Digital-Leser verwechseln Papier mit Touchscreen

Die Gewohnheiten, die mit digitaler Mediennutzung einhergehen, haben großen Einfluss auf unser Gehirn, wie die New York Times berichtet. Nicht nur Kinder, die mit Tablet-Computern und Smartphones aufwachsen, versuchen gelegentlich, analoge Zeitungen aus Papier mit einem Fingerwisch umzublättern. [...]

Durch die Macht der Gewohnheit sind auch erwachsene Hirne, die den Umgang mit Medien aus toten Bäumen noch gelernt haben, nicht vor solchen Kurzschlüssen gefeit. US-Wissenschaftler führen solche Verwirrungen auf die auf Effizienz getrimmten Denkorgane der Menschen zurück.
„Die direkte Manipulation durch Touchscreens ist viel natürlicher als der Umweg über die Maus. Die Menschen erwarten sich von Technologie schon natürliche Bedienung, deshalb versuchen sie etwa beim Auto-Navigationsgerät als erstes, ob sie es mit den Fingern bedienen können. Auch mir ist das schon passiert. Wenn sich solche Bedienkonzepte als Muster ins Gehirn eingebrannt haben, ist auch der Versuch, Papier mit den Fingern zu ‚bedienen‘ verständlich“, sagt Norbert Zellhofer von Interface Consult gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext.
Das sehen Hirnforscher ähnlich: „Gehirne lieben Gewohnheiten. Sie sind auf Effizienz ausgelegt. Unsere Hirne sind gemacht, um zwei Dinge in Raum und Zeit in Verbindung zu setzen und sich an diese Verknüpfung zu erinnern. Das wird dann automatisch umgesetzt, etwa wenn Menschen versuchen, eine Papier-Zeitung wie einen Touchscrenn zu scrollen“, sagt Clifford Nass von der Stanford University gegenüber der New York Times. Dasselbe Prinzip gilt auch für andere technologische Neuerungen.
Laut Wissenschaftlern der University of California dauert es unabhängig vom Alter lediglich sieben Tage, bis ein menschliches Gehirn sich an neue Technologien anpasst. Dadurch, dass viele Menschen ihren Medienkonsum mittlerweile fast vollständig in die digitale Sphäre verlagert haben, steigt die Erwartung ihrer Gehirne, Informationsquellen in gewohnter Art zu handhaben. Deshalb versuchen Menschen, Geldautomaten wie einen Touchscreen zu behandeln, obwohl die meisten Geräte nicht darauf ausgelegt sind. Andere Neuerungen, etwa kontaktloses Bezahlen, werden ähnliche Erwartungshaltungen in den Menschen wecken. Die Wirtschaft wird sich auf diese Änderungen einstellen müssen.
„Der Trend wird – vielleicht mit Ausnahme des Desktop-PCs – weiter in Richtung Touch-Bedienbarkeit gehen. Für die Industrie ist das sogar ein Vorteil, weil etwa Touch-Interfaces für Geldautomaten einfacher zu programmieren sind. Allerdings geschieht die Umstellung langsam und in Schritten, weil die Kosten relativ hoch sind. Die Ticketautomaten der ÖBB unterstützen etwa die Eingabe mit den Fingern, die fehlende Multi-Touch-Funktionalität führt aber öfter zu Verwirrung, weil die Nutzer an die Bedienung von Tablets und Smartphones gewöhnt sind“, so Zellhofer. (pte)

Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*