digiTALENTE: Neue Initiative der Industriellenvereinigung

Mit einer neuen Initiative will die Industriellenvereinigung die Chancender Digitalisierung nutzen. [...]

„Die Digitalisierung bringt unbestritten große Veränderungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Und diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Der digitale Wandel findet statt, mit oder ohne uns. Es liegt an uns, an der Wirtschaft und vor allem an der Politik, diesen Wandel aktiv und vor allem positiv zu gestalten. Wir sollten die Chancen nützen“, skizzierten F. Peter Mitterbauer, Vorstandsvorsitzender der Miba AG sowie Vorsitzender der IV-Fokusgruppe „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ sowie der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer in einer gemeinsamen Pressekonferenz den Status Quo beim Thema Digitalisierung mit dem Projektleiter der IV-Qualifikationsbedarfserhebung 2016, Kurt Schmid (Österreichisches Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, ibw). 
So sei es ein Fehler, Digitalisierung pauschal mit Arbeitsplatzverlust gleichzusetzen. „Die Erfahrungen der Industrie zeigen, dass wir uns vor dieser Entwicklung nicht fürchten müssen – ganz im Gegenteil: der technische Fortschritt hat gerade in der Industrie in Österreich zu neuen, höherqualifizierten Jobs geführt – ohne dass gleichzeitig Massenarbeitslosigkeit entstanden wäre. Andere Länder mit überdurchschnittlicher Robotisierung haben die gleichen Erfahrungen gemacht, wie etwa Deutschland, Korea oder Japan“, so der IV-Generalsekretär. Dennoch sei in Österreich eine zunehmende Aversion gegenüber dem technischen Fortschritt wahrzunehmen. „Daher wollen wir verstärkt die Chancen der Digitalisierung aufzeigen und Ängsten mit Fakten begegnen“, so Neumayer, der auf die neue IV-Initiative digiTALENTE verwies. In einer Fokusgruppe unter Vorsitz von F. Peter Mitterbauer, die aus Industriellen u.a. von voestalpine, Infineon, AT&S, Magna, Atos, Alcatel-Lucent  sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Jungen Industrie und IV-internen sowie externen Expertinnen und Experten bestanden hat, seien die Grundlagen für diese Initiative entwickelt und intensiv diskutiert worden. Darüber hinaus habe die IV-Qualifikationsbedarfserhebung 2016 unter rund 100 Unternehmen Aufschluss darüber gegeben, was die Betriebe bereits heute in betriebliche Weiterbildung investieren und in welchen Bereichen sie den größten Aufholbedarf sehen.
Mitterbauer: Digitalisierung schafft neue und andere Arbeitsplätze 
„Im Rahmen der Initiative digiTALENTE wollen wir uns auf einige wesentliche Umsetzungsnotwendigkeiten sowie Kernbotschaften und Fakten konzentrieren“, so Mitterbauer. So würden durch die Digitalisierung bestehende Berufe in der Regel nicht obsolet, „aber es verschieben sich Arbeitsinhalte von Routine- zu Nicht-Routine-Tätigkeiten. Im Bereich der Produktion ändert sich die Rolle des Menschen vermehrt hin zum ‚Koordinator‘ und ‚Dirigenten‘. Viel wichtiger ist aber, dass neue Berufe entstehen – auch quantitativ.“ So seien im Jahr 1950 im Fernmeldewesen in Österreich insgesamt 10.500 Menschen beschäftigt gewesen – ein Viertel von ihnen als „Fräulein vom Amt“ – wie es damals hieß – in der Vermittlung. Zehn Jahre später gab es nur noch halb so viele Vermittlerinnen. „Heute gibt es das ‚Fräulein vom Amt‘ nicht mehr – dafür waren 2014 im IKT-Sektor 128.000 Menschen beschäftigt. Insgesamt ist die Branche sogar für 290.000 Beschäftigungsverhältnisse verantwortlich“, so Mitterbauer. Bei allen historischen Technologieschüben habe es Befürchtungen gegeben, „die sich aber nie bewahrheitet haben – im Gegenteil. Langfristig wurden über die gesamte Volkswirtschaft hinweg immer mehr Arbeitsplätze geschaffen. So hat sich z.B. die Anzahl an Arbeitsplätzen in Österreich seit 1950 von ca. zwei Millionen auf fast 3,5 Millionen (2015) nahezu verdoppelt. Und laut Wifo könnten allein bis 2020 durch die Digitalisierung in Österreich 40.000 neue Arbeitsplätze im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) entstehen – wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen“. 
Wertschöpfungsabgabe nach Ansicht der IV kontraproduktiv
Ebenso „kontraproduktiv wie unnötig“ seien Ansätze wie jene einer „Wertschöpfungsabgabe“. „Tatsache ist, dass das Beitragsaufkommen der Sozialversicherungen in den vergangenen zehn Jahren um fünf Prozentpunkte rascher gestiegen ist als die nominelle Wirtschaftsleistung. Insbesondere in den Jahren der Finanzkrise um 2009, als das BIP zurückgegangen ist, stiegen die Einnahmen der Sozialversicherung weiterhin konstant“, so Mitterbauer. Das Hauptargument für eine „Maschinensteuer“ sei damit widerlegt, ist Mitterbauer überzeugt. Wichtiger als diese Steuern sei seiner Meinung nach ein „richtiges Agieren im Bereich Qualifizierung und Weiterbildung.“
„In Österreich beträgt die Industriequote derzeit rund 20 Prozent – mit den richtigen Rahmenbedingungen können sich die Unternehmen durch die Digitalisierung im globalen Wettbewerb behaupten und der Anteil der Industrie und der industrienahen Dienstleistungen kann in Österreich weiter gesteigert werden. Dadurch werden Arbeitsplätze in der Produktion gesichert,“ so Mitterbauer. 
Aus- und Weiterbildung ist wichtig
„Knapp neun von zehn Unternehmen sowie jeder Betrieb mit mehr als 250 Beschäftigten in Österreich finanzieren Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durchschnittlich werden pro Person rund 2.000 Euro dafür ausgegeben. Die heimischen Unternehmen zählen damit zu den europäischen Spitzenreitern“, so Kurt Schmid. Laut IV-Qualifikationsbedarfserhebung 2016 würden dennoch 50 bis 70 Prozent der Unternehmen die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der Anforderungen für Industrie 4.0 als noch nicht adäquat bezeichnen. „Daraus leitet sich für Bildung und Qualifizierung ab, dass die Anpassung an den technologischen Wandel über Re-Qualifizierung/Weiterbildung erfolgen muss und dass diese Anpassung in allen (Aus-)bildungssegmenten und auf allen Qualifikationsniveaus notwendig ist“, so Schmid, der dabei auch bildungspolitische Maßnahmen als wesentlichen Faktor erachtete.
Keine Angst vor digitalem Wandel
„Es gibt keinerlei Grund, sich vor dem digitalen Wandel zu fürchten oder – wie wir das leider oft wahrnehmen – den Menschen gar Angst davor zu machen. Voraussetzung sind wirtschafts- und bildungspolitische Rahmenbedingungen, die Wettbewerbsfähigkeit und die sinnvolle Gestaltung der Digitalisierung für Menschen und Unternehmen ermöglichen“, so Neumayer, der dabei u.a. auf MINT-Förderung in Kindergarten und Schule, eine Stärkung der HTL sowie eine Attraktivierung von technisch-naturwissenschaftlichen Hochschulstudien verwies. Hinzu kämen die Forcierung digitaler Kompetenz in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, aber auch grundlegende Faktoren wie moderne, praxisgerechte Arbeitszeitmodelle, eine spürbare Senkung der Steuer- und Abgabenlast sowie „ein insgesamt technologiefreundliches Umfeld und Mindset in Österreich.“


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