Digitalisierung macht auch vor Marktforschung nicht Halt

Die Marktforschung hat eine lange Tradition und gehört dennoch – oder gerade deshalb – nicht gerade zu den innovativsten Branchen. Doch langsam kann selbst sie sich nicht mehr vor der Digitalisierung verstecken. Mittlerweile ist die Online-Marktforschung zur wichtigsten Erhebungsdisziplin geworden: Laut der Untersuchung "Global Market Research 2014" von ESOMAR liegen Online-Befragungen mit 24 Prozent an der Spitze der Erhebungsmethoden, weit vor der klassischen Telefonbefragung mit 12 Prozent oder Face-to-Face-Interviews mit 9 Prozent. Schriftliche Befragungen per Post rangieren sowieso nur noch unter "ferner liefen" mit 2 Prozent und sind am Aussterben. [...]

„Dieser Prozess hat 15 Jahre gedauert – in anderen Industrien, etwa Film oder Musik, waren es gefühlt zwei bis drei Jahre“, so Thomas Schwabl, Geschäftsführer und Gründer von Marketagent.com. Er hat mit seinem Unternehmen sehr früh auf das Online-Pferd gesetzt und sich seit der Gründung im Jahr 2001 auf Online-Befragungen spezialisiert – wofür seine Mitbewerber damals bestenfalls ein Lächeln übrig hatten. Heute müssen auch sie sich umorientieren, wenn sie nicht ins Hintertreffen geraten wollen. „Noch nie zuvor gab es so viel Volatilität und Bewegung in unserem Markt, der Strukturwandel ist also vorprogrammiert“, so Schwabl weiter.

Schwabl zufolge haben es die „klassischen“ Marktforscher immer schwerer, den Konsumenten zu erreichen. Die Zahl der Festnetztelefone sinkt stetig und wird von den Mobilfunkverträgen „gefressen“. Das Handy hat man jedoch immer dabei, es ist schwer jemanden zum richtigen Zeitpunkt zu erwischen – wenn er nicht gerade unterwegs oder mit anderen Dingen beschäftigt ist. Das steigert nicht gerade die Bereitschaft, sich telefonisch zu einem Thema befragten zu lassen. „Niemand wartet darauf, von Marktforschern angerufen zu werden“, so Schwabl, „man muss sich Zeit nehmen, egal ob persönlich oder telefonisch.“ Natürlich muss man sich auf für eine Online-Befragung Zeit nehmen, doch in einem gewissen Rahmen kann der Befragte selbst entscheiden, wann er teilnimmt.

Doch auch für Online-Marktforscher ist der Job nicht einfacher geworden. Seit NSA-Skandal, Snowden & Co. gehen User bewusster mit ihren eigenen Daten um. „Die Datenschutzthematik ist größer als noch vor zehn Jahren. Die Teilnehmer geben uns viele Daten, können ihre Teilnahme aber auch mit einem Klick beenden“, so Schwabl. Vertrauen lautet das Zauberwort in diesem Zusammenhang. Bei Marketagent.com können Teilnehmer an Befragungen beispielsweise direkt aus den Fragebögen Kontakt zu den Marktforschern aufnehmen, was Vertrauen aufbauen soll. Zudem sieht Schwabl die Notwendigkeit, von Seiten der Marktforschungs-Verbände imagebildende Maßnahmen zu treffen – wie es in Deutschland bereits getan wird. Auch der österreichische Verband überlege, die deutsche Kampagne zu übernehmen, so Schwabl.

MOBILE, BIG DATA, SOCIAL MEDIA & CO.

Natürlich gehen auch aktuelle Trends an der Marktforschung – und im Besonderen an der Online-Marktforschung – nicht vorbei. „Die Diskussion, inwieweit Mobile Research nach Online Research das nächste große Ding ist, wird zunehmend obsolet. Digitale Marktforschung muss bereits heute plattformübergreifend auf allen Endgeräten funktionieren, unabhängig davon ob der Umfrageteilnehmer am PC, am Tablet oder am Handy teilnehmen möchte. Analysiert man heute das Antwortverhalten der Digital Natives, dann wird schnelle klar, Fragebögen müssen zwingend auch am Smartphone funktionieren“, erklärt Schwabl beispielsweise zu einem dieser Trends. Natürlich stellt der andere Formfaktor des Endgerätes geänderte Ansprüche an die Präsentation der Umfrage – ebenso wie das unterschiedliche Rezeptionsverhalten. „Es gibt auch Fragebögen, die mobil keinen Sinn machen.“


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