Digitalisierung zwischen Tradition und Transformation

Seit über 137 Jahren steht Braun Büffel für feines Leder, handwerkliche Qualität und zeitloses Design. Doch die Digitalisierung ist eine Herausforderung. In diesem Werkstattbericht teilt Artur Wagner, Chief Digital Officer bei Braun Büffel, seine Erfahrungen, zeigt Stolperfallen auf und gibt praktische Tipps für alle, die sich auf den Weg der digitalen Transformation machen. [...]

Influencer Marketing ist Teil der Transformationsstory von Braun Büffel. (c) Braun Büffel

Seit über 137 Jahren steht Braun Büffel für feines Leder, handwerkliche Qualität und zeitloses Design. Doch die Digitalisierung fordert uns heraus: Wie bewahren wir unser Erbe – und öffnen uns gleichzeitig neuen, digitalen Wegen? Wie bleibt der stationäre Fachhandel stark, wenn wir direkt an unsere Kunden verkaufen wollen (Direct-to-Consumer-Ansatz – D2C)?

In diesem Werkstattbericht teile ich Erfahrungen, zeige Stolperfallen und gebe praktische Tipps – für alle, die sich auf den Weg der digitalen Transformation machen.

Vom stationären Handel zur digitalen Black Box

Jahrzehntelang verkauften wir erfolgreich über den stationären Handel. Doch die Regalflächen schrumpften, die Kunden wechselten ins Netz – wir mussten umdenken. Die größte Hürde: Unser erster Online-Shop. Technisch starr, kaum erweiterbar, unfähig, schnell auf Wünsche zu reagieren oder Neues zu testen.

Deshalb der Neustart im Jahr 2020 – zunächst mit Magento, ab 2024 mit Shopify. Unser Ziel: Mehr Tempo, mehr Flexibilität, direkter Draht zum Kunden. Der neue Shop sollte mit ERP, Logistik und Produktdatenbank nahtlos zusammenspielen – ein Umbau, der uns intern viel abverlangte.

Heute setzen wir neue Funktionen wie Farbvergleich oder Live-Chat in wenigen Tagen um. Früher brauchten wir dafür Wochen.

Aus der Black Box wird Kundenwissen

Der direkte Draht zum Kunden verändert alles: Dank unseres D2C-Ansatzes wissen wir genau, was unsere Kunden suchen, kaufen und zurückschicken. Diese Daten helfen uns täglich, das Sortiment zu verbessern und neue Produkte zu entwickeln. So entstand zum Beispiel unsere Handschuhkollektion – angestoßen durch häufige Suchanfragen im Shop. Direktes Feedback macht auch mutige Ideen möglich. Etwa unsere Gamer-Kooperation: Hochwertige, funktionale Rucksäcke, entwickelt mit dem E-Sport-Team SK Gaming. Noch vor wenigen Jahren hätten wir diese Zielgruppe nicht einmal wahrgenommen.

Neue Zielgruppen gewinnen – direkt, digital, persönlich

Um junge Menschen zu erreichen, die viel online sind, setzen wir nicht nur auf neue Produkte. Wir sprechen sie auch auf neuen Wegen an – zum Beispiel über WhatsApp. Der direkte Austausch per Messenger schafft Nähe.

Dazu kommt der Einsatz künstlicher Intelligenz: Unsere KI hilft uns, passende Inhalte zu erstellen, das Sortiment zu verbessern und bald auch im Online-Shop individuell zu beraten.

Die Texte für Shop und Newsletter entstehen zu einem großen Teil automatisch, mit abschließender menschlicher Endredaktion – in gleichbleibender Qualität und mit wenig Aufwand. Zugleich beantwortet ein KI-gestützter Chatbot einfache Fragen. So wird unser Kundenservice schneller und besser.

Datenbasiert Produkte schaffen – Kundenbedürfnisse verstehen. (c) Braun Büffel


Fünf Schritte, wie Mittelständler ihre Digitalisierung erfolgreich starten

Aus unserer Erfahrung helfen fünf Schritte besonders beim Einstieg in die digitale Welt:

  1. Ehrliche Analyse: Was läuft gut, was nicht? Wo soll die Reise hingehen? Nur wer die Lage klar erkennt, kann gezielt handeln.
  1. Alle ins Boot holen: Digitalisierung ist Teamarbeit. Interne Machtkämpfe in der Belegschaft oder fehlende Abstimmung mit Partnern bremsen den Fortschritt. Früh und offen kommunizieren hilft. Es geht darum die Mitarbeitenden abzuholen und in den Wandel zu integrieren.
  1. Klar priorisieren: Setze auf Projekte mit echtem Mehrwert. Investiere in das, was dem Kunden nützt – nicht in das, was gerade „im Trend“ ist.
  1. Neues wagen: Standardlösungen sind bequem, aber selten die besten. Teste eigene Ideen – im A/B-Vergleich, angepasst an Marke und Kunden.
  1. Starke Partner suchen: Technik, Beratung, Service – gute Digitalisierung gelingt nur mit den richtigen Mitspielern. Uns hat zum Beispiel der Wechsel zu Shopify Plus enorm vorangebracht.

B2B-Commerce – ein starker Zusatz zum Fachhandel

Unsere B2B-Strategie verbindet die Stärken des Fachhandels mit den Chancen der Digitalisierung. Wir arbeiten bereits am offiziellen B2B-Shop, ausgewählte Partner testen bereits die Vorabversion unseres Händlerportals. Es bietet Produktverfügbarkeiten, Marketingmaterialien, Schulungen, ein Händlerforum – und exklusive Einblicke in unser D2C-Geschäft. Ziel: Den Fachhandel mit klaren, datenbasierten Informationen versorgen, damit er sein Sortiment besser planen kann.

Parallel bauen wir unser B2B-Angebot aus: Taschen und Accessoires mit individuellem Branding – maßgeschneidert für die Bedürfnisse unserer Kooperationspartner – wie etwa bekannte Automarken, Fluggesellschaften, Hotels und Luxusmarken. Der vollständige Start des Händlerportals ist für Anfang 2026 geplant.

Digitale Transformation heißt nicht, Tradition aufzugeben

Wir kommen aus dem Lederhandwerk – und zeigen das. Mit unserem Motto „Leather Goods with a Story“ erzählen wir die Herkunft jedes Stücks: vom ersten Schnitt bis zur letzten Naht. Und jedes Stück schreibt seine eigene Geschichte im Leben des Kunden. Deshalb gehört für uns ein lebenslanger Reparaturservice dazu. Denn Fortschritt heißt für uns: Bewährtes bewahren und Neues wagen. Digitale Transformation bedeutet deshalb nicht, unsere Wurzeln zu kappen.

Typische Stolperfallen – und wie man sie vermeidet

Aus unserer Erfahrung zeigen sich immer wieder dieselben Hindernisse:

  • Perfektion als Bremsklotz: Wer auf das perfekte Produkt wartet, kommt oft gar nicht erst vom Fleck. Besser: Mit einem MVP (Minimum Viable Product) starten und Schritt für Schritt verbessern.
  • Fehlende gemeinsame Ausrichtung: Eine erfolgreiche Transformation gelingt nur, wenn alle im Unternehmen an einem Strang ziehen – von der Führungsebene bis zu den Mitarbeitenden. Gute Ideen entfalten nur dann ihre Wirkung, wenn sie gemeinsam getragen und umgesetzt werden.
  • IT-Systeme, die nicht miteinander sprechen: Neue Tools lassen sich oft nicht nahtlos einfügen. Die Folge: Reibungsverluste, doppelte Arbeit, Frust.
  • Silodenken statt Weitblick: Wer nur bis zur Abteilungsgrenze schaut, übersieht den Kunden. Gute Prozesse brauchen den Blick aufs Ganze – und auf die gesamte Kundenreise.
  • Technik vor Nutzer: Wenn Funktionen wichtiger sind als das Nutzererlebnis, geht der Kunde verloren – trotz modernster Technik.
  • Datenmangel: Wer seine Kunden nicht kennt, entwickelt am Bedarf vorbei. Ohne klare Erkenntnisse über Verhalten und Wünsche verpufft jede Maßnahme.
  • Das falsche Angebot: Oft fehlt es an frischen Farben, neuen Styles oder cleveren Funktionen. Produkte müssen zur Zielgruppe passen – nicht nur technisch, sondern auch emotional.
Leuchtende Farben für neue Zielgruppen. (c) Braun Büffel)

Über Braun Büffel und den Autor Artur Wagner

Braun Büffel fertigt hochwertige, handgemachte Lederwaren mit Unternehmenssitz in Kirn in Rheinland-Pfalz. Das Unternehmen vereint hochwertige Lederverarbeitung, Familiengeschichte und Tradition. Das Familienunternehmen wurde 1887 gegründet und produziert als einer der wenigen der Lederwarenbranche in Deutschland am Gründungsort Kirn und in Offenbach. Ergänzend dazu arbeitet das Unternehmen seit Jahrzehnten mit ausgezeichneten Partnermanufakturen im Ausland. Zu dem Produktsortiment gehören hochwertige, handgefertigte Lederwaren wie Geldbörsen, Portemonnaies, Businesstaschen, Handtaschen, Rucksäcke, Schlüssel- und Kartenetuis sowie Lederaccessoires für Damen und Herren.

* Artur Wagner ist als Chief Digital Officer dafür verantwortlich, die Digitalisierung von BRAUN BÜFFEL voranzutreiben und das Unternehmen mit einem internationalen Omnichannel-Ansatz für die Zukunft aufzustellen. Artur verfügt über 20 Jahre E-Commerce-Erfahrung und war seit vielen Jahren in Führungsrollen im E-Commerce. Der Digital- und Gaming-Enthusiast lebt mit seiner Familie in Kirn.


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