Die Computerwelt hat die Digitalagenturen des Landes nach Umsatz gerankt und nach Ihren Herausforderungen und Zukunftsaussichten befragt. [...]
Die Zukunft der Digitalagenturen
Die Branche selbst ist laut Online-Experten im Umbruch begriffen. Der Markt ist geprägt von einem extrem agilen Wettbewerb, größeren Erwartungen von Konsumenten allgemein an die Produkt- und Servicequalität, und einer Explosion der Kommunikations- und Werbekanäle (Mobile, Social, etc.). Dazu kommt eine rasante technologische Entwicklung, und mit ihr die Einführung des Internet of Things (IoT), künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data auch in Bereichen des Online-Marketing. Marketing-Suiten aus der Cloud wie jene von Adobe, Salesforce oder SAP gewinnen zunehmend Boden. Im Bereich der Online-Werbung tritt Programmatic Marketing nun auch in Österreich aus seinem Schattendasein.
“In der Technologie befinden wir uns in einer permanenten Veränderung”, resümiert Heimo Hammer von Kraftwerk. “Die Lösungen werden immer komplexer und müssen immer schneller auf den Markt gebracht werden, z.B. Audiosteuerung für Apps, Mobile Shopping Apps mit Scan, VR-Anwendungen etc. Das Feld ist riesig und die Unternehmen suchen nach neuen Lösungen”, so Hammer.
Dies stellt die Agenturen vor große Herausforderungen, was sich auch in der Umfrage deutlich wiederspiegelt. Ihre besondere Aufgabe sei es dabei, nicht nur blind jeden Trend zu antizipieren, sondern auch hinsichtlich der Effizienz für den Kunden zu hinterfragen, dringt aus den Antworten vieler Agentur-Manager hervor. Stefan Traunmüller, CTO bei Seso: “Technologie wird sich noch schneller entwickeln und Trends finden rasant den Weg in Anwendungen – hier gilt es aber für Digitalagenturen genau abzuwägen, was ist Trend und was steigert die Effizienz bzw. wird sich auch nachhaltig am Markt behaupten”.
Klassische Werbeagenturen versuchten immer schon im digitalen Markt mitzuspielen, häufig über Partner und Freelancer. Allerdings gelang dies nur zum Teil, da ihnen oft die breite technologische Kompetenz fehlt. Mittlerweile gibt es vereinzelt sogar die Gegenbewegung, dass Digital-Agenturen auch in den Bereich der klassischen Werbung drängen, um ihren Kunden ein umfassenderes Service anbieten zu können.
In einem gewissen Sinne treten Digitalagenturen derzeit aber eher gegen kleine Startup Teams an, welche die etablierten Branchen und Märkte ihrer Kunden zunehmend umkrempeln. Ausgestattet mit neuen Technologien und Ideen für neue Produkte und Geschäftsmodelle pflügen diese manchmal über Nacht eine ganze Branche mit relativ geringen Investitionen um.
Aus diesem Grund verlangen die Kunden ihren Agenturen auch immer mehr eine solide strategische Beratungs-Kompetenz ab. Die größte Herausforderung für Agenturen derzeit sei es vor allem, “Unternehmen von ihrer unternehmenszentrischen Sicht auf die userzentrische Sicht zu bringen”, so Susanne Trhal von Team sisu. “Um digital erfolgreich zu sein müssen sich in Unternehmen oft grundlegende Prozesse ändern und sie müssen sich dem dynamischen Markt anpassen. Das erfordert viel Überzeugungsarbeit. Oft sollten sogar eigene Produkte oder Leistungen kreiert werden, damit sie sich online verkaufen”, so Trhal weiter.
In das selbe Horn stößt auch auch Gerald Aichholzer: “Den User in den Mittelpunkt zu stellen ist oft noch ein schwer zu platzierendes Konzept”, so der Mitbegründer der Blue Monkeys GmbH.
Andreas Gärtner, Geschäftsführer von Reichl und Partner eMarketing ist der Überzeugung, dass die Digitalagenturen künftig viel stärker in den Strategie- und Positionierungsprozess eingebunden würden. Auch Erfolgsmessung und Unterstützung des Kunden bei der Optimierung seiner internen Prozesse würden ihm zufolge noch wichtiger werden.
Agenturen sollten künftig also in der Lage sein, ihre Kunden nicht nur kreativ und technisch, sondern auch auf Ebene der Businesspläne und Integration zu unterstützen. Mehr und mehr sei “ein sehr tiefes Verständnis für das Produkt- und Leistungsangebot des Kunden sowie dessen Wettbewerbsumfeld gefragt”, so Andreas Gärtner. Dazu kommen noch Sicherheits-Themen, Datenschutz und der Umgang mit AI und Big Data.
Wichtig werde es, sich von einzelnen Point Solutions wie Website, Newslettertool, mobile App, etc. zu einer umfassenden Sicht auf die digitale Customer Journey über viele verschiedene Kanäle hinweg zu bewegen, so Gerald Aichholzer. “Ich denke, die nächsten Jahre werden daher einen starken Fokus auf Marketing Automation mit Unterstützung durch AI bringen”, so seine Einschätzung.
Ähnlich sieht das auch Siegfried Stepke, CEO von e-Dialog. „Bislang reichte es, wenn Agenturen ihre Kunden in die digitalen Kanäle brachten, d.h. Kenntnisse von Konzeption und technischer Umsetzung waren dafür ausreichend”, so Stepke. In Zukunft werde aber keine Strategie mehr ohne einer fundierten Datenanalyse stattfinden”, so Stepke. Ihm zufolge müsse man dabei gleich zwei Schritte auf einmal gehen, da lineare Auswertungen nicht mehr genügen würden. “In der Steuerung und Optimierung ist der Einsatz von Machine Learning unumgänglich. Spannende, aber auch komplexe Zeiten stehen uns bevor“, resümiert Stepke.
Auch Sabrina Hanneman, CEO von Zensations betont die hohe Wertigkeit der Daten-Analyse: “In einer vollständig digitalisierten Welt verändern sich die Ansprüche an Agenturen extrem rasch. Es wird nach einer interdisziplinären Arbeitsweise verlangt. Umfangreiches technisches Know-How und die Fähigkeit, Datenmaterial zu analysieren und zu nutzen wird vorausgesetzt, um als Partner für Unternehmen attraktiv zu bleiben”, so Hanneman.
Die Vorzeichen sind gut. Der digitale Markt wächst je nach Land zwischen 15-20 Prozent. Laut Heimo Hammer von Kraftwerk drehen sich die Mediaspendings in der Vermarktung klar von analogen Medien hin zu digitalen Medien bzw. zu device-basierten Werbeformen. “Programmatic ist erst der Anfang”, so Hammer. “Nach den internationalen Studien werden sowohl in entwickelten Ländern als auch in Entwicklungsländern die digitalen Spendings massiv wachsen. Die Tendenz geht ganz klar Richtung digitale Werbung und hier vor allem in mobile Formate. Der Bereich Content Marketing wird ebenfalls stark wachsen und sich über Context-sensitive Werbung refinanzieren.“
Eine interessante Frage im Zusammenhang mit der Abhängigkeit von Artificial Intelligence wirft Michael Kohlfürst, Geschäftsführer von PromoMasters Online Marketing auf. „Die Zukunft der Digitalagenturen liegt in der Automatisierung jener Prozesse, die von Maschinen ausgeführt werden können. Die Frage ist: dürfen wir den KI Prozessen der Anbieter vertrauen?“
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