Der Online- und Social-Media-Monitoring-Anbieter Sensemetric hat während der EM-Vorrunde die Diskussionen österreichischer User in Twitter, Facebook, Foren, Blogs und Co. analysiert. Qliktech wiederum hat gleich die EM-Trainer analysiert und mit Managern sowie deren Führungsstilen verglichen. [...]
Genauer unter die Lupe genommen hat Sensemetric die beiden Gastgeber und die Favoriten auf den Titel. Am meisten diskutiert wurde unsere deutschen Nachbarn (elf Prozent), gefolgt vom Gastgeber Ukraine (acht Prozent) und Titelverteidiger Spanien (sieben Prozent). Polen, England, Frankreich und Italien erreichten jeweils nur zwischen vier und sechs Prozent. Ronaldos Portugal kam nur auf magere drei Prozent.
Über Deutschland wird nicht nur vergleichsweise viel geredet, sondern auch vergleichsweise neutral. Mit einer Schulnote von 2,9 liegen die Deutschen genau im Gesamtschnitt des Monitorings. Die meisten Äußerungen zum großen Nachbarn sind überraschend neutral, nur sechs Prozent negativ und sogar zwölf Prozent positiv. „Manchmal kommt der österreichische Fußballbegeisterte anscheinend nicht drum herum, auch eine gute spielerische Leistung von Deutschen zu würdigen“, sagt Sensemetric Managing Partner Christian Waldheim. Am besten schneidet Spanien ab, mit 40 Prozent positiven Inhalten erreichen sie eine Note von 2,3. Gastgeber Polen, inzwischen ausgeschieden, landet mit einem Negativ-Anteil von 32 Prozent und der Note 3,3 am letzten Platz.
EM OHNE A
Meist diskutiert in der Vorrunde der EM sind die Spielergebnisse (32 Prozent) und die Leistung der Spieler (22 Prozent), sowie gemeinsames EM schauen und feiern inkl. Public Viewings und Krawallen (acht Prozent). Im Vorfeld der EM in den Medien diskutierte Themen wie Menschenrechte, Nationalismus und Rassismus sind im Gesamttrubel der EM untergegangen und machen nur wenige Prozent am Gesamtbuzz (Aufkommen) aus. Interessant: Immerhin drei Prozent der österreichischen Online-Inhalte beschäftigen sich mit Themen rund um die Nicht-Teilnahme Österreichs. Neben dem beim ganzen Monitoring starken Kanal Microblogs (primär Twitter) ist für dieses Thema auch der Kanal SocialNets (primär Facebook) Ort des Geschehens.
Sensemetric bietet nationale wie internationale Online & Social Media Analysen. Inhalte aus Social Networks wie Facebook und Microblogs wie Twitter aber auch aus den Kanälen Blogs, Foren, News, eCommerce & Web zu definierten Suchbegriffen werden gefunden, vom System automatisch vorsortiert und zugeordnet und von Redakteuren bewertet. „Die EM haben wir mehr aus eigenem Interesse getrackt, weil auch uns mal wieder das EM-Fieber gepackt hat. Wir sind gespannt wie es weiter geht – auf dem Spielfeld wie im Netz“, so Sensemetric Managing Partner Christian Waldheim.
Das Sensemetric Social Media Monitoring zur EM 2012 läuft seit dem 8. Juni bis zum 2. Juli 2012. Die oben genannten Daten spiegeln den Zeitraum der Vorrunde (8.-20. Juni) wider. Seit dem Ende der Vorrunde hat sich die Tendenz der Österreicher über das deutsche Team zu sprechen weiter verstärkt: 28 Prozent aller seitdem geposteten Inhalte beschäftigten sich mit Deutschland; Spanien folgt (17 Prozent) vor Portugal (11 Prozent). Wie auch nach den ersten 90 Minuten des Viertelfinales sind England und Italien aktuell gleichauf – in diesem Fall mit je 9 Prozent der österreichischen Social Media Inhalte.
QLIKTECH ANALYSIERT TRAINER
Der Business-Intelligence-Spezialist Qliktech hat die Führungsstile der EM-Trainer durchleuchtet und mit Managern verglichen: Wo der eine Trainer auf Traditionen setzt und auf eine Spielweise, die er schon seit jeher predigt, schwört ein anderer auf kühle Analysen und eine detailliert ausgeklügelte Strategie. Die Anforderungen an Fußball-Trainer sind denen von Managern in Unternehmen nicht unähnlich. Beide müssen innerhalb kürzester Zeit weitreichende Entscheidungen treffen. Dabei sind Trainer wie Manager auf Informationen angewiesen. Seien es nun Umsatzzahlen oder Torerfolge – ein Überblick über historische Daten ist für beide gleichermaßen essentiell. Doch auch hier spielen persönliche Präferenzen eine große Rolle. Während sich der eine strikt auf die Zahlen verlässt, vertraut der andere lieber seinem Bauchgefühl.
Der Emotionale: Der neue englische Nationalcoach Roy Hodgson machte sich kurz vor Start der EM 2012 keine Freunde im Vereinigten Königreich. Nach dem Ausfall von Innenverteidiger Gary Cahill nominierte Hodgson für das verletzungsgeplagte Three-Lions-Team den relativ unerfahrenen Martin Kelly nach. Dass er nicht dem mit allen Wassern gewaschenen Ferdinand den Vorzug gab, werten viele als Beleg dafür, dass im Fußball oft keine rationalen Begründungen zählen, sondern Emotionen eine große Rolle spielen. Dieser Typ ist auch in der Arbeitswelt als emotional und impulsiv bekannt und als jemand, der schnell seine Meinung äußert, urteilt Qliktech. Wenn so ein Manager überhaupt Daten ins Feld führt, dann höchstens, um eine bereits getroffene Entscheidung zu legitimieren. Unter den EM-Trainern in diesem Jahr ist der emotionale Hitzkopf aber nicht (mehr) weit verbreitet. Trappatonis „Wutrede“ von 1998 spricht zwar Bände. Aber bei genauerer Betrachtung gehören er und einige seiner Kollegen bei der EM 2012 einem anderen Trainer-Typ an.
Der Traditionalist: Fußball- und Trainerlegenden wie Giovanni Trappatoni, aktuell Coach von Irland, der Spanier Vicente del Bosque oder auch der Holländer Bert van Marwijk halten nicht viel davon, ihre bewährten Erfolgsrezepte zu überdenken: „Was nicht kaputt ist, muss man auch nicht reparieren“, ließ del Bosque die FAZ vor der letzten Weltmeisterschaft wissen. Ruhig, besonnen und mit viel Erfahrung sowie einer großen Portion Fußball- und Lebensweisheit gehen sie an ihre Aufgabe heran. Dabei halten die Trainer zudem stark am Senioritätsprinzip fest. Die Statistik bestätigt Qliktech zufolge bisher Coaches wie del Bosque und Trappatoni: Drei der vier letzten WM- und EM-Titel gingen an europäische Mannschaften mit Trainern, die bereits um die 60 Jahre und älter waren. Die Analyse-Applikation zur Fußball-EM von QlikTech sagt ebenfalls den Spaniern die besten Chancen auf einen erneuten Turniergewinn 2012 voraus. In der Geschäftswelt entspricht dieser Charakter dem traditionsbewussten Chef, dessen oberste Maxime lautet: So haben wir es immer gemacht, warum sollten wir etwas ändern? Daten sind zwar interessant, aber deswegen müssen Traditionen noch lange nicht über Bord geworfen werden.
Der Analyst: Die etwas jüngere und wildere Trainergeneration bezweifelt laut Qliktech allerdings, ob man mit althergebrachten Traditionen langfristig dem modernen Fußball gerecht wird. Von autoritärem Führungsstil, Senioritätsprinzip und Bauchgefühl haben die Joachim Löws und Laurent Blancs der Trainerriege genug. Stattdessen setzt etwa der deutsche Bundestrainer auf eine offene Spielweise, technisch versierte Spieler und vor allem: Analysen, Analysen, Analysen. Unter Managern wäre Joachim Löw vermutlich ein begeisterter Datenanalyst. Die Informationen sind vorhanden, egal ob es sich um Umsatz-, Prognose- oder Produktionszahlen handelt. Daten sind da um analysiert zu werden – und um daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen!
Bei all den unterschiedlichen Führungsstils der Top-Trainer Europas gibt es allerdings doch eine auffällige Gemeinsamkeit. Im Gegensatz zu früher vertrauen sie nicht mehr auf wenige herausragende Einzelspieler als Erfolgsgaranten – wie es seinerzeit etwa der Franzose Zinedine Zidane oder der Italiener Filippo Inzaghi waren. Egal ob Analyst, Traditionalist oder emotionaler Hitzkopf: Für alle Trainer steht ganz klar die Mannschaft als Ganzes im Zentrum.
Genau das ist ein Punkt, an dem sich Manager und Entscheider einiges vom Fußball abschauen können. Das Team nimmt inzwischen auch in der Unternehmenskultur eine viel stärkere Rolle ein: Das digitale Zeitalter zwingt die Führungsriege zu einem Mentalitätswechsel. Hierarchien werden flacher, das Senioritätsprinzip weicht einer Leistungsorientierung, die an Kreativität und Produktivität festgemacht wird. Damit einher geht ein Demokratisierungsprozess: Es gibt nicht mehr den einen, der über einen Wissensvorsprung und somit über Herrschaftswissen verfügt. Der Großteil der Informationen ist für die Mitarbeiter zugänglich. Denn für den Unternehmens- wie Fußball-Erfolg ist der Faktor „Team“ essentiell. (pi/rnf)
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