Digitalkonzerne dominieren die Weltbörsen

EY-Analyse: Apple bleibt teuerstes Unternehmen der Welt, Alibaba schiebt sich erstmals in die Top 10. [...]

Die Digitalisierung führt zu immer neuen Höhenflügen von Technologiekonzernen an den Weltbörsen: Von den zehn teuersten börsennotierten Unternehmen der Welt sind zur Jahresmitte sieben Internet- bzw. Softwarekonzerne.
 
Nach wie vor wird das Börsenranking dabei von US-Konzernen dominiert: Unter den Top 10 sind acht Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten – vor einem Jahr bestand das Top-10-Ranking allerdings noch ausschließlich aus US-Konzernen. Neu hinzugekommen sind zwei chinesische Unternehmen: der Online-Händler Alibaba, der seit Jahresbeginn einen Sprung von Rang 19 auf 8 (356 Milliarden US-Dollar) gemacht hat, und der Internetkonzern Tencent, der drei Plätze gutgemacht hat und nun Rang zehn belegt (341 Milliarden US-Dollar).
 
Das teuerste Unternehmen der Welt bleibt Apple: Der Börsenwert des iPhone-Herstellers stieg seit Anfang des Jahres um 21 Prozent auf 749 Milliarden US-Dollar. Dahinter platzieren sich der Google-Mutterkonzern Alphabet, dessen Börsenwert im Lauf des vergangenen Halbjahrs um 19 Prozent auf 642 Milliarden US-Dollar gestiegen ist, und der Softwarekonzern Microsoft mit einem Börsenwert von derzeit 529 Milliarden US-Dollar – das sind neun Prozent mehr als zu Jahresbeginn.
 
Das am höchsten bewertete europäische Unternehmen ist der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé, der mit einer Marktkapitalisierung von knapp 271 Milliarden US-Dollar den 13. Rang belegt. Aus Österreich ist kein Unternehmen unter den höchstbewerteten Unternehmen der Welt vertreten.
 
Das sind Ergebnisse einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, die halbjährlich die Marktkapitalisierung der 100 bzw. 300 am höchsten bewerteten börsennotierten Unternehmen weltweit untersucht.
 
„Das starke Abschneiden von Technologie- und Internetkonzernen zeigt, dass Investoren weltweit derzeit klar auf digitale Geschäftsmodelle setzen, denen zugetraut wird, mit völlig neuen technologiebasierten Konzepten ganze Branchen zu revolutionieren“, so Gerhard Schwartz, Partner und Leiter des Assurance-Bereichs bei EY Österreich.
 
Von den 300 am höchsten bewerteten Unternehmen der Welt sind 36 IT-Konzerne. Während der Gesamtwert aller 300 Unternehmen im ersten Halbjahr um elf Prozent stieg, kletterte der Börsenwert der IT-Unternehmen sogar um 22 Prozent nach oben – dieser wuchs also doppelt so stark wie der Gesamtwert.
 
„Die Auswirkungen der Digitalisierung werden immer stärker sichtbar und erfassen immer mehr Branchen und Lebensbereiche. Wir erleben eine fundamentale Umwälzung, die angetrieben wird von innovativen und zunehmend auch hochprofitablen Technologiekonzernen“, so Schwartz.
 
USA geben in der IT-Branche den Ton an
Von den 36 IT-Konzernen (Computer/Internet/Software), die sich derzeit im Ranking der 300 teuersten Unternehmen der Welt platzieren können, haben 20 ihren Sitz in den USA, 13 sind in Asien ansässig und gerade einmal drei Unternehmen kommen aus Europa. Der Börsenwert der US-IT-Konzerne in den Top 300 liegt bei knapp vier Billionen US-Dollar – die drei IT-Konzerne mit Sitz in Europa sind zusammen 255 Milliarden US-Dollar wert.
 
„Die europäische Wirtschaft ist nach wie vor geprägt von klassischen Industriekonzernen, während sich in den USA die IT-Industrie zur Leitbranche entwickelt hat. Und auch in Asien entsteht ein starker und dynamischer IT-Sektor“, stellt Schwartz fest. Er führt die starke Entwicklung in den USA und Asien auch auf die höhere Risikobereitschaft amerikanischer und asiatischer Unternehmensgründer und die hohe gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmertums zurück.
 
Die relativ geringe Bedeutung des IT-Sektors könnte in Europa zum Problem werden: „Die Digitalisierung schreitet in großen Schritten voran – und derzeit werden die Regeln in erster Linie von amerikanischen und asiatischen IT-Konzernen gemacht. Die klassischen Industriekonzerne stehen unter erheblichem Druck, zum einen ihre internen Prozesse und die Produktion stärker zu digitalisieren, aber auch darüber nachzudenken, wie ihre Produkte in die digitale Welt passen“, so Schwartz.
 
Er ist allerdings zuversichtlich, dass auch österreichische Industrieunternehmen mittelfristig zu den Gewinnern der Digitalisierung gehören werden: „Die Digitalisierung birgt gerade für einen Hochlohnstandort wie Österreich enorme Potenziale. In Österreich produzierende Unternehmen werden in den kommenden Jahren die immer engere Verzahnung der industriellen Produktion mit den IT-Systemen vorantreiben, um Produktivitätsfortschritte und Kostenvorteile zu erzielen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Industrie 4.0 bietet also erhebliche Chancen: Industrieunternehmen, die die Digitalisierung verstehen und sie konsequent für ihre Produktion umsetzen, können die Art und Weise, wie in Zukunft produziert wird, entscheidend prägen und damit weltweit konkurrenzfähig sein.“
 
Europa und Asien holen gegenüber den USA leicht auf
Trotz der US-Dominanz in der boomenden IT-Branche: Der Börsenwert der US-Konzerne insgesamt entwickelte sich in der ersten Jahreshälfte etwas schlechter als derjenige der europäischen und asiatischen Konkurrenz. Während 77 Prozent der zurzeit in den Top 300 gelisteten US-Unternehmen ihren Börsenwert seit Jahresbeginn steigern konnten, gelang dies immerhin 85 Prozent der europäischen und sogar 88 Prozent der asiatischen Topkonzerne.
 
Die US-Unternehmen verzeichneten im ersten Halbjahr einen Wertzuwachs von neun Prozent, der Gesamtwert der europäischen Unternehmen im Ranking stieg hingegen um zwölf Prozent. Die asiatischen Unternehmen konnten beim Börsenwert sogar um 19 Prozent zulegen. Nach wie vor dominieren aber US-Konzerne die Weltbörsen: Von den 100 wertvollsten Unternehmen haben 52 ihren Sitz in den USA – zu Jahresbeginn waren es noch 57. Europa ist mit 26 Unternehmen vertreten (Jahresbeginn: 23), Asien wie vor sechs Monaten mit 19.
 
„Europa ist stärker, als das Börsenranking suggeriert“, betont Schwartz: „Zum einen gewinnt die europäische Wirtschaft zurzeit an Fahrt, zum anderen haben wir in Europa eine industrielle Basis, die man beispielsweise in den USA vergeblich sucht. Wir befinden uns in einer Umbruchphase: Derzeit belohnen die Börsen eher die Angreifer und ihre disruptiven Geschäftsideen. Aber auch in der digitalisierten Wirtschaft der Zukunft werden produzierende Unternehmen mit Hightech-Kompetenz gebraucht, und hier kann Europa punkten.“


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