Einzelhandel: Marktplätze als mobile Helden

Wohl kaum jemand würde bezweifeln, dass der Einzelhandel im Rahmen der mobilen Revolution rasante Veränderungen durchgemacht hat. Und das sehr erfolgreich. [...]

Das erste Halbjahr 2018 war das stärkste aller Zeiten für weltweite Shopping-Downloads. (c) ra2studion - Fotolia
Das erste Halbjahr 2018 war das stärkste aller Zeiten für weltweite Shopping-Downloads. (c) ra2studion - Fotolia

Das 1. Halbjahr 2018 war das stärkste aller Zeiten für weltweite Shopping-Downloads. Über iOS und Google Play zusammen wurden über zwei Milliarden Shopping-Apps heruntergeladen, ein klares Zeichen dafür, dass sowohl Unternehmen als auch Verbraucher mobile Apps für ihre Einkaufsbedürfnisse nutzen. Weltweit stiegen die Gesamtsitzungen, eine mobile Kennzahl ähnlich der Besucherfrequenz und daher ein wichtiger KPI, im 1. Halbjahr 2018 um 45 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2016 an.

Innerhalb der Kategorie Shopping nahmen Marktplätze, die sich aus Kleinanzeigen und Peer-to-Peer-Marktplätzen zusammensetzen, mindestens 3 der Top 10 Plätze unter den Shopping-Apps in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten bezogen auf Nachfrage (Downloads) und Bindung (aktive Nutzer pro Monat) ein. Marktplatz-Apps agieren neben Branchenriesen wie Amazon und Wish als Anführer der mobilen Shoppingbranche. Diese Apps haben eine beeindruckende Gefolgschaft angezogen und wissen die Vorteile von Mobile wirksam für sich einzusetzen: Kameras, um Dinge zu fotografieren, Geolocation-Dienste, um Käufer und Verkäufer in der Nähe zu finden, sichere Messaging-Dienste, um Verkäufe zu koordinieren und einen einfachen Zugang, um Gebote anzusehen und nach neuen Artikeln zu suchen. Das Commerce-Potenzial der Marktplätze ist gewaltig. So konnte Poshmark, die Nr. 3 unter den Marktplatz-Apps nach iOS- und Google Play-Downloads im 1. HJ 2018 in den USA, berichten, dass Verkäufer über die Plattform insgesamt über 1 Mrd. USD verdient hatten.

Marktführer eBay Kleinanzeigen spricht über den Erfolg von Kleinanzeigen im Mobile-Bereich

Dank Mobile erreichen Marktplätze ein größeres Publikum auf dem Gerät, das sie immer bei sich tragen, dem Smartphone. Der durchschnittliche Nutzer von Shopping-Apps nutzt zwischen 2 und 4 Apps jeden Monat. Klassische Einzelhändler sollten genau hinschauen, wie diese Apps weiter Nutzer gewinnen und auch halten. eBay konnte sehr erfolgreich mobile Nutzer überall auf der Welt anziehen und ihnen mit Hilfe der vielen Vorteile von Mobile den Kauf- und Verkaufsprozess erleichtern. Ronny Wenske, Customer Experience Specialist bei eBay Kleinanzeigen, untersucht Kundenprozesse und Kontaktkanäle, misst die Kundenzufriedenheit und untersucht den deutschen mobilen Shoppingmarkt. Diese Insights sind ausschlaggebend für Geschäftsentscheidungen. Vor eBay war er viele Jahre bei einem der größten deutschen Telekommunikationsanbieter beschäftigt. Von dieser Erfahrung profitiert er jetzt. Im Interview verrät er, wie Marktplätze diesen Erfolg auf Mobile erreicht haben und wohin die Branche unterwegs ist.

1. Was denken Sie, warum laufen Marktplätze so gut über Mobile? Welche Rolle spielt die historische Vergangenheit von Kleinanzeigen beim aktuellen Erfolg auf mobilen Geräten?

Ich denke schon, dass es eine historische Verbindung gibt zwischen der ursprünglichen Verbreitung von Kleinanzeigen über die Presse, beispielsweise über Zeitungen, und der heutigen Verbreitung über das Internet. Das könnte man in etwa vergleichen mit der Entwicklung des Einzelhandels. Geschäfte vor Ort werden ersetzt durch Online-Shops. In beiden Fällen geht es um Menschen, die ein Produkt suchen oder einfach nur stöbern möchten. Die direkte Kommunikation und eine persönliche Begegnung zwischen Käufer und Verkäufer sind jedoch einzigartig in der Kleinanzeigenbranche. Der Kleinanzeigenmarkt wächst auch deswegen so stark auf Mobile, weil Nutzer schneller und unkomplizierter etwas in ihrer Nähe finden als dies beispielsweise über den PC der Fall wäre. Natürlich spielt auch ein allgemeiner Wandel in unserem Nutzungsverhalten eine Rolle, und damit konnte das Smartphone zum primär genutzten Gerät werden.

2. Welche Metriken sollten Marktplatz-Apps nutzen um ihre Performance zu beurteilen? Unterscheiden sich diese Metriken von der Art, wie wir die Performance herkömmlicher Shopping-Apps messen, oder gleichen sie sich?

Ich empfehle, die Anzahl der Unique User zu messen indem man unterscheidet zwischen Käufern, Verkäufern und den Überschneidungen beider Gruppen. Zwei wichtige Fragen um die Qualität einzuschätzen sind, wie oft kommen die Nutzer zur App zurück und wieviel Zeit verbringen sie mit ihr. Die Anzahl neuer Downloads ist natürlich ein Instrument mit dem sich die „Attraktivität“ einer App messen lässt. Sie sollte aber nicht immer in Zusammenhang mit den bereits genannten KPIs betrachtet werden. Wenn ein Nutzer die App herunterlädt, öffnet, dann aber nie wieder verwendet ist es wichtig herauszufinden, warum dieser Nutzer sich verabschiedet hat. Ein Hauptunterschied zwischen Kleinanzeigen und Shopping-Apps könnte das Messen des Erlöses aus Verkaufsprovisionen und direkten Einnahmen (Shopping-Apps) einerseits, und von In-App Käufen, mit denen sich der eigene Artikel hervorheben lässt (Kleinanzeigen) andererseits sein.

3. Welche Rolle spielen bei eBay Kundenprobleme im App-Erlebnis? Wie verfolgen und priorisieren Sie Schwierigkeiten? Wie unterscheiden sich Support-Tickets von Marktplatz-Apps von denen herkömmlicher Shopping-Apps oder Apps ganz allgemein?

Bei eBay Kleinanzeigen spielt das Nutzererlebnis eine sehr starke Rolle. Es geht immer darum, Kundenbedürfnisse zu verstehen und Probleme direkt anzusprechen. Ansonsten geht der Kunde eben zu einem Wettbewerber. Dieses Feedback messen wir mit Hilfe von Online-Umfragen, wir werten Kundenanfragen an unser Support Team aus, führen Usability Tests durch, und nutzen die Bewertungen und Rezensionen Funktion von App Annie. All diese Daten werden gesammelt und dann arbeiten unsere Teams bereichsübergreifend an Lösungen für unsere Kunden. Ich denke der Unterschied liegt unter anderem darin, dass wir es hier mit zwischenmenschlichen Problemen zu tun haben. Vielleicht hakt es an der Zuverlässigkeit der Handelspartner (wenn ein Käufer beispielsweise einfach nicht erscheint), oder oft spielt auch extrem informelle Kommunikation eine Rolle. Außerdem haben wir es bei Kleinanzeigen mit Kundenerwartungen in Bereichen wie Immobilien, Autos, Jobs oder Dienstleistungen zu tun, die bei herkömmlichen Shopping-Apps eher nicht vorkommen.

4. Wie sehen Sie die Entwicklung der Marktplatzbranche in den nächsten 5 Jahren?

Ich denke, dass Kleinanzeigen auch in Zukunft als Ergänzung zum massiven Wachstum der großen Shopping-Seiten ein wichtiger Faktor für den privaten Kauf und Verkauf von gebrauchten Artikeln sein werden. Ein Schwerpunkt liegt in der nachhaltigen Nutzung dieser Kanäle. Viele Menschen suchen zunehmend nach Alternativen zum klassischen Konsumverhalten und das könnte für die Kleinanzeigenbranche in Zukunft zum entscheidenden Faktor werden. Auch virtuelle und erweiterte Realität (VR und AR) werden in Zukunft ganz sicher eine zunehmend wichtigere Rolle spielen (z.B. um Kleidung virtuell anzuprobieren), und mit Sprachassistenten wird die Kommunikation unterwegs noch schneller. Generell waren die Online-Kleinanzeigen insbesondere in Deutschland schon seit Jahren beliebt. Dieser Trend scheint sich auch nicht abzuschwächen, vor allem dank der komfortablen Nutzung und Erreichbarkeit mobiler Apps.

Marktplatz-Apps gehören ohne jeden Zweifel zu den Top Playern unter den mobilen Shopping-Apps. Sie bieten eine Alternative zum herkömmlichen E-Commerce und gehören zu den größten Einzelhändlern nach Downloads und MAU. Apps wie eBay Kleinanzeigen sind leistungsfähige Plattformen die verstanden haben, wie sie mit Hilfe von Mobile ihre Unternehmensziele erreichen. Einzelhändler sollten sich die Best Practices im Mobilbereich genau anschauen, insbesondere da sich der Wettbewerb mit mobilaffinen Digital-First Einzelhändlern weiter verschärfen dürfte.


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