PropTechs (Property Technology), die die digitale Transformation der Immobilienbranche (oft Startups) vorantreiben, sind im Kommen. Doch die Branche hat mit zahlreichen Baustellen zu kämpfen. Die COMPUTERWELT hat sich aktuelle Studien angesehen. [...]
Die Digitalisierungsbestrebungen in der Immobilienbranche nehmen Fahrt auf, so das zentrale Ergebnis einer Trend-Umfrage, die RUCKERCONSULT im Auftrag der Cloudbrixx GmbH unter Akteuren der Immobilienwirtschaft durchgeführt hat. Ein Großteil der Immobilienunternehmen hat bereits einen Digitalisierungsbeauftragten oder eine Digitalisierungsabteilung und greift auf eine Digitalisierungsstrategie zurück bzw. erarbeitet diese derzeit. Auch liegen mit durchschnittlich 82 Prozent die meisten Informationen und Dokumente in digitaler Form vor. Jedoch arbeitet nur gut jeder zehnte mit digitalisierten Prozessen und einem zentralen System, in welches Daten automatisch eingespeist und jederzeit ausgewertet werden können. Dieses Missverständnis zwischen der digitalen Repräsentation von Informationen (Digitzation) und der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen (Digitalization) führt dazu, dass Unternehmen ihren Digitalisierungsgrad häufig überschätzen.
Mitten in der heißen Phase
Lediglich zwei Prozent der von RUCKERCONSULT Befragten gaben an, dass die Prozesse in ihrem Unternehmen weitestgehend digitalisiert sind, sieben Prozent befinden sich in der Anfangsphase der Digitalisierung. Das heißt die Mehrheit der Unternehmen ist derzeit in einer Umsetzungsphase. „Digitalisierung geschieht nicht über Nacht“, sagt Marc Mockwitz, Geschäftsführer der Cloudbrixx GmbH. „Besonders in großen Unternehmen gibt es langwierige Entscheidungsprozesse. Immerhin betrifft die Umstellung auf digitale Lösungen in der Regel alle Abteilungen. Da will die Auswahl des Anbieters wohldurchdacht sein.“ Dass viele Immobilienunternehmen bereits in der heißen Phase der Digitalisierung stecken, spiegelt sich im hohen Anteil an Unternehmen mit einer Digitalisierungsstrategie (60 Prozent) und einer Digitalisierungsabteilung bzw. Digitalisierungsbeauftragtem (70 Prozent) wider.
Baustelle „Digitaler Workflow“
Laut Befragung benutzen 80 Prozent der Teilnehmer zwischen einem und vier Programmen in Ihrem Arbeitsalltag, abseits der üblichen Standardanwendungen aus der Microsoft- oder Apple-Welt. Doch der Datenaustausch zwischen diesen Programmen funktioniert nur bei neun Prozent der Befragten reibungslos. Das heißt 91 Prozent haben mehr oder weniger häufig mit Problemen zu kämpfen. „In der Praxis sehen wir sehr häufig Softwarelandschaften, die mangelhaft oder gar nicht miteinander verbunden sind. Infolge fehlender Schnittstellen kommt es dann häufig zu Medienbrüchen und in der Folge zu Datenverlust“, sagt Marc Mockwitz. Dabei bemühen sich die Unternehmen, ihre Softwaresysteme miteinander zu verbinden. Knapp zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie Software verwenden, die mittels Schnittstellen einen digitalen Datenfluss gewährleisten sollen. Doch nur acht Prozent konstatieren, dass der Datenfluss auch sehr gut funktioniert. „Die Antworten zeigen deutlich auf, dass die verbundenen Softwaresysteme mangelhaft arbeiten. Echte digitale Workflows sind unserer Erfahrung nach eher selten vorhanden“, sagt Mockwitz.
„Unternehmen stecken bei der Digitalization noch in den Kinderschuhen“
Die Datenlage in der Immobilienwirtschaft ist bereits sehr digital. Laut der Einschätzung der Befragten liegen durchschnittlich 82 Prozent der Daten, mit denen sie arbeiten, in digitaler Form vor. Aber nur 12 Prozent dieser digital abgelegten Daten werden in ein zentrales System eingespeist, das jederzeit den Zugriff und die Auswertung der eingegangenen Informationen ermöglicht. Marc Mockwitz kommentiert: „Dieser geringe Anteil deutet auf einen Sachverhalt hin, den wir immer wieder feststellen: Unternehmen überschätzen ihren Digitalisierungsgrad. Und das liegt an der unscharfen Definition des Begriffs hierzulande. In der englischen Sprache wird unterschieden zwischen ‚Digitization‘, also der Überführung analoger Informationen in die Welt der Einsen und Nullen, und ‚Digitalization‘, die die Umstellung und Automatisierung ehemals händischer Prozesse, gegebenenfalls mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, in komplett digitale Workflows umfasst. In Deutschland sind viele Unternehmen bereits weit vorangeschritten bei der Digitization, sind bei der eigentlichen Digitalization aber noch nicht so weit“.
Neue Geschäftsmodelle mit Hindernissen
Die Technische Hochschule Aschaffenburg hat sich gemeinsam mit dem auf die Digitalisierung der Immobilienbranche spezialisierten blackprint Booster und dem Anbieter von PropTech Consulting brickalize! in der Studie „PropTech Germany 2020“ dem Thema wissenschaftlich genähert. Eine zentrale Erkenntnis: Die größte Hürde beim Aufbau eines Geschäftsmodells liegt für PropTechs in Deutschland aufgrund der vorherrschenden Intransparenz in der Immobilienbranche im Zugang zu und der Auswertung von Daten.
Die Ergebnisse im Detail:
- Voraussetzungen für die erfolgreiche Etablierung eines PropTech-Geschäftsmodells: Rund 80 Prozent der befragten Gründer und C-Level-Vertreter geben an, dass Ineffizienzen im persönlichen oder beruflichen Umfeld ausschlaggebende Impulse für den Aufbau ihres Geschäftsmodells waren. Um Branchenbedürfnisse zielgerecht adressieren zu können, ist nach Einschätzung der Studienteilnehmer ein umfassendes Verständnis für die oftmals komplexe und heterogene immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungskette notwendig. Da viele PropTech-Unternehmen im Wesentlichen mit IT-getriebenen Geschäftsmodellen in den Markt eintreten, raten die Interviewpartner, Branchenexpertise bei Bedarf extern einzuholen.
- Die größten Hürden beim Aufbau eines Geschäftsmodells: 94 Prozent der Befragten betrachten den erschwerten Zugang zu und die Auswertung von Daten als größte Hürde. 88 Prozent geben die Heterogenität der Branche als weitere signifikante Hürde an. Auch das mangelnde Verständnis der etablierten Unternehmen für PropTech-Geschäftsmodelle (75 Prozent) und der Mangel an fachlich qualifizierten wie versierten Entwicklern (75 Prozent) erschwert den Aufbau eines neuen Geschäftsmodells.
- Kooperationen im PropTech-Markt: Um etablierten Unternehmen Gesamtlösungen anzubieten und die eigene Wahrnehmung im Markt zu verbessern, wächst die Bedeutung technischer und vertriebsseitiger Kooperationen unter den PropTechs. Rund 78 Prozent der Befragten geben an, bereits mit anderen PropTech-Unternehmen zu kooperieren. 100 Prozent sind auch künftig Kooperationen mit anderen PropTechs gegenüber aufgeschlossen. Der Fokus liegt dabei auf der produktorientierten Zusammenarbeit, die durch den Auf- und Ausbau von Schnittstellen darauf abzielt, mit anderen, komplementären PropTech-Lösungen gesamte Prozessabschnitte der jeweiligen Zielkunden abzubilden.
- Nach ihrer Einschätzung der Marktentwicklung und einer Prognose ihrer künftigen Auftragslage gefragt, sehen die Studienteilnehmer perspektivisch grundsätzlich mehr Chancen als Barrieren. Die COVID-19- Pandemie habe eine Sensibilisierung für die Nützlichkeit und Notwendigkeit digitaler Innovationen begünstigt. Zugleich zeigt die Studie deutlich, dass die Rahmenbedingungen für PropTechs in der Immobilienbranche nach wie vor verbesserungsfähig sind.
Verena Rock, Direktorin des Instituts für Immobilienwirtschaft und -management an der TH Aschaffenburg, leitet daraus ab: „Der Zeitpunkt für unsere Studie hätte nicht besser sein können. Bisher haben sich Studien zur Digitalisierung der Immobilienwirtschaft im deutschsprachigen Raum auf die Sicht der etablierten Unternehmen konzentriert. Mit unserer PropTech Germany 2020-Studie schließen wir diese Lücke und stellen die PropTechs in den Fokus. Ein besseres Verständnis beider Seiten füreinander ist ausschlaggebend, um die nach wie vor langsam voranschreitende Digitalisierung der Immobilienbranche voranzutreiben.“
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