Harvard und das M.I.T. wollen auf der gemeinsamen Online-Plattform edX künftig kostenlos Vorlesungen beider Universitäten ins Netz stellen. [...]
Das Non-Profit-Projekt (http://www.edxonline.org) wird von beiden Bildungsinstitutionen mit jeweils 30 Mio. Dollar gefördert, wie die New York Times berichtet. Absolventen von Kursen erhalten eine Beurteilung sowie eine Erfolgsbescheinigung, offiziell angerechnet werden die akademischen Leistungen im Internet aber nicht. Die ersten fünf Kurse sollen ab Herbst 2012 angeboten werden. Auch andere renommierte US-Unis bieten offene Online-Vorlesungen an. Die Firma Coursera hat soeben eine Kooperation mit mehreren Institutionen vereinbart.
„Die Tatsache, dass gleich mehrere angesehene Universitäten Angebote im Programm haben und Geld investieren, zeigt, dass das Thema Online-Studium an Relevanz gewinnt. Im deutschsprachigen Raum sehe ich das momentan noch nicht“, sagt Josef Weißenböck von der Fachhochschule St. Pölten (http://www.fhstp.ac.at) gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext.
Das M.I.T. bietet schon seit einiger Zeit gratis Online-Vorlesungen an. Die Plattform MITx wird jetzt zur Basis für die Kooperation mit Harvard. Zuletzt hat eine Elektronik-Vorlesung im März 120.000 Anmeldungen verzeichnet, rund 10.000 Netz-Studenten haben die Halbjahresprüfung bestanden. Die freie höhere Bildung im Internet verzeichnet allgemein einen Boom. „Der technische Fortschritt unterstützt diese Entwicklung, deshalb sind die Erfolgsaussichten besser als beim ersten E-Learning-Boom vor 15 Jahren“, so Weißenböck.
Stanford, Princeton, die University of Pennsylvania und die University of Michigan haben gerade verkündet, mit Coursera zusammenarbeiten zu wollen. Der kommerzielle Anbieter hat bereits 14 Mio. Dollar an Venture-Kapital gesammelt. Auch Udacity, das Unternehmen von Ex-Stanford-Professor Sebastian Thrun, liefert spektakuläre Zahlen. Thrun, dessen erste Online-Vorlesung über künstliche Intelligenz über 160.000 Hörer verzeichnete, bietet auf seiner Plattform mittlerweile sechs Kurse an. Mehr als 200.000 Studenten haben sich gemeldet.
Die Vorlesungen orientieren sich derzeit noch stark an traditionellem Unterricht. Die zusätzlichen Möglichkeiten, die das Netz bietet, werden aber zunehmend integriert. Videos, Online-Abstimmungen und sofortiges Studentenfeedback sollen die Art des Unterrichts im Internet künftig noch stärker beeinflussen. Harvard und das M.I.T. wollen längerfristig auch Kooperationen mit anderen Universitäten eingehen, um edX weiterzuentwickeln. Die Plattform soll Wissenschaftlern auch die Möglichkeit geben, Unterrichtsmethoden und -techniken zu erforschen.
Neben technischen Vorlesungen, deren Benotung online recht einfach ist, soll es bei edX längerfristig auch geisteswissenschaftliche Angebote geben. Eine Bewertung von Abhandlungen könnte dort durch die Community erfolgen. Coursera bietet schon ein ähnliches System an. Geisteswissenschaftliche Übungen werden hier von Mitstudenten bewertet.
Das Potenzial von kostenloser Online-Bildung auf Spitzenniveau ist groß. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt können von solchen Angeboten profitieren. Allerdings gibt es auch Verlierer bei dieser Entwicklung. „Wäre ich Rektor einer mittelmäßigen Uni, würde ich nervös über meine Schulter sehen. Wenn eine Spitzenuniversität gratis ein Elektronik-Programm anbietet, stellt sich die Frage, ob es für eine Durchschnittseinrichtung überhaupt noch lohnt, ein Konkurrenzprodukt im Programm zu haben“, sagt Georg Siemens von der kanadischen Athabasca Universität.
„Auch die deutschsprachigen Universitäten werden sich durch den globalisierten Markt für Bildungsabschlüsse mittelfristig auf Konkurrenz durch renommierte auswärtige Angebote einstellen müssen, auch wenn das die Führungen vieler Hochschulen noch nicht wahrhaben wollen. Für kleinere Unis wird es schwierig, gegen reiche Institutionen zu bestehen, sie werden auf Differenzierung setzen müssen. Bis dahin dauert es aber noch einige Jahre. Um attraktive Angebote bieten zu können, müssen die US-Elite-Unis Online-Abschlüsse den Präsenzleistungen gleichstellen. Dann werden die Online-Angebote sehr wahrscheinlich kostenpflichtig werden“, sagt Weißenböck. (pte)
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