ABP Patent Network, ein Anbieter im Bereich des geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP), hat mit ihrer Lösung patentbutler.AI einen neuen Maßstab in der Patentverwaltung gesetzt. In Zusammenarbeit mit IBM und Red Hat entwickelte das Unternehmen eine KI-gestützte Software, die speziell für die Herausforderungen des IP-Managements optimiert wurde. Die IT WELT.at hat mit Roland Kraml, Counsel bei ABP Patent Network, ein Interview zu den Themen Patente und KI geführt. [...]

Was macht ABP in der Patentdienstleistungsbranche besonders, und welche Lösungen bietet das Unternehmen an?
ABP mit Sitz in Windischgarsten existiert bereits seit mehreren Jahrzehnten und es zählen rund 100 Personen zum ABP-Team. Hauptprodukt ist eine IP-Management-Software, die den gesamten Prozess von der Erfindungsmeldung bis zur Patentanmeldung abdeckt. Sie ermöglicht Ingenieuren und Wissenschaftlern, Ideen einzureichen, erfasst relevante Rechte und Fristen, übernimmt die Vergütung der Erfinder und verwaltet Akten sowie Fristenalarme umfassend.
Zusätzlich bietet ABP IP-Recherchen an, etwa zur Prüfung bestehender Patente, um mögliche Verletzungen fremder Rechte zu vermeiden. Gleichzeitig überprüfen viele Unternehmen, ob ihre eigenen Rechte verletzt werden, um bei Bedarf Lizenzgebühren einzufordern oder rechtlich vorzugehen. Ein weiteres Servicefeld ist die Verwaltung von Jahresgebühren für IP-Rechte wie Patente, Marken und Designs. Besonders bei tausenden Rechten mit unterschiedlichen Fristen stellt ABP sicher, dass diese pünktlich entrichtet werden, um die Rechte aufrechtzuerhalten.
Wie hat die Digitalisierung die Arbeitsweise von IP-Experten beeinflusst?
Die Digitalisierung hat diesen Bereich grundlegend verändert. Interessanterweise zeigt sich jedoch, dass viele Kanzleien und auch Inhouse-IP-Abteilungen noch immer stark papierbasiert arbeiten. Dies ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sie tagtäglich mit bahnbrechenden Innovationen zu tun haben, die oft erst in zehn Jahren auf den Markt kommen werden. Dadurch entsteht eine auffällige Diskrepanz zwischen der Arbeit mit technologischen Spitzenentwicklungen und den traditionell geprägten Arbeitsmethoden.
Eine Ausnahme in puncto Digitalisierung stellt ABP dar. Dieses Unternehmen begann bereits in den 1980er-Jahren mit der Nutzung von Olivetti-Rechnern und war einer der Vorreiter bei der Einführung der elektronischen Akte. Durch die Einführung automatisierter Workflows konnten wir schon Tätigkeiten, die zuvor eineinhalb Stunden gedauert hatten, auf lediglich 30 Sekunden reduzieren. Dabei wurde noch nicht einmal KI eingesetzt. Die Entwicklungen sind dynamisch, und es gibt noch viel Raum für Automatisierungen und Effizienzsteigerungen.
Und wie beeinflusst die Digitalisierung die Patentlandschaft?
Im Bereich der Digitalisierung gibt es eine Vielzahl von Patenten. Ein bemerkenswerter Trend, der sich bereits vor etwa zehn Jahren bei den großen Automobilherstellern abzeichnete, ist die zunehmende Verlagerung hin zu Patenten im Zusammenhang mit Software. Während früher vor allem Motorentechnologien oder mechanische Komponenten im Fokus standen, haben Softwarelösungen einen immer größeren Anteil an den angemeldeten Patenten. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in anderen Bereichen beobachten, wie etwa in der Chemiebranche, wo digitale Technologien ebenfalls stark an Bedeutung gewinnen.
Wie ist Ihr Ansatz im Bereich Künstliche Intelligenz und welche Lösungen bieten Sie in diesem Bereich an?
Unser Einstieg in den Bereich Künstliche Intelligenz (KI) begann mit regelmäßigen Gesprächen mit Dr. Hannes Burger, dem Eigentümer von ABP und Managing Partner von Anwälte Burger und Partner, über die zukünftigen Möglichkeiten der KI. Bei einem Abendessen beschlossen wir, nicht nur abzuwarten, sondern selbst aktiv zu werden. Dr. Burger lernte in der Folge eine KI-Schlüsselperson von IBM Europa kennen, der sehr angetan war von unserem Projekt. IBM schlug vor, daraus eine Co-Creation und ein Leuchtturmprojekt zu machen, um zu demonstrieren, was IBM in diesem Bereich leisten kann. So begann die Entwicklung der patentbutler.AI. Diese Entwicklung wird auch in den kommenden Jahren fortgesetzt, da ständig neue Systeme und Verbesserungen auf den Markt kommen und wir weiter testen und optimieren. Bereits jetzt zeigt sich, dass mit den aktuellen Mitteln in vielen Bereichen eine Zeitersparnis von 60 bis 85 Prozent erzielt werden kann.
Europa droht in gewisser Weise, von der globalen Entwicklung überrollt zu werden, obwohl es hier ein großes Potenzial gibt. Wir haben viele talentierte Fachkräfte, die in der KI-Entwicklung weltweit führend sind. Der entscheidende Punkt wird sein, diese Talente in Europa zu halten.
Roland Kraml
Wie unterstützt der „Patent-Butler“ Unternehmen bei der effizienten Analyse großer Mengen an Patenten?
Ein Beispiel zeigt die Vorteile unserer Lösung: Eine Berliner Kundin, ein kleines Unternehmen mit zwei bis vier monatlichen Patentanmeldungen, muss rund 1.000 Patente im Monitoring prüfen, um Risiken zu erkennen. Dieser zeitintensive Prozess erfordert das Analysieren der oft komplexen Sprache von Patenten – wobei sich 800 bis 850 Einträge regelmäßig als irrelevant herausstellen.
Hier kommt unser KI-gestützter „Patent-Butler“ ins Spiel. Er filtert irrelevante Einträge sofort aus, lässt sie jedoch bei Bedarf einsehen. Für die 150 relevanten Patente liefert die KI präzise Analysen, wie etwa übereinstimmende Merkmale, Kontexte und Relevanz. Durch ihr semantisches Verständnis kann sie selbst verklausulierte Inhalte erkennen, was die Effizienz immens steigert.
Die Kundin, die zuvor vier Wochen mit diesen Aufgaben kämpfte, braucht nun nur noch drei bis vier Tage. Sie hat dadurch die Kapazität, sich strategischen Themen wie der Prozessoptimierung für neue Erfindungen und der langfristigen Planung zu widmen. Mit klaren Strukturen und einem freien Kopf kann sie ihre Arbeit auf einem neuen Niveau gestalten.
Kann man den die patentbutler.AI schon als Einzelprodukt kaufen und über welche Funktionen verfügt das Produkt?
Der „Patent-Butler“ ist als patentbutler.AI bereits verfügbar, und erste Verträge wurden erfolgreich abgeschlossen. Zahlreiche Kunden – darunter auch führende Patentämter – testen die Lösung. Namen nennen wir aber aus Vertraulichkeitsgründen nicht.
Ein bedeutendes neues Feature namens „Drafting“ wird im ersten Quartal dieses Jahres eingeführt. Mit dieser Funktion kann die KI vollständige Patentschriften erstellen – basierend auf direkt eingegebenen Erfindungsmeldungen oder ergänzten Daten von Patentexperten. Nach einem zweistufigen Prozess liegt eine nahezu fertige Patentschrift vor, die nur minimal überarbeitet werden muss. Diese Innovation ermöglicht erhebliche Kosteneinsparungen: Im Maschinenbau könnten die üblichen Kosten von 2.000 bis 5.000 Euro um bis zu 80 Prozent sinken. Selbst im Bereich der Chemie, wo Patentschriften oft 20.000 bis 30.000 Euro kosten, sind signifikante Einsparungen möglich. Dies wird die Branche nachhaltig transformieren und neue Standards setzen.
Wie sieht das Geschäftsmodell für die Lösung aus?
Unser Produkt wird im Software-as-a-Service-Modell (SaaS) angeboten, basierend auf einer jährlichen Lizenzgebühr. In der Regel setzen wir dabei auf dreijährige Vertragslaufzeiten, was bei unseren Kunden auf positive Resonanz stößt. Diese langfristigen Verträge bieten ihnen Planungssicherheit, insbesondere in Bezug auf die Preisgestaltung. API-Anbindungen für eine weitreichendere Nutzung sind ebenso möglich.
Immer mehr KI-Systeme werden in der Lage sein, eigenständig Erfindungen zu generieren – sei es in der Materialforschung, der Wirkstoffentwicklung, der Biochemie oder sogar im Maschinenbau.
Roland Kraml
Wie begegnen Sie den Risiken von KI?
Wir arbeiten ausschließlich mit kuratierten Daten – konkret mit Patentdaten. Unsere generative KI ist speziell darauf ausgelegt, keine Halluzinationen zu erzeugen, also keine Inhalte zu erfinden. Zudem bestehen keine Datenschutzprobleme, da unsere Lösung in einem geschlossenen, vom Internet vollständig isolierten System betrieben wird. Unsere Kunden nutzen unser zertifiziertes Rechenzentrum und greifen ausschließlich auf ihre eigenen Container zu, auf die niemand sonst Zugriff hat. Dieses Konzept löst viele der typischen Herausforderungen bereits im Vorfeld.
Wie beeinflusst der EU-AI-Act Ihre Arbeit?
Der EU-AI-Act betrifft uns, doch stehen der Datenschutz- und personenbezogene Daten im Fokus der Regelungen, was für uns weniger relevant ist. Unsere Lösung läuft lokal, alle Daten werden ausschließlich in unserem zertifizierten Rechenzentrum verarbeitet. Problemfelder des AI-Acts sind dadurch für uns weitgehend ausgeschlossen. Dennoch verfolgen wir die Entwicklungen genau, da angesichts des rasanten KI-Fortschritts regelmäßige Anpassungen, vermutlich jährlich, nötig sein werden.
Philosophisch betrachtet befinden wir uns an einem Wendepunkt: Erstmals könnten wir mit einer intelligenteren Instanz konfrontiert sein, der „Artificial General Intelligence“ (AGI). Diese universelle KI wird zahlreiche Aufgaben besser lösen können als der Mensch. Während sie enorme Chancen für Innovation, Effizienz und Produktivität bietet, birgt sie zugleich Risiken wie Manipulation und Missbrauch.
Ein spannender Bereich sind KI-gestützte Personal Assistants, die zunehmend Aufgaben übernehmen und den Alltag erleichtern könnten – da gibt es beeindruckende Entwicklungen aus den USA. Zudem setzen Unternehmen KI in der strategischen Beratung ein, um Szenarien zu analysieren und Handlungsempfehlungen zu geben. Dies treibt ein regelrechtes Wettrüsten in der KI-Entwicklung voran.
Wie schätzen Sie Europas Position im globalen KI-Wettbewerb ein, und welche Strategien könnten dazu beitragen, den Rückstand gegenüber den USA auszugleichen?
In der EU gibt es zwar ernsthafte Bemühungen, in diesem Feld aktiver zu werden, aber derzeit können wir mit den USA nicht mithalten – vor allem aufgrund des enormen verfügbaren Kapitals. In Kalifornien gibt es Fonds, die 30, 40 oder 50 Milliarden US-Dollar in KI-Initiativen investieren, während in Europa bereits ein staatliches KI-Programm mit einem Volumen von einer Milliarde als bedeutend gilt, wie beispielsweise in Frankreich.
Europa droht in gewisser Weise, von der globalen Entwicklung überrollt zu werden, obwohl es hier ein großes Potenzial gibt. Wir haben viele talentierte Fachkräfte, die in der KI-Entwicklung weltweit führend sind. Der entscheidende Punkt wird sein, diese Talente in Europa zu halten. In den USA verdient ein hochqualifizierter KI-Entwickler etwa 350.000 US-Dollar im Jahr, während die Gehälter in Europa oft zwischen 90.000 und 120.000 Euro liegen. Wenn es uns gelingt, diesem Abwanderungstrend entgegenzuwirken, könnte Europa in den kommenden Jahren durchaus Anschluss an die Führungsnationen finden.
Wie verändert der Einsatz von KI Ihrer Meinung nach die Innovations- und Patentlandschaft?
Ein gutes Beispiel ist die patentbutler.AI, die derzeit bereits zahlreiche Aufgaben übernimmt. In diesem Modell entwickelt weiterhin ein Mensch die Innovation und beschreibt sie grob, während die KI den Großteil der Patentschrift erstellt. Dies spart enorme Kosten und Zeit, da der zeitliche Einsatz eines Patentanwalts stark reduziert wird. Der Mensch bleibt jedoch der tatsächliche Erfinder, wird namentlich im Patent aufgeführt und erhält die entsprechende Vergütung.
Eine spannende Entwicklung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Nutzung von KI nicht nur für Verwaltungsaufgaben, Analysen, Monitoring oder das Verfassen von Texten, sondern auch für die Generierung von Erfindungen selbst. In Deutschland gibt es bereits eine rechtliche Grundlage, die es erlaubt, Patente auf durch KI entwickelte Innovationen anzumelden. Das bedeutet, dass nicht nur die Patentschrift, sondern auch die zugrunde liegende Erfindung von einer KI stammen kann.
Immer mehr KI-Systeme werden in der Lage sein, eigenständig Erfindungen zu generieren – sei es in der Materialforschung, der Wirkstoffentwicklung, der Biochemie oder sogar im Maschinenbau. KI könnte beispielsweise neuartige Ansätze für Stoßdämpfer oder Achsen entwickeln, selbst in Bereichen, in denen man kaum noch mit revolutionären Innovationen rechnet.
Langfristig dürfte diese Entwicklung zu einem Innovationsschub führen, der sowohl die Anzahl registrierter Patente als auch die Qualität der technologischen Lösungen steigert. Es ist faszinierend, sich vorzustellen, dass eine KI nicht nur eine Erfindung entwickelt, sondern auch das zugehörige Patent eigenständig erstellen könnte.
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