Kontaktverbote und Ausgangssperren fordern uns in Corona-Zeiten auf, neue Wege zu finden, um Wissen zu erwerben und zu vermitteln. Das Lernen braucht jetzt eine Anpassung nicht nur von Technik, Kultur und Methode, sondern auch die unserer Selbstlernkompetenz. [...]
Die Formen des E-Learnings fordern von uns neue Fähigkeiten – die Fähigkeit selbstbestimmtes Lernen zu initiieren, zu organisieren, sich immer wieder selbst zu motivieren und das eigene Lernverhalten zu überprüfen. Viele E-Learnings können den Lehrenden (noch) nicht ersetzen und die Selbstlernkompetenzen sind nicht sehr ausgeprägt, so dass beim kostengünstigen Einsatz von E-Learnings, oft der Praxistransfer auf der Strecke bleibt.
Dabei spielt die persönliche Ebene beim Lernen eine bedeutende Rolle. E-Learning kann diese Ebene aber nicht vollständig abbilden. Auch interaktive Videokurse mit Pop-up-Fragen und Spielelementen, Webinare und Live-Videokonferenzen können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Bei Screen- oder Podcasts und vorproduzierten Videos fehlt es völlig am unmittelbaren Kontakt.
Richtiger Rahmen hilft der Motivation
Ganz wichtig ist, dass das Lernen nicht beiläufig passiert, sondern zielgerichtet ist und der Lernende dem Thema starkes Interesse und eine hohe Bedeutsamkeit für sich selbst zuweist. Er muss den Lernprozess selbst gestalten können und dürfen. Lernziele, Inhalte, Lernwege (Methoden und Medien), den Ort, Zeitpunkt, Dauer des Lernens aber auch die Kontrolle des Lernerfolges muss er selbst bestimmen können. Dies steigert die intrinsische Motivation, fördert aktiv die Aneignungsprozesse und die Anwendung des Wissens in der Praxis.
Was fördert die Selbstlernkompetenz?
- Eigenverantwortung entwickeln: Lernenden die Planung und Organisation des E-Learnings überlassen, genügend Lernzeiten einräumen und vor allem den Zugang zu passenden Lernmedien ermöglichen
- Kontrolle abgeben: Ein Abgleich zwischen Lernziel und dem erreichen Level wird vom Lernenden übernommen und ggf. technisch unterstützt
- Alltagstauglichkeit herstellen: E-Learning muss in den Alltag passen. Die Abstimmung des Lernens mit anderen Lebensbereichen wie Beruf und Familie ist entscheidend.
- Hilfestellung und Beratung anbieten: Zeiten für Feedback, Rückfragen und Vorschläge etwa zur Überwindung von Lernblockaden schaffen, um auf die Bedürfnisse des Lernenden einzugehen.
- Lernarrangements schaffen: Unterschiedliche Lernumgebungen kombinieren, die den individuellen Lernstilen, Motivationen und Interessen gerecht werden. Asynchronität ermöglichen: zusammen in Lerngruppen Themen bearbeiten, Lernangebot in Eigenverantwortung umsetzen und diese dann gemeinsam in der Gruppe reflektieren, bevor man zum nächsten Themenbereich übergeht.
Arbeitgeber müssen interaktives Lernen fördern
Selbstgesteuertes Lernen beinhaltet eine soziale Komponente. Der Lernende muss die Fähigkeit besitzen, sich selbst soziale Lernressourcen wie Expertenwissen oder Lernpartnerschaften zu erschließen. Deshalb fordert die Entwicklung von Selbstlernkompetenz vor allem eine Kultur der Partizipation, eine Beteiligung zwischen Lernenden, Leitenden und Lehrenden. Darüber hinaus gilt es, ein Arrangement von E-Learning-Formaten zu schaffen, Lernberatung sicherzustellen und Lernzeiten abzusichern. Das erfordert ein Umdenken – weg vom Kursanbieter hin zum Kompetenzvermittler, der in vielen Unternehmen noch nicht vollzogen ist. Flankieren kann man diese Entwicklung zusätzlich durch grundsätzlich mehr Beteiligung.
Nach dem Ausbruch der Pandemie muss sich Lernen, Lernverhalten und das Leistungsangebot deutlich verändern. Viele Unternehmen kämpfen derzeit damit, Mitarbeiter und Führungskräfte auf Distanz Lernangebote bereitzustellen, die den Umgang mit den Auswirkungen von Corona ermöglichen. Dabei geht es häufig um die Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit im Team, Agilität, Resilienz und Anpassungsfähigkeit im Remote-Modus.
E-Learnings und die Selbstlernkompetenzen müssen sich weiterentwickeln, damit sie auch nach Corona einen festen Bestand haben. Unternehmen müssen den Zugang zu E-Learnings für ein praxisnahes, ansprechendes und interaktives Lernen ermöglichen, um Wirksamkeit und Praxistransfer zu erhöhen. Vor allem aber müssen wir an unserer Selbstlernkompetenz arbeiten, um die Lernangebote effektiver nutzen zu können und uns den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.
*Claudia Schmidt, Expertin für Veränderungsmanagement, ist seit 2008 Geschäftsführerin der Mutaree GmbH. Im Rahmen des Projektes Change-Evolution 2020 ist sie Herausgeberin der Change-Fitness-Studie. Schmidt ist auch als Beraterin an der Frankfurt School of Finance & Management, der European Business School und der WHU Otto Beisheim School of Management tätig.
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