Fokuszeiten für konzentriertes Arbeiten einzurichten und die Beziehung zu Kolleginnen zu stärken. Das soll aber auf keinen Fall als Leistungsbeurteilung für die Mitarbeitenden geltend gemacht werden können“, so Kopp.

Plattformen für Employee Experience

Technisch unterstützen Employee-Experience-Plattformen (EXP) Firmen dabei, das Mitarbeitererlebnis zu verbessern und die Zufriedenheit der Belegschaft zu erhöhen. Sie integrieren unter einer intuitiv zu bedienenden grafischen Oberfläche Tools und Funktionen, die Mitarbeiter im täglichen Arbeitsleben benötigen. EXP-Lösungen vereinfachen die Zusammenarbeit, fördern die Weiterentwicklung der Mitarbeiter und gewähren schnell und einfach Zugang zu Wissen, Lerninhalten und Unternehmensressourcen.

Der Bedarf für Employee-Experience-Plattformen scheint vorhanden, es entsteht gerade eine neue Produktkategorie. Der US-amerikanische Marktforscher Josh Bersin schätzt das Potenzial des EXP-Markts auf jährliche Ausgaben von bis zu 300 Milliarden Dollar weltweit. Wichtige Lösungen aus diesem Segment sind beispielsweise Microsoft Viva, Workday Peakon Employee Voice, ServiceNow HR Service Delivery, Salesforce Employee Experience Platform oder SAP SuccessFactors.

Fazit & Ausblick

Die (Digital) Employee Experience umfasst alle Erfahrungen, die ein Mitarbeiter mit seinem Unternehmen sammelt – vom Onboarding über tägliche Aufgaben, Erlebnisse und Prozesse bis zum Ausscheiden. Firmen sollten daher ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem die Mitarbeiter sich wohlfühlen und das sie ihren Fähigkeiten entsprechend fordert und fördert. Denn zufriedene Mitarbeiter sind leistungsbereiter, identifizieren sich mit ihrem Unternehmen und repräsentieren es als eine Art „Markenbotschafter“ nach außen. Eine positive Employee Experience sorgt zudem dafür, dass begehrte Fachkräfte längerfristig an Bord bleiben.

Ein wesentlicher Faktor dafür sind auch reibungslos funktionierende Tools, die auf technischer Ebene die Zusammenarbeit gewährleisten, flexible Arbeitsformen ermöglichen und die Produktivität der Mitarbeiter steigern. Hinzu kommen softe Faktoren wie Wertschätzung durch stetiges Feedback, individuelle Personalentwicklungspläne oder eine offene und integrative Unternehmenskultur.


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