Auf ihrem Jahreskongress hat die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) ihrem Softwarelieferanten eine ganze Reihe von Forderungen präsentiert: Mehr Transparenz, faire Lizenzmetriken, mehr Sicherheit und den Nachweis, dass die neuen SAP-Lösungen auch dem eigenen Geschäft nutzen. [...]
Stabil soll er sein, aber auch flexibel – so stellen sich die SAP-Anwender ihren ERP-Kern vor, um die anstehenden Digitalisierungsherausforderungen meistern zu können. Das wurde einmal mehr auf dem Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) Ende September in Bremen deutlich. Besagter ERP-Kern soll alle wesentlichen Geschäftsprozesse abdecken, sich gleichzeitig aber auch schnell und einfach updaten lassen, fordern die SAP-Anwender.
„Da sind wir heute noch nicht“, machte aber der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck in seiner Keynote auf dem Kongress klar, und führte gleich darauf weitere Punkte auf seiner Wunschliste an. Zusätzlich müsse der ERP-Kern mit flexibel konfigurierbaren Lösungen ergänzt werden können. Nur so ließen sich End-to-End-Prozesse als elementarer Bestandteil digitaler Geschäftsmodelle über Unternehmensgrenzen hinweg realisieren.
Es reicht nicht – SAP muss aus Anwendersicht mehr tun
Darüber hinaus bräuchten die Anwenderunternehmen Lösungen, die mit einfachen Updates und Sicherheitskonzepten funktionieren, sowie verlässliche Informationen, damit Unternehmen ihre Digitalisierungsstrategie definieren können. „Und last, but not least transparente Kosten mit atmenden Lizenzmodellen, die nachhaltige Business Cases ermöglichen“, forderte Lenck, stellte aber zugleich fest: „SAP ist technisch auf dem Weg. Das reicht uns allerdings nicht.“
Doch offenbar wissen viele SAP-Anwender gerade mit den neuen Lösungen ihres Softwarelieferanten bis dato noch wenig anzufangen. Das hat eine Online-Umfrage der DSAG im Frühsommer unter rund 500 Entscheidern aus IT- und Fachbereichen im deutschsprachigen Raum ergeben. Demzufolge scheint die SAP Cloud Plattform für viele DSAG-Mitglieder noch eine Unbekannte zu sein, verlautete seitens der Anwendervertreter. Fast die Hälfte billige ihr kaum bis keine Relevanz zu. Auch die anderen Cloud-Lösungen würden für die digitale Transformation kaum in Betracht gezogen.
SAP Leonardo hat noch keine Bedeutung
Auch das Urteil über „SAP Leonardo“, das die badischen Softwerker immer stärker in den Mittelpunkt ihrer Produktstrategie rücken, fällt wenig schmeichelhaft aus. Mehr als vier von fünf Befragten (82 Prozent) messen der neuen Marke im Bereich Internet of Things (IoT) und Künstliche Intelligenz (KI) kaum bis keine Bedeutung in ihrer digitalen Strategie bei. Allerdings könne dies auch an der erst kürzlich erfolgten Markteinführung liegen, relativiert DSAG-Chef Lenck.
SAP-Anwender brauchen offensichtlich immer etwas Zeit, um mit neuen Lösungen aus Walldorf warm zu werden. Das zeigt das Beispiel von S/4HANA. Dem Nachfolger der Business Suite, der Anfang 2015 gestartet war, messen mittlerweile immerhin 70 Prozent der Befragten eine hohe bis sehr hohe Relevanz für die digitale Transformation zu. Aber, so fügen die DSAG-Vertreter im gleichen Atemzug an, auch die Business Suite biete für über die Hälfte der SAP-Kunden eine Zukunftsperspektive für ihre Digitalvorhaben.
SAP soll auch die alten Lösungen weiterentwickeln
„Für uns Anwender ist es wesentlich, dass SAP hinsichtlich des Reifegrads und der Leistungsumfänge der neuen Produkte mehr Transparenz schafft und auch die Weiterentwicklung der Business Suite stärker vorantreibt“, forderten die Anwendervertreter SAP wieder einmal auf. Es brauche Aufklärungsarbeit und verständliche Informationen seitens des Herstellers, damit die Digitalisierungs-Strategie der SAP für Unternehmensentscheidungen sichtbar sei. Denn, so hat die DSAG-Umfragen ergeben, SAP werde durchaus als wichtiger, wenn auch nicht als einziger Partner bei der Digitalisierung gesehen: 79 Prozent der befragten Entscheider billigen SAP dabei eine wichtige Rolle zu.
Die DSAG kündigte an, die SAP-Strategie auch künftig weiter kritisch hinterfragen zu wollen. Dabei gehe es beispielsweise um die Frage, inwieweit Cloud-Werkzeuge wie Ariba, SuccessFactors und Concur wirklich in bestehende IT-Umgebungen integrierbar seien und wo deren konkreter Nutzen für SAP-Anwender liege. Es sei davon auszugehen, dass die Weiterentwicklung von Zusatzprodukten um den digitalen Kern herum vornehmlich in der Cloud erfolgen werde. Die Kunden hätten in aller Regel jedoch bereits Lizenzen für ihre bestehenden On-Premise-Infrastrukturen erworben. Daher müsse darauf geachtet werden, dass es nicht zu Doppellizenzierungen kommt, mahnten die Anwendervertreter.
Lizenzmetriken – Knackpunkt für IoT-Vorhaben
Das Thema Lizenzierung und Pricing dürfte der DSAG zufolge auch im IoT-Umfeld eine wichtige Rolle spielen. Die wichtigsten Herausforderungen, die SAP im Bereich des Internet der Dinge noch meistern müsse, sehen DSAG-Mitglieder bei den Themen Sicherheit und Lizenzen, sowie indirekter Nutzung. Im Übergang von alten auf neue Verträge seien bestehende Ansprüche zu bewahren und durch ein einheitliches Preis- und Lizenzmodell zu unterstützen, lautet eine Forderung der SAP-Anwender.
Außerdem werde ein nachhaltiges und klares Pricing-Modell benötigt, das sich am Geschäft orientiert und die Risiken überschaubar hält, auch in einer IoT-Umgebung. Ohne die Klärung dieser und weiterer Punkte würden sich Digitalisierungsvorhaben nicht adäquat umsetzen lassen, folgern die DSAG-Verantwortlichen.
Noch einer weiter Weg in die Digitalisierung
Wie der Weg in die Digitalisierung bewältigt werden soll, ist vielen Unternehmen noch nicht klar. Zwar geht eine Mehrheit von 86 Prozent davon aus, dass die digitale Transformation fundamentale Auswirkungen auf ihr Unternehmen haben wird, doch halten sich derzeit nur 31 Prozent der befragten SAP-Anwender bereits für weit fortgeschritten in ihren Digitalisierungsbemühungen, hat die DSAG-Studie gezeigt. Fast sieben von zehn Anwendern sehen sich in ihren Digitalisierungsbemühungen noch nicht sehr weit beziehungswiese haben noch gar nicht begonnen.
„Das digitale Unternehmen muss sich zum intelligenten Unternehmen entwickeln“, forderte daher der für die Produktentwicklung verantwortliche SAP-Vorstand Bernd Leukert und verwies auf die jüngsten Produktankündigungen. Nur kurz vor dem DSAG-Kongress hatte der Softwarehersteller den SAP Data Hub vorgestellt. Das Tool führe sämtliche Daten im Unternehmen zusammen, sei hoch skalierbar und lasse sich zentral orchestrieren, warb der Hersteller.
Innovationsschübe kämen in immer kürzeren Abständen, prognostizierten denn auch die SAP-Vertreter. Dem Vertrauen in SAP als Partner für Innovationen würden derartige Vorstöße, auch wenn sie zunächst wie auch SAP Leonardo erklärungsbedürftig seien, nicht schaden, gibt man sich in Walldorf überzeugt.
Trau, schau, wem?
Doch das Vertrauensverhältnis zwischen Anwendern und SAP ist angeknackst. Gerade im Streit um Lizenzierungsfragen kämpft SAP mit harten Bandagen, wie das Vorgehen gegen die Getränkekonzerne Diageo und Anheuser-Busch InBev gezeigt hat. Anwendervertreter fordern seit Jahren flexiblere Lizenz- und Preismodelle, die sich an der konkreten Softwarenutzung orientieren und nach oben wie auch unten atmen können.
Die SAP-Verantwortlichen hatten zwar immer wieder angedeutet, über Pay-per-use-Modelle nachdenken zu wollen – auch wieder einmal auf dem diesjährigen DSAG-Kongress – konkrete Ergebnisse gibt es bis dato jedoch nicht. Zwar schreiben sich die DSAG-Verantwortlichen den einen oder anderen Teilerfolg in Sachen Lizenzierungsreform auf die Fahnen, von einem Durchbruch kann jedoch keine Rede sein.
Doch die Zeit drängt. Gerade im IoT-Zeitalter werden die Systeme immer engmaschiger miteinander vernetzt und mit dem neuen Data Hub dürften künftig immer mehr Daten durch die SAP-Systemen fließen. Wenn der Softwarekonzern jedoch für jede Nutzung externer Daten die Hand aufhält, werden die Kosten für die Anwender immer schwieriger zu kalkulieren.
Wie wichtig ist Deutschland für SAP?
Zuletzt bleibt auch die Frage, inwieweit ein international agierender Softwarekonzern wie SAP auf die Befindlichkeiten des deutschen Marktes Rücksicht nehmen wird. Zwar dürfte das Stammland des Herstellers auch in Zukunft eine besondere Rolle spielen, doch wirtschaftlich spielt die Musik längst in anderen Märkten, die zudem neuen Technologien meist aufgeschlossener gegenüber stehen.
2016 verbuchte SAP hierzulande Einnahmen in Höhe von gut drei Milliarden Euro. Das entsprach einem Anteil von 13,75 Prozent am Gesamtumsatz (22,1 Milliarden Euro). Zehn Jahre zuvor machte der deutsche SAP-Umsatz mit 1,9 Milliarden Euro noch mehr als 20 Prozent der Gesamteinnahmen (9,4 Milliarden Euro) aus. In der zurückliegenden Dekade verbesserte sich das Deutschlandgeschäft SAPs um insgesamt 59 Prozent. Der Gesamtumsatz legte indes um fast 135 Prozent zu.
* Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur der Computerwoche.
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