DNA als Speichermedium: Storage der Zukunft?

Per DNA wollen Forscher digitale Daten über Jahrtausende speichern. Bislang klappt das nur über Jahrhunderte - und analog, nicht digital. [...]

In Fossilien eingeschlossene DNA brachte nicht nur den Kassenschlager Jurassic Park hervor, sondern könnte auch die Grundlage für den Storage der Zukunft sein (c) pixabay.com

Wer kennt nicht Steven Spielbergs Film Jurassic Park, in dem der Milliardär John Hammond aus im Bernstein eingeschlossener DNA nach Millionen von Jahren wieder Saurier züchtet? Genau das gleiche Prinzip – DNA in einer künstlichen Fossilie eingeschlossen – wollen die beiden Wissenschaftler Robert N. Grass und Wendelin Stark nutzen, um einen langlebige Storage-Lösung auf den Markt zu bringen.

Der Grund: Die zunehmende Digitalisierung führt zu einem immanenten Problem: Wie können die generierten digitalen Informationen so gespeichert werden, dass spätere Generationen noch nach Jahrhunderten – ähnlich wie bei einem Buch – auf die Inhalte zugreifen können? Stand heute gibt es für die digitale Speicherung schlicht noch keine Langzeitlösung, denn bei den Mikrofilmen (Haltbarkeit etwa 500 Jahre) handelt es sich ebenfalls um ein analoges Verfahren. Klassische Backup-Medien wie Tapes halten sogar nur rund 20 Jahre, bevor sie zerfallen oder sich zersetzen. Festplatten oder selbst beschriebene BluRay Discs sollen dagegen immerhin knapp 50 Jahre lesbar sein – immer eine optimale Lagerung vorausgesetzt.

DNA als Langzeit-Storage

Dagegen sollen mit der DNA-Datenspeicherung des österreichisch-schweizerischen Teams Grass und Stark Informationen über Jahrtausende hinweg gespeichert werden können. Unter Laborbedingungen haben die beiden Forscher, die als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts in der Kategorie „Forschung“ nominiert sind, bereits eine Lagerung von 2.000 Jahren unter den Umwelteinwirkungen Mitteleuropas simulieren.

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Der Idee der beiden Wissenschaftler von der ETH Zürich basiert auf dem Gedanken, dass sich DNA nicht nur zur Speicherung der genetischen Information eines Lebewesens eignet, sondern auch als Mittel zur Aufbewahrung von Daten genutzt werden könnte. Dies geschieht durch die Umwandlung von digitalen Daten (eine Reihe von Nullen und Einsen) in eine entsprechende Sequenz der vier DNA-Basenpaare.

Allerdings hat die Angelegenheit einen Haken: Ungeschützte DNA-Stränge werden chemisch schnell zersetzt, wenn sie Wasser, Luft und Hitze ausgesetzt sind. Grass und Stark ließen sich zur Lösung dieses Problems von Fossilien inspirieren, in denen die DNA über Hunderttausende von Jahren konserviert ist. „Die Herausforderung war klar: DNA stabil zu machen“, erklärt Grass. „Fossilien erwiesen sich als der richtige Weg. Daher untersuchten wir die chemische Struktur von Glasablagerungen auf der DNA, was uns schließlich zu der Verkapselungstechnologie führte.“

DNA als Speicher – mit synthetischen Fossilien

Diesen Schutzeffekt bildeten die Forscher nach, indem sie synthetische DNA in Glaspartikel einschlossen, die bis zu 10.000-mal dünner als ein Blatt Papier sind. Mithilfe einer Synthesetechnik werden die gewünschten Daten in DNA umgewandelt, die in Glaspartikel eingeschlossen wird. Diese nicht-porösen „Glasfossilien“ schützen die DNA vor den meisten Korrosionsmedien und Temperaturschäden. Gleichzeitig kann sie leicht wiedergewonnen und gelesen werden, indem die Partikel mit einer Fluoridlösung behandelt werden, die zwar Glas auflösen kann, aber die Information nicht beschädigt.

Dass dies keine graue Theorie ist, zeigten die Wissenschaftler bereits 2018. Sie legten das Album „Mezzanine“ der Gruppe Massive Attack im DNA-Format neu auf. Dazu kodierten die Forscher eine 15 MB große Datei in Stränge synthetischer DNA. Ein weiterer Beleg für das Datenspeicherungspotenzial der DNA-Technologie folgte 2020, als die erste Episode der Netflix-Serie „Biohackers“ – eine 100 MB große Videodatei – erfolgreich auf DNA gespeichert wurde.

Die Forscher Robert Grass (rechts) und Wendelin Stark wollen DNA als Langzeitspeicher nutzen (c) Europäisches Patentamt

Erfolge, die aber nicht darüber hinwegtäuschen können, dass der praktische Einsatz der Technik heute noch stark eingeschränkt ist, da die Kosten für das Schreiben synthetischer DNA noch sehr hoch sind. Aber Grass und Stark arbeiten daran, diese zu senken, indem sie die Ausrüstung für die DNA-Synthese vereinfachen. Grass ist jedoch zuversichtlich, dass die neue Technologie in den nächsten Jahren den Zugriff auf Megabytes an DNA-Speicher für nur wenige Euro ermöglichen wird, Damit wäre sie dann für die sichere Speicherung wertvoller Informationen geeignet.

Speichermedium DNA – kommerzielles Spin-Off

Sind nur kleinere Informationsschnipsel gefragt, so steht bereits heute einer kommerziellen Nutzung nichts im Wege. 2016 gründeten Grass und Stark das ETH-Spin-Off-Unternehmen Haelixa AG. Die Glasfossilien von Haelixa lassen sich als Barcode für Tracking-Zwecke nutzen. Die winzigen DNA-haltigen Partikel werden hierzu auf ein Produkt oder eine Substanz aufgebracht und später zur Verifizierung abgerufen. Die Technik wurde, so die Forscher, bereits eingesetzt, um unterirdische Wasserflüsse zu verfolgen und Produkte in ihrer Lieferketten zu verifizieren – etwa Bio-Baumwolle oder Edelsteine aus konfliktfreien Quellen.

*Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 


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