E-Books befinden sich am Vormarsch. Und zwar nicht nur in boomenden Märkten wie den USA oder Großbritannien, wo ihr Anteil am Gesamtumsatz des Buchmarktes bereits knapp 20 Prozent beträgt. [...]
Zu diesem Schluss kommt der aktuelle „Global eBook Report“, der vom österreichischen Buchmarktexperten Rüdiger Wischenbart auf Basis umfangreicher Daten der einzelnen Märkte verfasst wurde. „In den entwickelten Ländern sind E-Books mittlerweile Teil des Mainstream“, erklärt Wischenbart im APA-Gespräch. Der 2011 erstmals auf Anstoß des US-Verlags O’Reilly Media angefertigte Bericht wird derzeit jedes halbe Jahr auf den neuesten Stand gebracht, die aktuelle Ausgabe wurde erstmals von Wischenbart (mit der Unterstützung von vier Co-Autoren) verfasst. „Es geht darum, einen bestmöglichen Überblick über die sehr vielfältige und teils unübersichtliche Szenerie zu bieten.“ Ein kein ganz einfaches Unterfangen, sind die einzelnen Märkte nicht nur recht unterschiedlich entwickelt, sondern kommt auch der Aspekt der globalen Vernetzung bei E-Books deutlich zum Tragen.
Das führt in weiterer Folge zu einer Konkurrenzsituation zwischen globalen Anbietern wie Amazon, Google oder Kobo und lokalen Akteuren. „Diese sind aber nicht ganz klein, gibt es doch etwa in Deutschland eine Allianz von Weltbild und Thalia“, ergänzt Wischenbart. Die Marktführer des traditionellen Buchhandels versuchen hier, den digital versierten Mitbewerbern etwas entgegenzuhalten. Was letztlich durch die gesteigerte Fokussierung auf diesen Branchenbereich auch zu einer Veränderung der Wertschöpfungskette führe. „E-Books sind nicht nur ein zusätzliches Format“, betont der Experte. „Der ganze Vertrieb sowie die Beziehung zwischen Autoren, Verlag und Lesern wird neu aufgestellt.“
Neben rasanten Entwicklungen in nordamerikanischen und europäischen Märkten sieht Wischenbart auch Schwellenländer auf dem Vormarsch, allen voran Brasilien, China und Indien. Gerade im deutschsprachigen Raum habe sich aber in den vergangenen zwölf Monaten „eine Gründerwelle in Gang gesetzt“, wo Verlage sich etwa gänzlich dem digitalen Geschäft verschrieben haben oder Selbstverlagsplattformen sich zu etablieren versuchen. „Es gibt da nicht nur die zwei großen Dampfwalzen“, verweist er auf internationale sowie nationale Marktbeherrscher. „Da sprießt aus allen Richtungen alles Mögliche hervor.“
Die Branche befinde sich auf dem Sprung, wobei Wischenbart hinsichtlich des Zeithorizonts den Kobo-Gründer Michael Serbinis zitiert: „Dieser Transformationsprozess wird 20 Jahre dauern. Wir befinden uns jetzt im zweiten oder dritten Jahr.“ Die Akzeptanz der E-Books sei jedenfalls im deutschsprachigen Raum „mit erstaunlicher Gleichmäßigkeit“ angewachsen. Die Entwicklungskurven der Märkte sieht er sehr ähnlich zu jenem in den USA, nur eben mit zwei Jahren Verspätung. In Deutschland greifen etwa laut einer Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom 29 Prozent der Leser mittlerweile regelmäßig zu E-Books.
In Österreich gebe es wiederum ein Dilemma: „Die Branche hat keinerlei aktuelle Daten und muss damit im Blindflug agieren.“ Einerseits gebe es etliche positive Rückmeldungen von Verlagen, die sich über steigende E-Book-Verkäufe freuen, andererseits ist – auch im Printbereich – ein stetiges Anwachsen der Importe von deutschen Verlagen zu verzeichnen. So sind etwa auf einer E-Book-Bestenliste von Oktober 2012 alle 20 Titel von deutschen Verlagen. „Wenn man nicht aufpasst, kann sich das durch E-Books verschärfen“, warnt Wischenbart. „Da baut sich die österreichische Branche selbst ein Problem.“
Aber natürlich sei dieses neue Verkaufssegment auch als große Chance zu begreifen. „Gerade in kleinen Märkten könnte man einiges gewinnen.“ Sei es ansonsten schwer, mit gedruckten Büchern auf den deutschen Markt zu kommen, eröffne der E-Book-Bereich neue Zugänge. Allerdings gilt es für die gesamte Branche, noch einige Ungewissheiten auszumerzen. So gebe es unterschiedliche Preisniveaus, die nicht zuletzt aufgrund verschiedener Mehrwertsteuersätze resultieren, andererseits werde das Thema E-Book-Entlehnung in Zukunft noch mehr Raum einnehmen. Hier seien durchaus auch Abo-Modelle denkbar, mit denen man sich wie in einer großen Bibliothek bedienen könne.
Eine ernsthafte Piraterie-Problematik ortet Wischenbart indes derzeit nicht. Im Unterschied etwa zur Musikbranche habe der Buchhandel die Chance, technische Möglichkeiten und Angebotsentwicklung einigermaßen parallel zu betreuen. Zwar gebe es viele illegale Kopien im Netz zu beziehen. „Aber ich habe den Eindruck, dass die traditionellen Buchkäufer eine recht hohe Moral haben.“ Dennoch dürfe man das Problem nicht unterschätzen, „wir befinden uns da in einer gefährlichen Zwischenphase“. Die beste Abwehr sei ein „vielfältiges Angebot, das mit vernünftigen Preisen ausgestattet ist“. (apa)
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