Eine aktuelle Workday-Studie zeigt: Unternehmen in der EMEA-Region sehen sich zunehmend mit einem Mangel an qualifizierten Fachkräften konfrontiert und stellen ihre Personalstrategien auf ein kompetenzbasiertes Modell um. ITWelt.at hat sich den Report angesehen. [...]
Der von Workday in Auftrag gegebene Bericht basiert auf einer Befragung von 2.300 Führungskräften weltweit und analysiert den aktuellen Stand der Qualifikationen sowie zukünftige Anforderungen an Mitarbeitende. Zentrale Erkenntnis: Klassische Rollenmodelle und Lebensläufe verlieren an Bedeutung – stattdessen rücken Fähigkeiten (Skills) und deren gezielte Weiterentwicklung in den Mittelpunkt der Personalentwicklung. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (55 Prozent) haben bereits mit der Umstellung auf ein kompetenzbasiertes Modell begonnen, weitere 23 Prozent planen diesen Schritt innerhalb der kommenden zwölf Monate.
Wachsende Besorgnis über Fachkräftemangel
Über die Hälfte der befragten Führungskräfte (51 Prozent) zeigen sich besorgt über einen möglichen Fachkräftemangel in den nächsten drei Jahren. Nur 32 Prozent glauben, dass die derzeit vorhandenen Fähigkeiten im Unternehmen ausreichen werden, um zukünftige Anforderungen zu erfüllen. Lediglich 54 Prozent verfügen nach eigenen Angaben über einen klaren Überblick über die im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen. Diese Unsicherheit entsteht vor allem durch den rasanten technologischen Wandel, veränderte Anforderungen sowie einen verschärften Wettbewerb um Talente.
Besonders ausgeprägt ist die Sorge in den Branchen Medien (56 Prozent), Technologie (54 Prozent) und Einzelhandel (53 Prozent), die besonders stark von digitalen Umwälzungen und dem Einsatz von GenAI betroffen sind. Branchen wie Bildung, Gesundheitswesen und Non-Profit-Organisationen zeigen sich vergleichsweise weniger beunruhigt – hier gelten menschliche Fähigkeiten als stabiler und weniger stark durch KI beeinflussbar.
Welche Kompetenzen künftig zählen
Die Studie unterscheidet sechs Kompetenzgruppen: digitale, operative, spezialisierte, soziale, individuelle und Führungskompetenzen. Gegenwärtig dominieren operative Fähigkeiten (64 Prozent), digitale Kompetenzen (60 Prozent) und spezialisierte Fachkenntnisse (51 Prozent). Auch für die Zukunft sehen Führungskräfte in diesen Gruppen den größten Bedarf – vor allem digitale Fähigkeiten wie Software-Kompetenz oder der Umgang mit GenAI werden mit 65 Prozent als erfolgskritisch eingestuft.
Besonders große Kompetenzlücken sehen Unternehmen jedoch bei sozialen Fähigkeiten (35 Prozent), individuellen Stärken wie Kreativität und Anpassungsfähigkeit (32 Prozent) sowie digitalen Kompetenzen (31 Prozent). Dabei betont die Studie, dass gerade „menschliche Fähigkeiten“ – etwa emotionale Intelligenz, ethisches Urteilsvermögen und Konfliktlösung – auch im KI-Zeitalter essenziell bleiben.
Kompetenzbasierte Strategien setzen sich durch
Die Umstellung auf ein kompetenzbasiertes Modell erfolgt aus unterschiedlichen Beweggründen. Für 47 Prozent steht die Steigerung von Produktivität und Wachstum im Vordergrund, 46 Prozent erwarten mehr Innovationskraft, und 45 Prozent erhoffen sich eine höhere organisatorische Agilität. Ganze 81 Prozent der Führungskräfte sind überzeugt, dass dieser Ansatz das wirtschaftliche Potenzial ihres Unternehmens erhöhen kann.
Die erwarteten positiven Effekte decken sich weitgehend mit diesen Zielsetzungen: Eine bessere Mitarbeiterperformance (51 Prozent), gesteigerte Profitabilität (50 Prozent) und eine passgenauere Zuordnung von Kompetenzen zu strategischen Zielen (45 Prozent) zählen zu den meistgenannten Vorteilen.
Nicht zuletzt wird auch ein gesellschaftlicher Nutzen erwartet: 82 Prozent der Befragten glauben, dass Kompetenzorientierung zu mehr Chancengleichheit führen könnte, 72 Prozent nennen höhere Diversität und Inklusion, 61 Prozent rechnen mit einer Verringerung der Arbeitslosigkeit.
Der Weg zur kompetenzbasierten Organisation
Zu den zentralen Hebeln zählen die Einführung von KI-gestützten Tools, Mentoring-Programme, gezielte Personalentwicklung und die Förderung interner Mobilität. 49 Prozent der Unternehmen setzen bereits KI ein, um Kompetenzlücken zu identifizieren und Mitarbeitende besser einzusetzen. Weitere wichtige Maßnahmen sind die Implementierung kompetenzbasierter Rekrutierungsverfahren (44 Prozent) sowie die Investition in Weiterbildungsangebote (41 Prozent).
Ein prominentes Beispiel liefert Best Buy Canada: Mithilfe von Workday Skills Cloud wurden unternehmensweite Kompetenzen erfasst und Mitarbeitende gezielt für interne Stellen empfohlen. Ergebnis: eine 14-prozentige Steigerung interner Besetzungen und ein Rückgang der Fluktuation um 16 Prozent.
Herausforderungen und Hindernisse
Trotz positiver Grundstimmung sehen viele Unternehmen erhebliche Hürden. 43 Prozent beklagen den Zeitaufwand für Umschulungen, 38 Prozent berichten von Widerständen gegenüber Veränderungen, und 34 Prozent kämpfen mit der strategischen Einbindung der Kompetenzansätze in übergeordnete Geschäftsziele. Technologisch sind es vor allem fragmentierte Systeme (33 Prozent) und unzureichende Infrastruktur (28 Prozent), die den Wandel erschweren.
Als erfolgversprechend gelten gezielte Change-Management-Strategien (48 Prozent), eine transparente Kommunikation (48 Prozent) sowie die Implementierung von Technologie zur Bewertung und Verwaltung von Kompetenzen (45 Prozent).
KI als Katalysator des Wandels
Die Mehrheit der Befragten glaubt, dass künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle bei der Bewältigung des Fachkräftemangels spielen kann. 41 Prozent stimmen der Aussage voll zu, dass KI dabei hilft, Kompetenzlücken zu schließen. Die erwarteten Vorteile umfassen die Automatisierung routinemäßiger Aufgaben (52 Prozent), fundiertere Entscheidungsprozesse (52 Prozent) sowie eine personalisierte Weiterbildung (47 Prozent).
Wie Workday beschreibt, nutzen Unternehmen KI derzeit vor allem zur Kompetenz-Inferenz, also der datenbasierten Identifikation relevanter Fähigkeiten, zur Kuratierung und Priorisierung dieser Skills sowie zur Vermittlung passender Lernangebote oder interner Positionen.
Zentrale Ansätze: Identifikation, Rekrutierung, Entwicklung
Eine präzise Analyse vorhandener Kompetenzen bildet die Grundlage. Nur 54 Prozent der Führungskräfte geben an, ein klares Bild über die Skills in ihrem Unternehmen zu haben. Mithilfe von KI sollen Kompetenzen aus Stellenbeschreibungen, Prozessen und Mitarbeiterprofilen extrahiert und zu einer unternehmensspezifischen Taxonomie verdichtet werden.
Beim Recruiting setzen 86 Prozent der Unternehmen auf kompetenzbasierte Verfahren. Ziel ist es, weniger auf Abschlüsse und Positionstitel zu achten, sondern auf nachweislich vorhandene Fähigkeiten. Auch Soft Skills gewinnen an Bedeutung – 91 Prozent der Befragten bewerten soziale Kompetenzen als relevant.
Fast alle Unternehmen (95 Prozent) haben Programme zur Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden gestartet. Diese konzentrieren sich auf gezielte Lernangebote, die sowohl den individuellen Karrierepfad unterstützen als auch unternehmensstrategisch relevant sind. So berichtet etwa Ferring Pharmaceuticals über die Einführung eines Talent-Marktplatzes, mit dem projektbezogene Einsätze und gezielte Entwicklungsangebote besser vermittelt werden konnten.
Fokus auf EMEA: Regionale Einblicke
In der EMEA-Region ist die Skepsis bezüglich zukünftiger Kompetenzlücken besonders ausgeprägt: 53 Prozent der Befragten äußern Sorgen über einen Mangel. Gleichzeitig sehen viele das Potenzial eines kompetenzbasierten Modells: In Frankreich bejahen 72 Prozent die damit verbundenen Chancen, in Deutschland erwarten 73 Prozent dadurch ein höheres Wachstumspotenzial.
Besonders offen zeigt sich Südafrika: 96 Prozent der dortigen Führungskräfte würden Bewerberinnen und Bewerber auf Basis ihrer Fähigkeiten einstellen – unabhängig von formalen Qualifikationen.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie stark Unternehmen unter dem Druck technologischer und demografischer Veränderungen stehen. Der Übergang zu einer kompetenzbasierten Organisation gilt vielen als zentraler Hebel, um Agilität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Doch der Weg dorthin ist komplex, erfordert strategisches Umdenken, technologische Modernisierung und kulturelle Offenheit. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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