Die Vernetzung des stark fragmentierten heimischen Gesundheitssystems durch den Elektronischen Gesundheitsakt (ELGA) und der damit einhergehende Kulturwandel könnten deutliche Auswirkungen auf die Digitalisierung der gesamten Branche haben. Das ergab eine Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community. [...]
„Die Macht der Vernetzung erreicht das Gesundheitswesen. Und das muss dieses sehr traditionelle System erst verkraften“, erklärte Susanne Herbek von der ELGA GmbH, die im Auftrag von Bund, Ländern und Sozialversicherung die Errichtung und den Betrieb der zentralen Komponenten des künftigen elektronischen Gesundheitsaktes steuert. „Das Informationsmonopol schwindet. Der Arzt ist nicht mehr der ‚Gott in Weiß‘. Was die Patientenrechte betrifft, kommt es zu einem regelrechten Kulturwandel“, so Herbek.
„ELGA bricht das System auf und überall, wo etwas aufgebrochen wird, gibt es erstmal einen Wirbel“, sagte Österreichs oberste ELGA-Beauftragte. Die politische Diskussion habe – abgesehen von Nadelstichen – nun aber ein vorläufiges Ende und die Spielregeln seien gesetzlich festgelegt. Zum Jahreswechsel werde eine Infokampagne gestartet, Anfang 2014 sollen die Bürger dann entscheiden, ob sie bei ELGA mitmachen wollen oder nicht. Der Zugriff auf die Daten sei für sie nach Umsetzung eines entsprechenden Portals via Handysignatur möglich.
ÄRZTE WENIG IT-AFFIN
„Daten sollen dort genutzt werden, wo sie helfen können und nicht dort gelagert werden, wo sie erhoben wurden. ELGA ermöglicht genau das“, zeigte sich auch Manfred Moormann von der A1 Telekom Austria AG überzeugt. Der Online-Zugang zu den eigenen medizinischen Daten unterstütze den mündigen Patienten. Die IT-Affinität von Ärzten sei hingegen noch nicht sehr ausgeprägt. „Das ist eine Gruppe, die besonders computerfern ist. Da gibt es auch Lücken in der Ausbildung.“
Als Problem im Gesundheitswesen sieht er den Föderalismus. Kosteneffizienter wäre die Einbindung von Spezialisten, als dass jedes Bundesland alles selber mache. „Wenn man nicht vernünftig investiert, wird man sich den heutigen Standard nicht mehr leisten können – Stichwort Alterspyramide“, sagte Moormann. Spannend würden in Zukunft die zusätzlichen Services rund um das Thema Gesundheit. Hier müsste es aber eine gewisse Zahlungsbereitschaft geben, wenngleich die Einstellung bei vielen Bürgern derzeit vorherrschend sei, dass der Staat in diesem Bereich ohnehin für alles zahle.
ZWEI-KLASSEN-MEDIZIN
Privatkliniken seien am fortschrittlichsten, was den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie betrifft, so Martin Resel vom Systemintegrator NextiraOne. In vielen Fällen würden die Ärzte beim Krankenbett bereits mittels Tablet-PC auf Daten von zentralen Servern zugreifen. „Auch so manche Seniorenresidenz ist diesbezüglich schon mit einem Fünf-Sterne-Hotel vergleichbar“, erklärte Resel, der aber gleichzeitig auf die Risiken einer Zwei-Klassen-Medizin verwies.
Einen wichtigen Beitrag könnte Informationstechnologie auch leisten, um älteren Menschen ein längeres selbstständiges Leben in der gewohnten Wohnumgebung zu ermöglichen – Stichwort Ambient Assisted Living (AAL), ergänzte Wolfgang Zagler von der Technischen Universität (TU) Wien. „Technisch ist vieles möglich. Die großen Hürden sind Akzeptanz und Finanzierungswillen“, so der Experte. Wenn jemand ein Jahr länger selbstständig daheim leben könne, werde ein gewaltiges Geldvolumen frei, wodurch sich entsprechende Systeme schnell rechnen würden. Allerdings gebe es in dieser jungen Disziplin noch keine Langzeitstudien, weshalb Investments einen gewissen Mut bzw. finanziellen Leidensdruck voraussetzen, erklärte Zagler. (apa)
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