«Entgoogeltes» Smartphone Murena One im Test

Das Murena-Smartphone läuft mit einem Android-Betriebssystem ohne Google-Dienste. Doch funktioniert der Alltag ohne Play Store, Google Maps, Fotos, Gmail und Google-Cloud? [...]

Das Murena One mit /e/OS ohne Google-Dienste und -Apps (Quelle: Murena)

Murena wer? Anfang Oktober 2021 führte das /e-Projekt den neuen Markennamen Murena für /e/OS-Smartphones und Premium-Onlinedienste ein. Murena-Smartphones sind Telefone mit vorinstalliertem /e/OS, die in Europa und Nordamerika verkauft werden.

Seit Januar dieses Jahres lief zum Beispiel das Fairphone 4 alternativ zum Android-Betriebssystem auch mit dem freien e/OS (PCtipp berichtete). Und seit Oktober 2022 ist nun das Murena One auf dem Markt, das erste eigene Murena-Smartphone, auf dem /e/OS standardmäßig vorinstalliert ist.

Das Murena One

Beim Murena One handelt es sich um ein 4G-Smartphone mit 6,5-Zoll-Display. Es misst 16,1 × 7,69 × 0,89 cm und wiegt 186 Gramm. Das IPS-LCD-Display im 19,5:9-Verhältnis löst mit 2242 × 1080 Bildpunkten (395 ppi) auf.

Es verfügt über 128 GB Speicherplatz, Dual-SIM, einen 4500-mAh-Akku sowie einen Octa-Core-Prozessor (2,1 GHz) mit 4 GB RAM. Für Fotos gibt’s vorne eine 25-Megapixel-Frontkamera sowie drei Rückkameras mit 48-, 8- und 5-Megapixel-Sensoren.

Das Handy hat eine 2-Jahres-Garantie, Murena verspricht 5 Jahre Updates. Zu den Specs geht’s hier lang.


Das Murena One vorne und die Rückseite
Quelle: Murena

Zur Konnektivität: Wi-Fi 802.11 a/b/g/n/ac, Bluetooth 4.2 und NFC; bei den Anschlüssen gibts lediglich einen USB-C-Anschluss.

Eine Kopfhörerbuchse ist nicht vorhanden. Seitlich befindet sich der Fingerabdruckscanner.

Das Android-Betriebssystem /e/OS

e/OS ist ein Open-Source-Betriebssystem für Mobiltelefone. Kurz gesagt, ist es ein «entgoogeltes» Android-OS. Das Android-OS ist quelloffen, ohne dass Google-Apps oder -Dienste auf die persönlichen Nutzerdaten zugreifen können.

Wie häufig gibt’s Updates?

Murena verspricht, mindestens alle 2 Monate Software-Updates zu veröffentlichen, manchmal sogar monatlich. Während des Testzeitraums wurde ein Update ausgespielt.

Die Betreiber schreiben auf der Webseite, man sei bemüht, mindestens 5 Jahre lang Software-Updates und Sicherheits-Patches zur Verfügung zu stellen.

Welche europäischen Netzbetreiber werden unterstützt?

Die Smartphones, die mit /e/OS laufen, sind mit allen europäischen Netzbetreibern kompatibel. Im Test wurde eine Wingo-SIM-Karte (Swisscom) verwendet. Beim Empfang und der Telefonie gab es nichts zu bemängeln.

Erfahrungen mit /e/OS

Grundsätzlich habe ich sehr gute Erfahrungen mit dem Google-freien Android-Betriebssystem gemacht (/e/OS Android 11). Es muss einfach erwähnt werden, dass man sich zu Anfang ein wenig mit der etwas anderen Umgebung beschäftigen muss.

Auch gewisse Entzugssymptome bezüglich Google-Diensten sind zu erwarten. Doch sind die mal überwunden, kann man sich über Privatsphäre und Werbefreiheit freuen.

Für /e/OS-Einsteiger gibt’s auf der Webseite mehrere Support-Artikel (engl.) und der Support reagiert meiner Erfahrung nach sehr schnell und freundlich.

Google-App-Alternativen

Statt der Google-Suchmaschine wird Murenas Metasuchmaschine verwendet, die Google-Dienste wurden durch microG ersetzt. Für die Geolokalisierung werden zusätzlich zu GPS die Mozilla Location Services verwendet.

Murena One: Karten-App, Murena-Suche, App Lounge
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch

Im Alltag heißt das: Statt über den Google Play Store bezieht man seine Apps durch die App Lounge. Seine Bilder verwaltet man statt via Google Fotos in der Galerie. Und anstelle der Google-Cloud gibt’s die Murena-Cloud.

App Lounge statt Play Store

So sieht die AppLounge aus.
Quelle: Screenshots/PCtipp.ch

Auf einen Blick sehen Sie eine App-Bewertung (1–5) und eine Datenschutz-Bewertung (1–10). Beides wird automatisch aus den Benutzerbewertungen bzw. aus den Berechtigungen und Trackern, die aufgespürt werden, errechnet

Das PlayStore-Pendant heißt App Lounge. Apps in diesem Installer sind Open-Source-Apps, die man beispielsweise via F-Droid bezieht.

Auch hier eine positive Überraschung. Alle meine lieb gewordenen Apps, darunter zum Beispiel auch SBB Mobile, SRF News, EasyPark, Signal, Spotify, Play Suisse, Netflix oder die Microsoft-Office-Palette, wurden alle problemlos gefunden und konnten installiert werden. Bei der Nutzung fiel keine negativ auf.

Interessant: Sie sehen in der App Lounge direkt eine Datenschutzbewertung (1–10) und können nachsehen, welche Berechtigungen diese App für den Betrieb benötigt und welche Tracker sie verwendet.

Metasuchmaschine statt Google

Murena hat eine eigene Metasuchmaschine. Gefiltert werden kann nach Allgemein, Bilder, Neuigkeiten oder Videos. Bilder und Videos sind okay, Neuigkeiten hat mich jetzt nicht überzeugt.

Sucht man nach News, waren die Resultate unter Allgemein besser. Via Mehr gibt’s weitere Filter wie zum Beispiel IT, Musik Wissenschaft und Web.

Als Suchsprache ist Deutsch verfügbar, via Einstellungen kann man zum Beispiel die Autovervollständigung von DuckDuckGo auf Startpage oder Qwant etc. ändern und die SafeSearch-Suche für die Inhalte-Filterung anpassen.

Auf dem Murena One wird die Murena-Metasuche verwendet Quelle: Screenshots/PCtipp.ch

OpenSource-Karten statt Google Maps

Als Standard-Karten-App ist Magic Earth Navigation und Karte installiert. Der Kartendienst basiert auf OpenStreetMap-Daten.

Grundsätzlich war ich positiv davon überrascht. Auch hier kann man Favoriten speichern und man kann sich anzeigen lassen, was in der Nähe einer Adresse ist oder diese als Heimadresse bzw. Arbeitsplatzadresse festlegen.

Zudem gibt es Kartenebenen und man kann Karten für eine spätere Offlinenutzung herunterladen.

Auch hier kann man zum Beispiel den Arbeitsort direkt speichern und sieht in der Umgebung einer Adresse Läden, Restaurants oder Parkplätze
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch

Des Weiteren gibt’s diverse «Sonderziele» wie Tankstellen, Parkplätze, Essen und Trinken, Unterkünfte, Personenverkehr oder Sehenswürdigkeiten. Es ist auch möglich, Ereignisse wie einen Unfall oder eine Straßensperre zu melden.

Einwandfrei lotste Magic Earth mich mit dem Auto durch die Gegend. Zu Beginn des Tests stand nur die Stimme Michael zur Verfügung und die spricht nur Englisch. Doch nach einem Update (Version 7.1.22.43 (…)) gab es zahlreiche Sprachen, in Deutsch gibt’s eine weibliche oder männliche Stimme zur Auswahl.

Was mich bei einem Selbstversuch nicht überzeugte, war die Navigation für Fußgänger. Zwar wurde mein Standort korrekt erkannt und angezeigt, allerdings war nicht ersichtlich, in welche Richtung ich gerade ging.

Klar, wer einen hervorragenden Orientierungssinn hat oder als Kind in der Pfadi war, wird jetzt die Schulter zucken. Aber es gibt halt auch die anderen, die genau deshalb Navi-Apps lieben (und brauchen).

Jedenfalls: Hinzu kam, dass die App mehrmals das Ziel «verlor». Statt einfach erneut auf Starten drücken zu können, musste ich den Zielort sogar erneut eintippen. Nervig bei winterlichen Temperaturen und eiskalten Fingern.

Galerie statt Google Fotos

Die Galerie des Murena One
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch

Galerie ist okay, aber hier werden wohl viele Google Fotos nachtrauern. Es gibt Alben, man kann rasch zu den Videos wechseln. Auch teilen ist kein Problem. Bilder in die Cloud zu schicken, hingegen schon. Daten vom PC aufs Android-Handy zu schicken, ist gut machbar. Doch vom Android-Smartphone in die Murena-Cloud ist irgendwie nicht durchdacht.

Das vermisste ich denn auch am meisten: Eine unkomplizierte, schnelle Art, einzelne Bilder oder Videos aus der Handy-Galerie manuell in die Cloud zu schicken.

Murena-Cloud statt Google One

Wer ein kostenloses Murena-Konto erstellt, hat 1 GB kostenlosen Speicher zur Verfügung, erhält eine E-Mail-Adresse (murena.io), kann Kalender sowie Kontakte synchronisieren und kann Dokumente online bearbeiten. Positiv ist, dass man Google-Daten importieren kann.


Das Murena-Dashboard nach dem Einloggen in der Murena-Cloud (und vor dem Import von Google-Fotos-Bildern)
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch

Was etwas schmerzt: Kostenlos gibt’s in der Murena-Cloud nur 1 GB Speicher, bei Google sind es 15 GB.

Wer Fotos aus der Cloud importieren möchte, wird mit 1 GB erfahrungsgemäß nicht weit kommen. Und manuell auswählen, was man importieren will (und was nicht), geht derzeit leider nicht.

Zwar konnten wir die am PC importierten Google-Fotos-Bilder aufs Handy bekommen (siehe: Daten von Google Cloud zu Murena Cloud migrieren von PCtipp.ch), doch die auf dem Handy geschossenen Fotos synchronisierten zunächst nicht.

Einzelne Bilder kann man nicht einfach in die Cloud schicken, wie man das von Google Fotos gewohnt ist.

Einstellungen der Murena-Cloud
Quelle: Screenshot/PCtipp

Preise für Cloud-Speicher

Die meisten werden mehr als 1 GB Speicher benötigen. Die Cloud-Preispläne finden Sie hier.

20 GB kosten 1.99 Euro im Monat (19.90 Euro/Jahr), 64 GB sind für 3.99 Euro monatlich zu haben (39.90 Euro/Jahr) oder 128 GB für 5.99 Euro/Monat (59.90 Euro/Jahr).

Wer noch mehr Platz braucht, kann auch 256 GB, 1 TB (12.99 Euro/Monat bzw. 129.90 Euro im Jahr) oder gar 2 TB kaufen (24.99 Euro/Monat bzw. 249.90 Euro/Jahr).

Zum Vergleich: Google One gibts für 2 Euro/Monat, 200 GB für 3 Euro/Monat, 2 TB für 10 Euro/Monat. Dafür können Sie allerdings den Speicher für mit bis zu 5 Personen teilen, haben Kontakt zu Google-Experten und weitere Vorteile.


Die Murena-Cloud-Pläne
Quelle: Screenshot/PCtipp.ch

Open Camera statt Betreiber-Kamera-App

Der Vorteil ist, dass man bei Open Camera sehr viel selber einstellen kann. Das erfreut das (Hobby-)Fotografenherz.

Der Nachteil: Man muss es aber auch. Wer einfach schnell ein paar Schnappschüsse schießen möchte und gerade bei Nachtaufnahmen KI-Unterstützung schätzt oder Funktionen wie Nacht-, Porträt- oder Panorama-Modus gewohnt ist – den muss ich enttäuschen. Das gibt’s so, wie die meisten das kennen, bei Open Camera nicht.

Nachbearbeitung ist via Bleistift-Symbol möglich, es gibt auch Geotagging und mehrere Foto-Stempel-Möglichkeiten. 

Auch als wir dieselben Einstellungen wie auf einem Android-11-Smartphone gewählt hatten, brauchte die Kamera-App stets sehr lange, bis endlich mal ein Foto geschossen bzw. gespeichert wurde.

Vermisst habe ich eine einfache Möglichkeit, einzelne Fotos oder Videos in die Cloud zu schicken, um von einem anderen Gerät darauf zuzugreifen. Die automatische Synchronisierung kann via Einstellungen des Murena One aktiviert werden.

Kamera, Speed, Akkulaufzeit, Preise und Verfügbarkeit

Kamera

Das Murena One verfügt über eine 25-Megapixel-Frontkamera für Selfies und drei Rückkameras für Aufnahmen mit 48-, 8- bzw. 5-Megapixel-Sensoren.

Tagsüber macht man mit dem Murena One schöne Fotos. Bei Nacht schwächelt die Kamera allerdings. Oder vermutlich eher die Open-Camera-App.

Man muss sich die Zeit nehmen, die vielen Einstellungsmöglichkeiten durchzugehen. KI-Unterstützung für Nachtaufnahmen gibt’s nicht. Und Sie können zwar mit Open Camera sehr viel selber einstellen, aber dennoch geht es lange, bis ein Foto geschossen bzw. gespeichert wird.

Ein paar der damit fotografierten Bilder finden Sie unten. Die Selfie-Kamera bietet HDR-Support.

Speed

Der Speed hat mich nicht so recht überzeugt. Wer eine App öffnet, braucht etwas Zeit, auch bis ein Foto oder Video gespeichert wird und in der Galerie verfügbar ist, stellt zumindest meine Geduld auf die Probe. Aber beim Filmestreaming gabs keine Hänger oder Ruckler, das Filmerlebnis war einwandfrei.

Akkulaufzeit

Durchschnittlich hielt der Akku eineinhalb bis zwei Tage durch, je nach Nutzung, was ein guter Wert ist.

Preise und Verfügbarkeit

Das Murena One ist momentan nur via Onlineshop von murena.com verfügbar. Es ist für 349€ im Onlineshop zu kaufen.

Fazit und Kaufberatung

Für unter 400 Euro bekommt man ein zuverlässiges Handy mit guter Kamera und 5 Jahren Updates.

Abzug gabs, weil das Smartphone aus diesem Jahr kein 5G bietet, die Geschwindigkeit teilweise nicht überzeugte (z.B. beim Öffnen von Apps), man mit 1-GB-Gratis-Cloud-Speicher nirgends hinkommt und es zwar mehrere How-to-Artikel gibt, aber einerseits hauptsächlich nur in Englisch und andererseits ist ihre Zahl noch recht überschaubar. 

Sowohl /e/OS als auch das Murena One haben viel Potenzial, doch für die meisten Anwender dürfte es momentan noch etwas zu umständlich und zeitaufwendig sein, um dem Google-Universum den Rücken zu kehren. Hoffentlich liefert Murena bei den nicht Hardware-gebundenen Punkten noch nach.

Kaufberatung

Wer ein entgoogeltes Smartphone will, der findet hier ein sehr interessantes Exemplar. Für Experimentierfreudige, die gerne Neues ausprobieren: Go for it, wenn Sie kein Smartphone mit Top-Ausstattung benötigen.

Denn wer sich zum Schritt ohne Google durchgerungen hat, wird sich bewusst sein, dass man sich zu Beginn ein wenig mit e/OS beschäftigen muss und vielleicht erst dann so richtig realisiert, wie abhängig wir bereits von Google-Diensten sind.

Für viele Durchschnittsnutzer ist das Budget-Handy ohne Google auch interessant, aber derzeit noch etwas zu umständlich. Außerdem gibt es in dieser Preisklasse besser ausgestattete Smartphones.

*Claudia Maag ist Städterin, die sich aufs Land wagte, Dosenöffner von Redaktionshund Cody, könnte (guten) Kaffee manchmal intravenös brauchen. Testet am liebsten Smartwatches, versucht im PCtipp-Härtetest Outdoor-Handys zu schrotten, schreibt gerne über die Themen Konsumentenschutz, Navigations-Features/-Geräte, Smart Home, Gadgets für Hunde und probiert gerne neue Apps aus.


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