Digitalisierung in Unternehmen wird oft mit dem Einsatz digitaler Technologien gleichgesetzt. Damit die Potenziale der Digitalisierung aber tatsächlich ausgeschöpft werden können, braucht es eindeutig mehr als das. [...]
Laut einer Microsoft-Studie finden heute nur 12 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer in Ihrem Job die nötigen Rahmenbedingungen vor, um ihr Bestes geben oder ihre Innovationskraft ins Unternehmen einbringen zu können. 13 Prozent der Befragten geben sogar an, kaum produktiv arbeiten zu können. Neben der technischen Ausstattung braucht es daher auch eine starke digitale Unternehmenskultur und Digital Leadership, um Organisationen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen. Zu diesem Ergebnis kam die Microsoft Arbeitsgruppe im Rahmen der Wirtschaftsgespräche in Alpbach.
Unter dem Titel „Digital Leadership – Wie führen Staat und Unternehmen erfolgreich durch die digitale Transformation?“ diskutierten Martin Atassi (Kabinettsreferent für Digitalisierung, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), Thomas Birtel (Vorstandsvorsitzender, Strabag SE), Antonella Mei-Pochtler (Leiterin von Think Austria, der Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung, österreichisches Bundeskanzleramt) und Dorothee Ritz (General Managerin, Microsoft Österreich) unter der Leitung von NEWS-Chefredakteurin Esther Mitterstieler darüber, wie es in Österreich um die Digitalisierung steht, wie digitale Unternehmenskultur und Führung aussehen können und wie ArbeitnehmerInnen auf die Jobs von morgen vorbereitet werden können.
Österreich soll Digitalisierungs-Vorreiter werden
Für die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandorts werden die Geschwindigkeit und die Fähigkeit, neueste Technologien gewinnbringend einzusetzen, spielentscheidend sein. Österreich liegt bei der Digitalisierung derzeit im Mittelfeld – auf Platz 11 unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI). „Unser Anspruch muss es sein, zu den führenden Ländern aufzusteigen“, so Mei-Pochtler. „Wir alle sind Akteure der digitalen Transformation und wir müssen uns die Verantwortung unserer jeweiligen individuellen Rollen in diesem Prozess bewusst machen“. Die Regierung solle dabei als gutes Beispiel vorangehen und die Rolle des Enablers und Facilitators einnehmen. Durch Schaffung passender Rahmenbedingungen müsse Digitalisierung für alle ermöglicht und Barrieren abgebaut werden.
Wie aber müssen die Weichen in Staat, Unternehmen und Gesellschaft gestellt werden, damit Österreich es unter die Spitzen-Nationen schafft? „Es hilft, den Status quo zu kennen und von den Besten zu lernen“, meint Mei-Pochtler und blickt zu den Vorreitern der Digitalisierung, wie Dänemark, Schweden und Finnland. „Im Bereich e-Government haben diese Österreich bereits vor Jahren überholt: In Schweden ist für Bürgerinnen und Bürgern z.B. heute die Steuererklärung per SMS möglich. In Estland sind 99% der öffentlichen Services online zugänglich.“ Österreich will hier nachziehen: Ziel ist es, die 10 häufigsten Behördengänge zu digitalisieren. Wir bauen den digitalen Staat“, so Atassi.
Innovation statt Anpassung
Von den Besten zu lernen ist gut und inspirierend, denn auch heute noch wissen die meisten europäischen Unternehmen nicht genau, wie sie die digitale Transformation in ihr Tagesgeschäft integrieren sollen. Es fehlt an konkreten Digitalisierungsstrategien. Gleichzeitig ist es auch ein Problem, dass keine echte Innovation passiert und Österreichs Unternehmen und Organisationen mehrheitlich auf Anpassung setzen. „Es braucht insgesamt mehr Mut und Investitionen. Unternehmen müssen ihr digitales Business als zweites Standbein etablieren, bevor es ein anderer Player tut – nur so bleiben sie in Zukunft wettbewerbsfähig“, so Ritz. Dies stelle für eine Firma wie Österreichs größtem Bauunternehmen eine große Herausforderung dar, räumt Strabag-Chef Birtel ein.
Es gebe eine klare Digitalisierungsstrategie, um Prozesse zu verbessern und zu erleichtern, aber letztlich bleibt der Kern von Strabag das reale Bauprojekt. Und es ginge eben nicht von heute auf morgen, sondern könne Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern: „Nicht jeder Oberbauleiter begreift Digitalisierung als erfreuliche Herausforderung, mancher sieht sie auch noch als Bedrohung und ist trotzdem ein guter Baumann“, so Birtel weiter. Das Unternehmen werde weiterhin kontinuierlich in die digitale Baustelle investieren. Künftig wird auch das Berufsbild „Building Information Modelling“-Manager (BIM) von Strabag angeboten.
Unternehmenskultur & Digital Leadership als Schlüssel für erfolgreiche digitale Transformation
„In Österreich denken wir in Grundzügen bereits in die richtige Richtung – jedoch hat die Digitalisierung nach wie vor nicht den Weg in die Unternehmenskultur gefunden, wie eine aktuelle Microsoft Studie zeigt“, so Ritz. „Nur wer erkennt, dass digitale Transformation neben technologischem Fortschritt vor allem auch kulturellen Wandel bedeutet, wird seine Organisation erfolgreich in die digitale Zukunft führen“. Technologie treibe sie an, aber die eigentlich Digitalisierung passiere in den Köpfen der Menschen, so Atassi. Dazu brauche es starkes Digital Leadership und die Anpassung der Arbeitsbedingungen.
Digital Leadership sei eine ganz andere Art zu führen. Damit Unternehmen heute die nötige Agilität erreichen, um schnell genug auf Veränderungen reagieren zu können, müssen starre Hierarchien aufgelöst, Silodenken und Herrschaftswissen radikal abgeschafft und Transparenz und Vernetzung gefördert werden, waren sich Ritz und Atassi einig.
„Digitalisierung heißt für Führungskräfte auch, Mitarbeitern zu vertrauen und ihnen mehr Verantwortung zu übergeben, mehr zu coachen und zu unterstützten und weniger zu kontrollieren. Die Mitarbeiter wiederum müssen mutig sein, gerne lernen und sich weiterbilden. Digital Leadership heißt deshalb auch ermutigen und vorantreiben“, erläutert Ritz.
Bildung für die Jobs der Zukunft
Wie aber lassen sich heutige und künftige ArbeitnehmerInnen auf die Jobs von morgen vorbereiten? Die Diskutierenden waren sich einig: digitale Bildung ist ein Muss auf dem Weg in die Zukunft. Besonders das Schulsystem und System der beruflichen Bildung brauche jetzt dringend ein Update, betont Ritz. Außerdem müssen mehr Mädchen für Technologie begeistert werden, Codingsworkshops für Kinder und offizielle Ausbildungsmaßnahmen für Lehre angeboten werden, wie es sie bei Microsoft bereits auf freiwilliger Basis gebe.
Ein erster Schritt, das Ausbildungssystem anzupassen, sei bereits gemacht. „Seit diesem Sommer gibt es neue bzw. modernisierte, mit digitalen Inhalten angereicherte Berufsbilder, darunter die Ausbildung zum E-Commerce-Kaufmann und zum Glasverfahrenstechniker“, so Atassi. Um dem Fachkräftemangel im Bereich IT, Telekommunikation und Digitalisierung gegenzusteuern, werde Coding als Lehrberuf eingeführt.
Was in Hinblick auf digitale Bildung nicht vergessen werden dürfe: auch die Nachzügler müssen mitgenommen werden. Digitalisierung brauche Inklusion, so der Tenor. Zu diesem Zweck gebe es bereits Pilotprojekte, für die heuer rund eine Million Euro vorgesehen seien, so Atassi. Aber auch künstliche Intelligenz könne laut Ritz bei der Inklusion helfen, beispielsweise um Sprachbarrieren durch Übersetzungs-Apps zu überwinden.
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